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Feuilleton Literatur 24. September 2021

Literarisches Sixpack mit Caroline Rosales

Caroline Rosales, geboren 1982 in Bonn, studierte Regionalwissenschaften, Klassisches Chinesisch und Archäologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und ist Autorin mehrerer Sachbücher. Im Jahr 2019 erschienen ihre Bücher „Sexuell verfügbar“ (Ullstein) und „Single Mom“ (Rowohlt).

Im August 2021 folgte ihr erster Roman „Das Leben keiner Frau“ (Ullstein) über den Maxim Biller folgendes schrieb: „Die willigsten Helfer des Patriarchats sind oft die Frauen selbst. Davon erzählt Caroline Rosales in ihrem herrlichen Liebesroman so ehrlich und selbstironisch wie keine andere deutsche Schriftstellerin vor ihr.“ Zudem ist im September 2021 ist ihr Kinderbuch „Allerbeste Schwestern“ erschienen. (Carlsen).

Uns hat Caroline für eine neue Folge unseres „Literarischen Sixpacks“ ihre sechs Lieblingsbücher verraten, die unter anderem ihr Schreiben inspiriert und beeinflusst haben. Und warum Homo Faber jeder Mensch nicht nur einmal gelesen haben sollte.

1.) Alina Bronsky: Der Zopf meiner Großmutter

Eine russische Großmutter, die sich in der Welt nicht mehr zurecht findet, ein Enkel, der unter der Erziehung seiner Großmutter leidet. Dabei diese schwebende Unklarheit, ob die Großmutter aus sadistischen Motiven, Verzweiflung oder besserem Wissen handelt – das alles macht die Magie dieses Romans aus. Das Buch war für mich auch eine Methodik-Studie, wie sich ein Frauenleben, eine ältere Figur erzählen lässt.

2.) Max Frisch: Homo Faber

Ich habe das Buch natürlich in der Schule gelesen, aber über die Jahre immer besser verstanden. Auch weil ich Menschen getroffen habe, die ein ähnlich vermeidendes Verhalten an den Tag gelegt haben, und sofort war die Referenz zu Homo Faber wieder da. Max Frisch beschreibt dabei für mich auch einen Typus Mensch, der auch bei Albert Camus eine Rolle spielt. Einen, der durch seine Passivität das Leiden von anderen bis zum Kollaps vergrößert, einer der Katastrophen durch Mitläufertum auslöst. Diese Analogie hat mir immer sehr gefallen.

3.) Paolo Giordano: Die Einsamkeit der Primzahlen

Das Buch habe ich auf einer Zugfahrt durch Indien gelesen und auch hier geht es um einen mindestens introvertierten, wenn nicht traumatisierten Menschen und eine Liebesgeschichte, die sehr von ihren verpassten Chancen lebt. Ich war von der Komplexität der beiden Charaktere sehr berührt, von der Detailgenauigkeit, mit der ihr Inneres beschrieben wird, wie sonst nur in anderen Büchern die Außenwelt beschrieben wird.

4.) Gustave Flaubert: Madame Bovary

Emma Bovary ist eine Frau vom Lande, in deren Leben alles mittelmäßig verläuft. Aus dieser Langeweile heraus, entsteht allerdings ein Sog, der sie und ihre Familie ins Unglück reißt. Flaubert gibt nicht seiner seiner Protagonistin die Schuld dafür, sondern der Gesellschaft, den Ständen, den Reichen. Die tiefe Sozialkritik am Beispiel von Einzelschicksalen, die ein grausames Ende nehmen, hat mich literarisch schon in sehr jungen Jahren überzeugt. So wollte ich immer schreiben.

5.) Édouard Louis: Das Ende von Eddy

Ähnlich wie Madame Bovary verhält es sich mit dem Debütroman „Das Ende von Eddy“. Es ist eine Sozialkritik an der französischen Gesellschaft, eines der wichtigsten Bücher zum viel diskutierten Begriff der Klasse. Mich hat fasziniert, wie offen und ungeniert, Louis, seine Geschichte erzählt, wie roh und dabei gleichzeitig seine Seriosität als einer der wichtigsten Intellektuellen Frankreichs behauptet und  verteidigt hat.

6.) Leo Tolstoi: Krieg und Frieden

Ich hatte mein ganzes bisheriges Wirken lang (nicht ganz zu unrecht) das Gefühl, dass alles was ich über das Leben begriffen habe, in diesem Buch steht. Mal abgesehen davon, dass die Vielzahl an Charaktere, die da trennscharf erzählt werden, einfach überwältigend ist. Nach so einer Lektüre ist es schwer, sich eine Existenzberechtigung für seine eigenen Manuskripte dennoch abzuringen.

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