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Feuilleton Musik 7. März 2021

Plattenteller des Monats #März 2021

Wie soll man das denn jetzt langsam noch verarbeiten? Resigniert man nicht einfach bald, oder hat man schon. Das genervt sein überlagert den Rest. Merkel spricht von dritter Welle und die Frisöre öffnen. Endlich wieder gut aussehen vor der Webcam oder wenn man an seiner Stammkneipe vorbei geht, so fern da noch was zum vorbeigehen ist. Hier bei uns in Kopenhagen kann man jetzt wieder shoppen, aber hättet ihr Lust drauf? Klar, für diesen Artikel hier ist es schön, dass Plattenläden wieder aufhaben, doch trotzdem wirkt es hohl, unvollständig.

Es muss schön sein Coronaleugner zu sein, da hat man ein Ventil bzw. einen ganzen Dunstabzug für seine Wut, kann einfach los marschieren und Politiker und Forscher anbrüllen, oder den Nachbarn. Unsereiner geht zum hundertsten Mal durch den scheiß Park oder um den Block und versteht nicht, warum dass alles so hartnäckig sein muss und nicht einfach zusammen mit dem letzten Schnee wegschmelzen kann. Frühlingsanfang: Das ist doch sonst ein Umbruch, ein Bote für die schöne Zeit des Jahres. Jetzt sind die Boten Pharmafirmen und schöne Zeiten auf die unbekannte Zukunft verschoben. Zeit für eine neue Folge unseres Plattenteller des Monats.

Fleet Foxes – Shore (Anti Records)

Fleet Foxes besteht heutzutage nur noch aus Robin Pecknold und das neue Album ist noch aus dem letzten Jahr, kam aber erst neulich auf Vinyl in verschiedenen hübschen Versionen raus. Über die Jahre haben sich Fleet Foxes von ihrem ursprünglichen Sound – aufgenommen in Blockhütten inklusive knarzendem Boden und Father John Misty an den Drums – immer ein bisschen mehr entfernt. Auf „Shore“ sitzt der Folk den wogenden Melodien jedoch wieder im Nacken und spielt die Gitarren. Pecknold weiß wie man aus Frohsinn und Sonnenschein Songs schreibt, die man über eine Wiese laufend vor sich hin Pfeifen möchte. Auch Leichtigkeit hat seine guten Seiten, und die Schwermut braucht mal Pause. Hat man dieses Album gehört, möchte man anschließend auch wieder Mykonos auflegen, und spätestens dann sollten die inneren Antennen auf Sommer stehen.

Madlib – Sound Ancestors (Madlib Invazion)

Madlib steht natürlich für sich. Ein Producer über alles erhaben, der aus allem und jeden Einflüsse ziehen kann, doch nicht so viele Sachen alleine veröffentlicht, sondern lieber mit tüchtigen Rappern. Man sollte also meinen er weiß was er tut, doch für diese Platte hat er sich dann trotzdem noch Four Tet dazu geholt. Ein durchgehendes Genre ist nicht zu bestimmen, der Tüftler und Sampler hat aus HipHop, Jazz, Soul, Reggae und Electronica ein fettes Werk zusammengetragen (und es mit Hilfe von Four Tet zusammengestückelt). Eine Platte, die nur darauf wartet, dass zu ihr ein Drink getrunken und etwas Kräuter verbrannt werden. Im Interview neulich mit Gilles Peterson (nachzuhören auf BBC6) sagte Madlib, er habe einiges an Musik fertig und es würden mehr Release folgen.

Sofa T – Yakera (Beatjazz International)

Vom internationalem Beatmaker zu lokaler Beatmakerin: Sofa T kommt hier aus meiner Neighbourhood und hat gerade ihr zweites Album rausgebracht. Darauf ist wie das Label schon andeutet Beat und Jazz. Kosmische Lo-Fi Länge, HipHop Beats und Soundschnipsel, die einen coolen Groove entwickeln. Ähnlich wie Madlib klingt es mal nach Old- und mal Newschool und außerdem hat Sofa die verschiedenen Weltecken ihres Stadtteils musikalisch nachgebaut. Das Label kommt übrigens aus Berlin und hat noch sieben andere Musikerinnen im limitierten Angebot.

Yung – Ongoing Dispute (PNKSLM Recordings)

Hören die jungen Leute eigentlich noch Rockmusik? In Dänemark machen sie das jedenfalls noch. Als Yung vor 4 Jahren debütierten, durfte ich sie auf dem Reeperbahn Festival interviewen, doch viel war nicht aus ihnen herauszuholen, sie wirkten als hätten sie die falsche Tür zum Proberaum genommen und plötzlich auf einer Bühne gelandet. Die Verwechselung würde es heute nicht mehr geben. Hier kommt die zweite Platte, die selbstbewusst Punk und Garage durch Popfetzen verbindet, und das Energieniveau stets jugendlich hoch und ungestüm hält. Manchmal muss es eben etwas wilder sein, und vielleicht lässt es mich auch einfach an früher denken und auf Konzerte zurückblicken, wo man mittendrin sein musste, alles spüren wollte und danach ein neues T-Shirt brauchte.

Casper Clausen – Better Way (City Slang)

Clausen ist Sänger der Band Efterklang oder deren anderer Projekte. Jetzt hat er aus seiner Wohnung in Lissabon heraus ein erstes Soloalbum veröffentlicht, das irgendwie wundersam ist. Man spürt das zärtliche aus Efterklangs Stücken, kriegt aber etwas krautrockiges, spaciges obendrauf, einen Drang der bei Efterklang nicht – vielleicht eher bei Liima – zu finden ist. Seine Stimme und die Instrumente driften umher, behalten Struktur durch Beat und Schlagzeug. Zu manchem könnte man tanzen zu anderen auch einfach im Gras liegen. Hier wurde experimentiert und auf Aufnehmen gedrückt, ein Album als Studie und nicht als Hitsammlung, und so ist auch nicht jeder Track unbedingt ein Hit, aber man kann sich drin verlieren. Die Vinylausgabe kommt auf recyceltem Vinyl und ist daher schmutzig bunt und jede Platte ein Unikat.

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