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Best Of Feuilleton Musik 1. Februar 2021

Plattenteller des Monats #Februar 2021

Ist es schon zu früh? Laut aktueller Gefühlslage befinden wir uns in einer Überbrückungszeit, in einer Erwartungshaltung. Die Tage werden etwas länger – ist das schon Frühling? Die Impfstrategie kommt angehumpelt – können die Konzerttermine (und Friseurtermine) wieder in den Kalender? Nehmen wir alles einfach mal an, und setzen die Positivbrille auf, mit irgendeiner Überlebensstrategie müssen wir uns ja anfreunden. Helm tragen gegen Decke-auf-den-Kopf-fallen, hilft nicht mehr.

Musiker sind dieses Jahr recht hurtig aus der Weihnachts-Winterpause gekommen, doch im hiesigen Heimbüro ist Umbaupause angesagt und der Plattenspieler steht in einer Kiste und die Platten ordnungsgemäß in Jutebeuteln. Aber lass das Nebensache sein, denn was anderes ist spannender. Eine aufkeimende Vorliebe zu entschleunigter Drum and Bass und Clubmusik. Ob die eher dunklen Untertöne einfach gut zu dieser Übergangszeit passen oder zum Renovieren, gerade lassen die Produzenten einfach genau die richtigen Tracks aus ihren Geräten fließen. Möglich auch, dass das Unterbewusstsein düsterer geworden ist, und fröhliche Melodien störend wirken, sicherlich spielt auch das Verlangen nach Ausgehen eine Rolle. Mal gucken wo das noch hinführt, jetzt erstmal ein paar Platten in einer neuen Folge unseres Plattenteller des Monats:

AceMo – All My Life 2 (Sonic Messengers)

In der Suche nach Bassmusik tauchte der New Yorker AceMo auf, der letztes Jahr ungeheuer produktiv war. Ende Januar hat er „All My Life 2“ veröffentlicht, eine etwas längere EP aus NYC housigen Tracks mit HipHop Einfluss, die nicht zu viel wollen, aber genau deshalb alles erreichen. Sucht man nur einen jungen vielseitigen Produzenten mit genügend Backkatalog, sollte man AceMo wählen, und einfach mal alles aus den letzten eineinhalb Jahren hören und sich ein paar Favoriten herauspicken.

Kasper Marott – Full Circle (Axces)

Einer der schon früh für den neuen Copenhagen Sound stand ist Kasper Marott, DJ und Produzent von trancigen melodiösen Tracks, die es weit über die Grenzen Dänemarks geschafft haben, und unter anderem bei Seilscheibenpfeiler in Berlin herauskamen. Vor ca. einem Jahr traf ich ihn noch nach einem seiner ersten Livesets (als Support für Kanton Slash Demon), glücklich das das geklappt hat und, dass es eine andere Energie hatte als seine treibenden DJ-Sets. Jetzt ist die erste LP draußen und sofort bei Pitchfork eingeschlagen, bei denen er schon länger einen Stein im Brett hat. Ein Album zwischen Dancefloor und Hausflur, schnell und ruhig wechseln sich gekonnt ab, ebenso euphorisch wie melancholisch, und manchmal huscht Nicolas Jaar durch die Lautsprecher. Dreht den Shit auf, traut euch wirklich, denn die Gedanken und Füße sind frei. Checkt auch unbedingt das Kopenhagener Label aus!

Ant Orange – You’re Super In Diagonal (Karaoke Kalk)

Vielleicht ist es auch das Jazzige was mich an aktueller Bass-Beat-Musik triggert. Der mir bis dato unbekannte Ant Orange hat letztes Jahr dieses Album abgeliefert. Kein gerades Brett, sondern eines mit Löchern und Nägeln und Ästen, die da noch herausgucken. So richtig beschreiben kann ich es gar nicht, es ist ein Gefühl, das einen packt und Sinn ergibt. Geplucker und flackende Beats, die nervös wirken oder klingen, werden verständlich, wenn man eintaucht und es um sich herum fließen lässt. Wenn man mit denen warm ist, fangen die Clubtracks an, zu denen es sich gut träumen lässt, dass dazu irgendwann auch wieder Freunde und Fremde um einen herumstehen.

Mr. Fingers – Vault Sessions 1 (Alleviated Records)

Auf Larry Heards alias Mr. Fingers ist immer Verlass, wenn du etwas klassischen Deep House zwischen Chicago und Detroit brauchst. Hier wurden vier ältere unveröffentlichte Stücke gefunden, die jetzt nicht den großen Dampfhammerbeat fahren, sondern schön mellow sind und dem klassischen deepen Klang ein paar clevere Twists und den aufkommenden Sonnentagen einen Soundtrack geben.

Everything Is Recorded – Saturday Specials: The Clipz Remixed (XL Recordings)

Everything Is Recorded ist das Projekt von Richard Russel, dem Chef von XL Recordings, der sich hier selbst in den Produzentenstuhl setzt, alles versammelt was Rang und Namen hat oder dabei ist das (auch dank ihm) zu bekommen. Das zweite Album „Friday Forever“ erschien im April 2020 und war nicht ganz so cool wie das erste, aber immer noch gut. Jetzt wurde das ganze Ding von Drum&Bass Legende CLIPZ geremixt. Old school Bristol vermischt mit State of the Art-Sound, der dir ordentlich den Staub aus den Boxen fetzt.

Arlo Parks – Collapsed in Sunbeams (Transgressive Records)

Jetzt noch etwas, das in Kontrast zu dem steht, was einleitend geschrieben wurde. Aber was ist schlimmer als Eintönigkeit, und zu Croissant gehört manchmal kein Techno. Deswegen gibt es Arlo Parks, Singer/Songwriter Hype aus England, die in 10 Monaten auf vielen Bestenlisten auftauchen wird – versprochen. Sie ist die folkige, souligere Ausgabe von Courtney Barnett, und erst 20 Jahre alt. Hervortretende Lyrik über Probleme und Freuden, lässig britisch vorgetragen. Bisschen Gitarrenriffs, bisschen Loops und Beats. Glaube nicht, dass man es nicht mögen kann. Und wenn The Guardian von „Voice of a Generation“ schreibt, sollte man sich beeilen. Alle schönen Vinylausgaben auf ihrer Homepage sind jedenfalls schon ausverkauft.

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