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Best Of Food People 11. Oktober 2023

„90 Prozent Auslastung, 299 Euro das Menü“: Reto Brändli im Lorenz Adlon Esszimmer

Stolze elf Jahre kochte Hendrik Otto erfolgreich als Küchenchef im Restaurant Lorenz Adlon Esszimmer, das vom Guide Michelin mit zwei Sternen beeindruckende zehn Jahre in Folge ausgezeichnet wurde. Vergangenes Jahr verabschiedete sich Otto schließlich, um sich neuen Herausforderungen zu stellen. Ein Paukenschlag in der Gastro-Szene Berlins und gleichzeitig keine leichte Aufgabe für das Hotel Adlon einen passenden Nachfolger zu finden.

So zumindest dachte man Anfang 2022. Nur eineinhalb Jahre später, mag man sich das „Lorenz Adlon Esszimmer“ ohne den Schweizer Reto Brändli gar nicht mehr vorstellen. Brändli lernte sein Handwerk unter anderem im Waldhaus Sils, in Sils-Maria bei Kurt Röösli. Er machte Station bei Benoît Violier, Dario Ranza, Andreas Caminada und Rolf Fliegauf.

Heute gehört Brändli selbst zu den besten Köchen des Landes, zuletzt hat er im Restaurant „Cà d´Oro im Schwesterhotel „Grand Hotel des Bains Kempinski“ in St. Moritz zwei Michelin-Sterne erkocht. Nun verteidigte bzw. bestätigte er, man könnte denken, fast mühelos, die zwei Michelin-Sterne im Lorenz Adlon Esszimmer.

Wie ist ihm das aber gelungen? Einerseits, weil Brändli selbsterklärend sein Handwerk versteht, andererseits weil er sich wie kein anderer Koch in der Hauptstadt zu klassischen Luxusprodukten wie Kaviar von Kaviari aus Paris, Taube von Spitzenzüchter Jean-Claude Miéral aus der Bresse oder gut abgehangenes Kalbfleisch aus Bayern bekennt. Und in diesem Zusammenhang die Qualität des Produkts über alles stellt und dadurch zwangsläufig auf radikale Regionalität wie sie in einigen Berliner Restaurants gelebt wird, verzichtet.

Klassische französische Haute Cuisine in Berlin

Seine Küche ist hingegen klassische französische Haute Cuisine, modern interpretiert und innovativ mit asiatischen Einflüssen: Einem begegnen gehaltvolle Saucen sowie der kluge Einsatz von Säure, mit vertrauten und geschmackvollen Kombinationen, die mit überraschenden Akzenten versehen werden und einer möglicherweise typischen Schweizer Geradlinigkeit. Was man bei Brändli hingegen zum Glück nicht finden wird: missglückte Crossover- oder Fusion-Kitchen.

Das Menü im Lorenz Adlon Esszimmer umfasst sechs bis acht Gänge. Und ist mit elf Tischen und etwa 40 Plätzen zu 90 Prozent über das Jahr hinweg ausgelastet, was erneut unterstreicht, das Brändli in Berlin hoffentlich für eine längere Zeit seine kulinarische Heimat gefunden haben dürfte. Das Ziel: „Natürlich 100 Prozent Auslastung und ein Menüpreis von 300 Euro, der nicht nur wegen der allerorts gestiegenen Preise gerechtfertigt ist, sondern auch wegen der täglichen Arbeit, die unser gesamtes Team leistet“, so Brändli und Maître Oliver Kraft unisono.

Und diese Arbeit spürt man als Gast. Das Amuse-Bouche in zwei Gängen ist eine fast perfekte Einstimmung auf ein ohne Ausnahme überzeugendes Menü. Eine pochierte Auster mit Holunderblütenschaum kommt mit einem Cornetto aus Rote Beete mit Kristallkaviar und geräucherter Crème fraîche sowie ein auf einem Silberlöffel angerichtetes Hamachi-Tatar samt Meerrettich-Mousse und eingelegtem Rettich. Als zweiten Teil des Amuse-Bouches gab es Falafel, ein Bio-Ei mit confiertem Spinat und ein Sauerteigbrot mit aufgeschlagener Butter.

Brändlis Küche ist bekannt für sein ausbalanciertes Zusammenspiel von Aromen und Texturen. Das schmeckt man bei dem ersten Gang, der aus Taschenkrebsfleisch, das mit Krustentiermayonnaise mariniert und mit zweierlei Rettich garniert ist, besonders deutlich. Hinzu kommen Stücke von frischem grünem Apfel und Leinsamenchips und einer Buttermilch-Vinaigrette mit Korianderöl und eine Vinaigrette von grünem Apfel sowie gefrorenen Perlen von Buttermilch und Apfel.

© Steffen Sinzinger

Höchste Produktqualität 

Wie anfangs erwähnt setzt Brändli auf höchste Produktqualität. Kein Wunder, dass sich ein südafrikanischer Kaisergranat im dritten Gang des Menüs wiederfindet. Gebraten in Nussbutter wird der gelöste Schanz in der eigenen Schale auf einem Cous Cous aus Blumenkohl angerichtet. Kombiniert mit einer Nocke Pfifferlingskompott, marinierten Blumenkohlscheiben und einer Krustentier Bisque ist das ein perfekter Gang. Gerade, weil Brändli es beherrscht, die Eigengeschmäcker der sehr hochwertigen und geschmacksintensiven Produkte ohne Verfremdung auf den Teller zu bringen.

© Steffen Sinzinger

Mein Highlight des Menüs ist allerdings ein Rotbarbenfilet, das nicht gebraten, sondern mit heißem Fett übergossen wird. Dazu gibt es ein Tomatenkompott sowie ein Ragout von Tomate, Zwiebel, Zuckerschoten und Basilikum und einer Tomaten Beurre Blanc.

© Steffen Sinzinger

Erstklassig ist weiterhin der Service, mit Gastgeber Oliver Kraft und Sommelier Hans-Martin Konrad, die glücklicherweise auch mit der Zeit gehen und auf Nachfrage auch eine alkoholfreie statt einer  Weinbegleitung anbieten. Und dabei unter anderem mit weniger bekannten alkoholfreien Schaumweinen wie zum Beispiel perlenden Traubensaft vom Weingut Aldinger überraschen. Wer doch lieber Wein bevorzugt: Hans-Martin Konrad nimmt seine Gäste gerne auch mit auf eine individuelle Reise durch eine über 1300 Positionen umfassende Weinkarte mit ausgesuchten Raritäten aus der ganzen Welt.

Lorenz Adlon Esszimmer

Lorenz Adlon Esszimmer
Unter den Linden 77
10117 Berlin Deutschland

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