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Feuilleton Musik 5. November 2021

Plattenteller des Monats #November 2021

Herbst ist jetzt, war jetzt und der Winter kommt bald. Ein normales Leben sollte bald auch wieder kommen. Oder eine vierte Welle… Weiß man nicht so genau? Dafür ein neues Wort gelernt: Impfdurchbruch.

Durchbruch könnte auch was gutes sein, ist es aber nicht. Die Zeitung sagt, der Virus geht weg, je mehr Menschen geimpft sind. Je mehr Menschen jedoch geimpft sind, umso mehr wächst auch deren Anteil an Neuinfektionen: dezent nervig. Schreien ist erstmal eine Möglichkeit, erzielt aber im Gegenzug dazu keinen merkbaren Durchbruch. Also erstmal weiter aus dem Fenster gucken oder in den Fernseher.

Isolation hilft. Anderen, nicht dir. Bräuchte langsam auch einen Durchbruch, zum Inneren, da schreit es nämlich. Hätte schlimmer kommen können – wird gesagt. Kann es immer, sagt das Innere. Wann kann es nicht mehr schlimmer kommen? Relativ.

Genug gelitten. Ohren und Anlage funktionieren noch. Musik zur Stimmung suchen, ist immer eine gute Herausforderung, andersherum auch. Mit den unten stehenden Platten hat beides geklappt.

Isolation Berlin – Geheimnis (Staatsakt)

Apropos Isolation: Die Berliner um Songwriter Tobias Bamborschke, der auch neulich seinen zweiten Gedichtband veröffentlichte (der erste war super) haben ein neues Album und ich bin weiterhin Fan. Die Texte sind immer noch etwas düster und nähren sich an Bamborschkes Depression. Trotzdem ist es ein humorvolles Album, es poppig zu nennen, würde wohl zu weit gehen, aber die feinen Melodien stehen klarer und es ist weniger aggressiv. Passiv agressiv vielleicht? Es geht um das was Innen ist, und um das Außen, in dem man (fest) steckt. Rockmusik, gelegentlicher Schrammel transportiert das immer noch recht gut, und Isolation Berlin lassen diese und deutsche Texte weiter leben. Und verkürzen die Zeit bis zur neuen Tocotronic Platte.

Efterklang – Windflower (Cityslang)

Ein neues Efterklang Album ist immer ein Ereignis und ein Grund zum Plattenladen zu laufen. Wenige andere Bands legen sich selber so viele Dogmen auf, sei es bei der Produktion, beim einspielen oder schreiben. Diesmal kam Corona dazwischen und so nisteten sie sich auf der wunderschönen Halbinsel Møn in einer alten Saftpresse ein und schrieben, produzierten und nahmen auf. Wenn man die Atmosphäre und Stimmung erahnen möchte, schaut man sich das Video zu „Dragonfly“ an. Die Songs sind voller Hoffnung und Leichtigkeit, und Poesie. Diesmal wieder auf Englisch bis auf den letzten Song der Dank eines Features mit The Field wunderbar elektronisch und dänisch ausufert. Man spürt den Wind in den Haaren oder träumt davon. Kommt auf durchsichtigem Vinyl.

Fred again – Actual Life (April 14 – December 17 2020) (Atlantic Records UK)

Fred Gibson aka Fred Again ist ein Producer über den ich in letzter Zeit immer wieder gestolpert bin, wohl weil er irgendwie Hot ist und für Künstler produziert, die alle einen guten Sound haben und gut groovy Tracks oder Alben veröffentlicht haben, wie Jayda G, Romy oder FKA Twigs. Dazu Remixes von Brittany Howard oder Baxter Dury. Was in Zusammenarbeit mit anderen funktioniert, läuft auch auf dieser Platte. Manches mehr Track, manches mehr Skizze, manches für den Kopfhörer, anderes für den Floor – Caribou wäre ein Keyword. Es hat Melancholie und Vortrieb. War gut für eine Zeit, wo Clubs noch kein Ding waren, und passt weiterhin gut auf eine Homedisco-Playlist.

Theon Cross – Intra-I (Neon Soil)

Die Londoner Jazzszene entwickelt sich weiter. Viele der vor einiger Zeit neuen Künstler*innen sind jetzt bei ihren zweiten Alben angelangt. So auch Theo Cross, spielt seine Tuba u.a. auch bei Sons of Kemet, und schiebt den Jazz weiter über den Tellerrand, verknüpft Genres und lässt es mit den Klängen und Stimmungen Afrikas, Brasiliens und Londons verschmelzen. Grime, Rap, Jazz, Spoken Word Passagen werden von Gästen punktgenau serviert und alles rumort und grollt und bounced. Eine Platte so cool wie bedrohlich und den Zeitgeist treffend.

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