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Feuilleton Musik 5. April 2021

Plattenteller des Monats #April 2021

Und, was habt ihr so erlebt? Genau so wenig wie der Rest, oder doch auf der geheimen Party gewesen von der alle sprechen? Neue Regeln kommen und gehen, werden erneuert, verbessert oder verschlechtert, je nachdem wer gerade bei Anne W. und Frank P.  zu Wort kommt. Bleibt noch: Mit den Achseln zucken. Jeder hat wohl inzwischen einen Regelsatz an den er sich hält, und einen der etwas flexibler gehandhabt wird.   

Zuck. Beschäftigen wir uns lieber mit Sachen von denen wir was verstehen, Kultur und so. 

War doch schön das man neulich in Hamburg zwei Wochen ins Museum konnte, Rave in Mexiko soll auch abgehen #LäuftBeiDenen. Dem Rest geht es weiterhin schlecht und es gibt gute Aussichten auf Verluste. Immer mehr Festivals lassen durchblicken, dass es mit ihnen und uns dieses Jahr wohl wieder nichts wird, Schnelltests hin, Impfung her. Vielleicht zum Iceland Airwaves nach Reykjavik. Ist erst im November bzw. 4-Welle-Zeit. Aber wer weiß … hat man noch Lust zu planen oder daran zu denken, dass sie in 100 Jahren ein Babylon Berlin 2.0 machen können, weil die Post-Pandemie-Zeit aus den 2020ern die neuen Roaring Twenties gemacht hat  – i wish. Obwohl die Länder nun Pläne für die Wiedereröffnung haben, und ich schon eine Handvoll Konzertkarten für den Mai, mag man sich nicht dran klammern, was wenn der Osterhase keine Maske aufhatte? Wort des Monats: Trotzdem. Zahlen gehen hoch, trotzdem hoffen. Konzerte unter Laborbedingung, wird trotzdem gut. Trotzdem Feste unter Grenzenlosen Bedingung vermissen. Trotzdem irgendwie Spaß haben. 

Seit ein paar Wochen tröpfeln weitere Coronaalben in die jetzt offenen Plattenläden. Selbst die zuerst gelähmten sind im Laufe der letzten hundert Monate produktiv geworden – trotzdem – und ich habe ein paar untergegangene und ein paar neue Platten entdeckt, von denen ihr jetzt erfahrt.

Tom and his Computer – Future Ruins (In My Room)

Hinter Tom, steckt T.O.M oder auch Thomas Bertelsen, vom dänischen Duo Lulu Rouge, die hier früher für das eine oder andere geniale Set verantwortlich waren. Jetzt hat er sich mit seinem Computer hingesetzt und seinem Buddy Trentemøller hinter den Reglern platziert und ein Soloalbum aufgenommen. Und diesen Trentemøller hört man sofort und hervorragend raus. Es ist dark wavig, fuzzig und die Trommeln hallen. Klingt nach den alten Shoegaze-Helden, doch dank PC wird alles in der Gegenwart verankert. Neben den richtig guten und vorwärtsgehenden Tracks, auf denen Sängerin Roxy Jules die Vocals beisteuert, gibt es noch einige eher ambientartige Stücke, die dem ganzen die nötige Tiefe geben. Hoffentlich kann man mit dieser Platte in den Ohren bald mal wieder Nachts eine lange Autobahn entlang fahren.

Adrianne Lenker – Songs & Instrumentals

Die Musikerin, die schon bei Big Thief für fantastische Platten mitverantwortlich ist, wurde durch die Pandemie daran gehindert auf Tour zu gehen – sie spielten hier in Kopenhagen das letzte Konzert vor dem ersten Lockdown, auf der Straße, weil niemand die Regeln kannte. Stattdessen schloss sie sich in einer Hütte ohne alles ein (nur mit einem Tontechniker) und nahm zwei Alben auf, eines mit Songs, eines mit zwei 20-minütigen Instrumentals. Sie gehören zusammen und sind doch zwei Werke, auf denen auch die Hütte und die diese umgebende Natur zu hören ist. Es ist Musik, die ins Herz geht und dort hängen bleibt, mit seiner Zerbrechlichkeit, Poesie und schutzloser Instrumentierung. Falls man gerade keine einsame Hütte zur Verfügung hat, kann man mit dieser Platte auf gedankliche Reise dorthin gehen.

Godtet – III (La Saoe Records)

Etwas neuer als die beiden ersten, ist das aktuelle Album des australischen Producers und Gitarristen Godriguez, der hier mit III seine Projekt mit Godtet weiterführt und beendet, für das er seit 2017 Mitmusikanten versammelt hat. Zusammen machen sie einen laid-back Beatjazz, der angenehm organisch und frickelnd elektronisch daherkommt. Australische Undergroundmusik kommt einem nicht ganz so oft auf den Plattenteller, aber auch die dortige Jazz- und Electronicszene ist up to date, und wenn man sich so umhört, und vielleicht auch den Sampler Sunny Side Up von Brownswood Recording auflegt, kann man definitiv fetzige Sache entdecken. Also, Tunes für’s Angrillen in der Frühlingssonne werden von Godtet geliefert, sind hiermit eingebongt, und können gefahrlos aufgedreht werden.

(Mathias Modica presents) Kraut Jazz Futurism Vol. 2 (Kryptox)

Apropos Jazz-Sampler: Mathias Modica, cooler Dude und Head of Musik bei Munk und Kapote und Betreiber von den feinen Labels Gomma und Toy Tonis, hat neulich sein Repertoire erweitert. Und zwar um Kryptox. Ein neues Sublabel, dass sich um bisher ungehörte Musik kümmert, und jetzt mit der zweiten Ausgabe der Compilation Kraut Jazz Futurism genau richtig loslegt. Hier drauf findet man neuen heißen Sound von Bands aus Berlin. Künstler die aus Jazz, Kraut Rock, Afro, Hip Hop und Electronica abgefahrene, chillige, treibende oder schlicht gute moderne Musik machen, die sich nicht viel schert, um was man darf und was nicht. Jedenfalls hat Modica ganz Recht, dass diese Musik ein Forum braucht und unter das Volk kommen muss. Auch damit man nicht denkt, dass die das nur noch in London können.

STR4TA – Aspects (Brownswood Recordings)

Einer der vorgemacht hat, wie man neue Musik und Jazz hip macht und unter die Leute bringt ist Gilles Peterson – ist hier schon öfters erwähnt worden. Bei ihm von Vorlieben zu sprechen, ist schwierig, der Typ hat 50.000 Platten und ein unbeschreibliches Wissen. Gerade ist jedoch Brit-funk auf der Agenda. Ich weiß darüber nichts, aber es klingt funky und geht ab, und war wohl in den 70ern und 80ern angesagt. Um dem ganzen Fahrt zugeben hat er sich mit Freund Jean-Paul BlueyMaunick zusammengetan und das Projekt STR4TA gegründet, mit dem sie jetzt gerade das Debüt Aspects herausgebracht haben, und was darauf ist, beschreiben sie selbst als Music from the Jazz Funk Underground. Das wabert und wummert und macht gute Laune, tanzen geht dazu bestens, abhängen auch. Wie das in England so ist, kommen da viele Einflüsse zusammen, dass dann daraus ein eigener Stil geworden ist, der all das gekonnt und respektvoll verneint. Kann man eigentlich nur supporten, oder?

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