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Feuilleton Film 28. Juni 2019

Von Vätern und Söhnen. TASCHEN Das Star Wars Archiv 1977–1983

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis. Gut. Ganz so lange her und weit entfernt, ist es nicht. Aber beinahe 30 Jahre sind dann doch mittlerweile vergangen, seitdem mein Vater eben jenen Film nach Hause bringen sollte, der mich bis heute wie kein anderer fasziniert und begleitet.

Damals noch auf VHS und aus der ersten und einzigen Videothek des Dorfes für 5 Mark am Tag geliehen, zog mich Krieg der Sterne (1977) – Anfang der 90er verwendete noch kein Mensch, und schon gar nicht in der bayerischen Provinz den englischen Titel Star Wars – sofort in seinen Bann.

Mit Kinderaugen

Zu fantastisch war das, was sich mir dort als Sechsjähriger auf dem heimischen Röhrenfernseher bot: Der unendliche Weltraum, darin gigantische Raumschiffe, die einander mit Lichtgeschwindigkeit hinterher jagen. An Bord eine schöne Prinzessin, ganz in weiß gekleidet und mit einer Zopf-Frisur, die an zwei Nussschnecken am Kopf erinnern, wird von einem finsteren Zauberer in schwarzer Rüstung brutal gefangenen genommen. Zu ihrer Rettung macht sich ein junger Bauernbursche mit leuchtendem Schwert auf, angeführt von einem weißen Zauberer und begleitet von einem Piraten mit seinem starkem Bärenfreund.

© TASCHEN

Die Rettung aus der dunklen Festung gelingt der Truppe, der schwarze Zauberer wird besiegt, seine galaktische Festung gesprengt, die rebellischen Helden belohnt und der erste Akt des Weltraum-Märchens – damals sprach auch noch keiner von Episode IV – hatte sein Happy End. Mich hatten die zwei Stunden Film völlig umgehauen. Darth Vader, Obi-Wan Kenobi, Han Solo, Prinzessin Leia, Chewbacca und Luke Skywalker gehörten ab diesem Zeitpunkt ebenso zur Familie wie die eigenen Geschwister. Selbstverständlich musste mein Vater bald den Gang zur Videothek wiederholen und die beiden Fortsetzungen Das Imperium schlägt zurück (1983) und Die Rückkehr der Jedi-Ritter (1989) ausleihen. Ich war dabei als Luke Skywalker schließlich zum Jedi-Ritter wird, sich dem finsteren Darth Vader, seinem totgeglaubten Vater (!!!), stellt und mit ihm das böse galaktische Imperium besiegt.

Auf Heldenreise

So die schnelle Zusammenfassung eines Sechsjährigen. Das nächste Mal sollte das Star-Wars-Fieber wieder aufflammen, als die klassische Trilogie zu ihrem 20-jährigen Jubiläum als Special Edition in die Kinos zurückkehrte und ich alle drei Filme mit mittlerweile 13 Jahren zum ersten Mal auf der großen Leinwand erlebte. Mein Schicksal als Star-Wars-Nerd war damit endgültig besiegelt und mein Kinderzimmer platzte durch die vielen Star-Wars-Bücher, Poster und Action Figuren zunehmend aus allen Nähten. Immer mehr zogen mich die narrativen Metaebenen der Filme in den Bann, ihre visuellen Effekte sowie die vielen mythologischen Referenzen, denen sich ihr Schöpfer George Lucas bei der Erfindung seines Universums bediente.

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Besonderer Bestandteil davon ist das Erzählelement der klassischen Heldenreise, welches sich in der Figur des jungen Luke Skywalker manifestiert. Aufgewachsen als Waisenkind ohne Vater und Mutter auf einem öden Wüstenplaneten, durchreist er die Galaxis auf der Suche nach seiner eigenen Identität, erlebt Abenteuer, gewinnt Freunde und Mentoren, stellt sich seinen eigenen Ängsten, wächst über sich hinaus und triumphiert schlussendlich über alle Widerstände.

