Die Welt brennt, die Welt trocknet aus, die Welt ist überflutet. Die Welt kriegt Affenpocken und die Welt hat Corona. Könnte besser laufen für uns. Auch schlechter. Viele Fragezeichen. Für viele nicht, für uns hier oben schon. Auf diesem Auge müssten eigentlich auch die stursten Rechtspopulist*innen bald ihre Privilegienblindheit verlieren. Es sein denn, es ist ihnen egal oder sie haben Recht.
Ich hoffe sie haben Recht, rechne aber eher mit egal. Apropos „Arschlöscher“ – wie Sibylle Berg sagen würde – bin ich zur Zeit in einen Land, in dem zum gefühlt 100. Mal ein 100-Jähriger Silvio Berlusconi bei einer Wahl antritt, aber das Verrückte ist, er ist nicht mal der Schlimmste, mit Meloni führt dort eine ehemalige Faschistin – ihrer Aussage nach ehemalig. Die Angst meldet sich, und man versucht krampfhaft zu verstehen, wieso immer mehr Menschen, offensichtlich idiotischen (und extrem rechten) Ideen applaudieren.
Und Ideen ist noch gut gemeint, oft sind es leere Versprechen ohne die entfernteste Möglichkeit der Umsetzung. So passiert es gerade in Dänemark, Schweden, und eben in Italien. Und England macht auch da weiter, wo es aufgehört hat. Populisten, die die Klimaveränderung leugnen, Migration verbieten und Vermögenssteuer senken wollen sind das Letzte was die Welt braucht.
Das Letzte was wir in Dänemark brauchen, sind Politiker*innen die Künstler*innen ihre Stipendien und Kultur ihre Förderung streichen möchten und Diskussionen, ob Mädchen in der Schule Kopftuch tragen dürfen, während an der eigentlich offenen Grenze immer noch Pässe kontrolliert werden. Wie gesagt: Die Welt brennt und draußen vor dem Zug verschwimmt die Landschaft und das Mittelmeer sieht gar nicht so aus als würden jährlich 600.000 Tonnen Plastik in ihm enden.
Dazu ein Soundtrack, der zwischen den Stimmungen pendelt und auch für ein Sommerende geeignet ist, dass weder in Italien noch am Mittelmeer verlebt wird, produziert von Künstler*Innen über die ich nicht viel weiß. Aber sie passen wunderbar zu verspäteten Zugfahrten im In- und Ausland, und weil Podcast da ebenso zugehört, gibt es dafür auch eine Empfehlung. Denn das man die neue Beyoncé hören muss, ist eh klar.
Hypnotic Brass Ensemble – This Is a Mindfulness Drill
Letztes Jahr herausgekommen, kann ich es aber immer noch nicht loslassen. Kann dein aktueller Gemütszustand mit „berührt“ oder „gerührt“ beschrieben werden, sind diese drei Lieder deine warme Decke, die dich 37 Minuten lang umwickelt. Es sind Reworks von Richard Youngs Album „Sapphie“, von 1998, vom Label Jagjaguwar in Auftrag gegeben, und dieses sind drei Versionen vom Hypnotic Brass Ensemble aus Chicago, das seinem Namen entspricht und hier zusammen mit den drei Ausnahmekünstlern, Moses Sumney, Parfüme Genius und Sharon Van Etten aufgenommen wurde.
Zugegeben, ich kenne das Original nicht, aber diese drei Stücke beinhalten alles an Hoffnungen, Verlangen und Liebe. So gefühlvoll instrumentiert, so gefühlvoll gesungen, dass es fast zu viel ist. Ist es aber nicht, sondern mehr als richtig. Probiert es aus, dann werdet ihr es schon verstehen.
Tosca – Osam
Tosca sind Richard Dorfmeister (der von Kruder &) und Rupert Huber. Gemeinsam haben sie mit „Osam“ eine trippig bis spacige Trip Hop Platte gemacht und aus Samples gebastelt, die gelegentlich auch Richtung Dancefloor abbiegt und sanft funkt. Jedenfalls wenn dieser Floor ins Licht einer untergehenden Sonne getaucht ist. Dann bringen sie etwas Bewegung in die bis dahin kopfnickenden Körper, die wohl gerade noch darüber grübelten, ob das eigentlich Country-Einflüsse sind, oder doch Blues? Singt immerhin eine Stimme im Titeltrack, eine wierde Stimme. So gibt es viele verstreute krude Einfälle auf diesem Downbeat-Werk von zwei alten Wienern, die sich nichts mehr scheißen und damit einen Treffer landen.
Fortuna Ehrenfeld – Solo I.
Das Gefühlsregister ist ähnlich wie das von „This Is a Mindfulness Drill“. „Solo I“. ist dann aber eher ein Drill in das Mind und die Seele von Sänger Martin Bechler, der dich mit auf emotionale Kneipentour nimmt. Er singt hier mit Sarkasmus und Leiden vom Leiden und Sarkasmus. Und von Liebe, von Hoffnung, Verlangen und vom Leben. So hart das auch sein mag. Trotz Härte und Kummer, ist der Humor nicht verloren gegangen, und das ist gut.
Könnte sonst gefährlich traurig werden manchmal. Solltest du selbst gefährlich traurig oder auch nur moody sein, hör hier rein. Bechler ist nicht die wärmende Decke, aber er kann dir eine umlegen und deine Gedanken für dich in einen Sack packen, der mit rauer Stimme zugeschnürt wird, und mit Gefühl, nicht mit Gewalt. Dazu ein bisschen Gitarre, ein bisschen Klavier und dann ist Rio Reiser auch nicht super weit weg.
Radiolab – Dolly Parton’s America
Und jetzt, Podcast, aber mit Musikbezug. Und zwar Dolly Parton, Star, Legende, Unternehmerin, feministische Ikone und vieles mehr. Viele kennen sie ohne sie zu kennen, dabei hat sie eine Biografie in die man für lange, lange Zeit eintauchen kann. Jad Abumrad und Shime Oliaee wagen den Tauchgang und versuchen herauszufinden, warum Dolly Parton dieses Ikone und lebende Legende ist, auf die sich so viele einigen können.
Durch Interviews mit ihr, selbst, beschreiben Journalisten wie sie sie geworden ist, eine Country-Musikerin, die Zero Fucks gibt, Millionen Dollar verdient und spendet sowie den Weg für die 3. Welle Feminist*innen mit ihrem Schweiß und ihren Tränen gepflastert hat. Natürlich geht es auch um Country und die USA an sich. Bei Radiolab weiß man, wie man einen Podcast zusammenschraubt. Hier klingt alles gut, hat einen roten Faden und bietet Unterhaltung – auch für größere (Zug)-Verspätungen.
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