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Feuilleton Musik 10. Dezember 2021

Plattenteller des Monats #Dezember 2021

Vielleicht einfach copy/paste: Einfach das Laufwerk durchblättern und alte Erinnerungen hervorklicken. Denn was sich wie Wiederholung anfühlt, ist Wiederholung. Und was sich schlecht anfühlt, ist das ständige ausgesetzt sein. Ohne Filter wäre alles voll von schlechten Nachrichten, Vermutungen, Negativ-Rekorden, Meinungen. Kreisend immer um ein Thema.

Man würde gerne was anderes lesen, hören, sehen. Doch es nagt, auch wenn man nicht will, im Unterbewusstsein. Bedrückendes wegdrücken und Schönes jagen und sammeln und für später einlegen. Vergessen geht nicht, wäre auch nicht richtig. Ganz vergessen wäre leugnen, wäre aufgeben.

Angriff als Verteidigung könnte funktionieren – oder schiefgehen. Schnell noch ausnutzen, was möglich ist, was Spaß macht, oder doch nicht? Sätze wie „mal abwarten wie sich alles entwickelt…“ machen Planung und Pläne deprimierend und hinterlassen Hohlraum und Unsicherheit. Kultur und Gastronomie können das alles nicht gebrauchen, wenige können das gebrauchen. Ich drücke die Daumen.

Beim Daumen-drücken helfen diesen Monat und bis Weihnachten die folgenden Platten, die nicht weihnachtlich sind, auch nicht unbedingt feierlich auf andere, höchstens auf ihre eigene Art. Aber vielleicht passen sie gerade deswegen jetzt gut.

James Blake – Friends That Break Your Heart 

James Blake ist hier Zuhause einer der Freunde, die mein Herz nie brechen, jedenfalls bisher und seit ich ihn an einem verstrahltem Sommer-Sonntag 2006 im Golden Pudel Club gesehen habe. Der Meister der elektronischen Melancholie, der tiefen komfortablen Töne (#Herzmassage), mit seiner Stimme die immer gleich schön bleibt und berührend bleibt, auch wenn sie verzerrt wird und sich mit Passagen von Rappern abwechselt. Auf Friends… geht s im Vergleich zum Vorgänger etwas weg vom ganz großen Rap, doch nicht komplett – und das ist gut so. Ich bin Fan von seinen Beats und den Features (auch den Bonustrack mit slowthai raussuchen!).

Die musikalische Entwicklung des Blake von Album zu Album ist natürlich nicht riesig, aber ausreichend. Grenzen werden nicht gesprengt, sondern neue Gebiete sachte annektiert. Es ist schlicht ein schönes Werk, zum reinlegen und um einen nüchternen Winter-Sonntag 2021 mit James Blake-Marathon weit weg vom Pudel zu verbringen.

Ant Orange – W.I.N.E

Letztes Jahr etwas um die gleiche Zeit, entdeckte ich And Orange aus Berlin und sein Album (mit dem Titel des Jahres) „You´re Super In Diagonal“. Seitdem sind zwei neues Alben erschienen. Doch nur auf Bandcamp und Streaming, wie es scheint. Das letzte ist W.I.N.E., ein nicht komplett dunkles Album, aus Electronica, Drum’n’Bass, Garage. Es hat wieder diese ruhige Hektik, die oft einer Stimmung entspricht, die man vielleicht mit Rastlosigkeit übersetzen könnte, die sich wiederum durch Melancholie gut ausdrücken lässt. Und vom Knistern und den Drumsounds von Ant Orange ganz schön untermalt wird. Ich würde empfehlen, das Licht zu dimmen und unter die Oberfläche zu hören. Es ist nicht so bedrohlich wie es erst scheinen mag.

Ross From Friends – Tread

Ein Typ, der einfach mal sein eigens Plug-In bastelt, um sein Album noch mehr nach seinen Vorstellung aufnehmen zu können. Das vorherige Album war eine stabile Party, auf Tread stattet er dem Experimentarium öfters einen Besuch ab. House, Jungle, Ambient und Jazz Tracks finden sich hier, wechseln sich ab und schreiben eine interessante Geschichte. Ich glaube, es gefällt mir gerade gut, weil es auch hier wieder melancholische Untertöne gibt, ohne das es versandet. Ross hält die Spannung, trotz des „Jam-Characters“. Braucht bestimmt einige Hördurchgänge, aber das gilt (und ist Qualitätsmerkmal) für viele Platten, die auf Brainfeeder erscheinen.

Nils Frahm & F.S. Blumm 

Der gute Nils Frahm ist in der letzten Zeit recht produktiv. Während das hier geschrieben wird, läuft im Hintergrund schon das nächste neue Album bzw. die Compilation „Old Friends, New Friends“, wo Frahm etwas im Keller des Rundfunkhauses gewühlt hat. 2X1=4 ist das vierte Album mit F.S. Blumm, und spielt sich im unteren Register hab. Dub-Songs, die ins ambient-jazzige hinein schunkeln. Auch schön gemacht für den Übergang in eine dunklere Jahreszeit. Also erwartet kein Feuerwerk, sondern Tunes, um den gemütlichen Sonntagstee etwas aufzulockern.

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