Von Vätern und Söhnen

Kurz bevor die Neuauflage der Filme ins Kino kam, war mein Vater plötzlich verstorben. Die weit, weit, entfernte Galaxis war auf einmal ganz nah, Luke Skywalkers Suche nach seinem Vater, die Konfrontation mit dessen Identität und Geschichte mit meiner eigenen jungen Biografie eng verbunden. Die klassischen Star-Wars-Filme sind deshalb für mich persönlich vor allem eine fantastische Geschichte und Parabel auf das nicht immer leichte Verhältnis zwischen Vätern und ihren Söhnen: Wie viel von unseren Vätern steckt in uns? Welche Entwicklungen sind uns deshalb vorherbestimmt? Was haben wir als Kinder selbst in der Hand? Wie kann ich derjenige werden, der ich sein möchte? Und wer ist für mich schlussendlich da, wenn mir das nicht gelingen sollte?

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Vermutlich faszinierten auch George Lucas diese Fragestellungen. Und so sollten sich die nächsten drei Teile der Star-Wars-Saga als sogenannte Prequel-Trilogie (Episode I-III, 1999-2005) mit der Vorgeschiche Darth Vaders beschäftigen. Im Zentrum stets die Frage: Wie konnte ein gutmütiger Waisenknabe, erzogen zum tapferen und redlichen Jedi-Ritter, Hoffnungsträger für Friede und Gerechtigkeit in der ganzen Galaxis, treuer Ehemann und Vater, schließlich zur Inkarnation des Bösen schlechthin werden?

Die letzten Jedi?

Ein Aufschrei ging durch die Fan-Szene, als 2012 der Walt-Disney-Konzern für satte 4 Milliarden US-Dollar Lucasfilm und damit sämtliche Lizenzen für die Star-Wars-Filme erwarb. Zeitgleich wurde eine neue Trilogie angekündigt, die mit The Force Awakens (Episode VII, 2015) startete, mit The Last Jedi (Episode VIII, 2017) ihre Fortsetzung fand und schließlich in diesem Dezember mit The Rise of Skywalker (Episode IX, 2019) ihr Ende findet. Mickey meets Star Wars: Fans der ersten Stunde kritisieren die neuen Teile zunehmend als lieb- und einfallslose Geldschneiderei mit altbekannten Story-Elementen und Protagonisten, die vor allem eine jüngere Generation adressieren.

Laut Disney soll die Geschichte rund um die Familie Skywalker mit Episode IX endgültig beendet sein. Das Thema Star Wars für Disney aber damit noch lange nicht. So befinden sich bereits neben einer neuen Filmtrilogie auch einige TV-Formate in den Startlöchern, die auch weitere Generationen von Fans begeistern sollen.

Ich persönlich freue mich auf Dezember und auf alles, was da noch so kommen mag. Denn ähnlich wie der Trailer zum kommenden Teil konstatiert „Every generation has a legend“ werden aus Söhnen irgendwann schließlich selbst Väter. Und so freue ich mich schon darauf, sobald die Zeit reif ist, meinem eigenen, kürzlich geborenen Sohn, vom Krieg der Sterne zu erzählen – und wie mein Vater mit mir, gemeinsam mit ihm die Filme zum ersten Mal anzusehen.

TASCHEN Das Star Wars Archiv. 1977–1983, 604 Seiten, 150 Euro: Entstanden in enger Kooperation mit George Lucas und Lucasfilm, deckt die Entstehungsgeschichte der Originaltrilogie ab – Krieg der Sterne (= Episode IV: A New Hope), Das Imperium schlägt zurück (= Episode V: The Empire Strikes Back) und Die Rückkehr der Jedi-Ritter (= Episode VI: Return of the Jedi).

Es enthält ein Exklusivinterview mit Lucas und ist vollgepackt mit selten gezeigten Dokumenten, mit Drehbuchseiten, Produktionsunterlagen, Konzeptentwürfen, Storyboards und natürlich einer Fülle an Fotos aus den Filmen und von den Dreharbeiten.

© TASCHEN

 

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