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Feuilleton Literatur 7. September 2016

Literarisches Sixpack mit Sibylle Berg

Wer denkt, 140 Zeichen sind zu wenig, um etwas zu erzählen, mag wohl Recht haben, hat aber noch nie einen Tweet der Autorin Sibylle Berg gelesen. Sie jedoch auf ihr Auftreten in den elektronischen Medien zu reduzieren, ist mehr als unangebracht. Neben Lastwagenfahren, Putzen (ob das wohl stimmen mag?) und Reportagen aus unerfreulichen Weltregionen, schreibt Frau Berg wunderbare Romane, die wohl zu den besten der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur zählen. Und Theaterstücke, die meistens nicht gut ausgehen und von der Sehnsucht sowie der unerträglichen Schwere des Seins erzählen. Beziehungsromane: geil, unverklemmt und irgendwie böse. Jeden Samstag heißt es dann auf S.P.O.N: „Fragen Sie Frau Sibylle“. In einer ihrer letzten Kolumnen schreibt Sie beispielsweise darüber, wie man eine Netzpöbelei elegant überleben kann oder was besser als Sex ist.

Im Sommer diesen Jahres ist sogar ein Kinofilm mit dem Titel „Wer hat Angst vor Sybille Berg“ von Sigrun Köhler und Wiltrud Baier erschienen. Angst muss man wohl nicht haben. Aber Respekt. Und den hatte ich, als ich eine Mail an Frau Berg schrieb, ob Sie Lust hätte, beim Literarischen Sixpack dabei zu sein. Wochen vergingen, keine Antwort. Umso mehr freue ich mich, dass es am Ende doch noch geklappt hat.

In wenigen Wochen erscheint ihr neues Buch „Wunderbare Jahre – Als wir noch die Welt bereisten“ im Hanser Verlag. „1. Januar 2016. Sibylle Berg ist in Tel Aviv, Familienbesuch, und draußen gehen die Böller los. Moment mal, Böller zu Neujahr in Israel? Schreiende Menschen kommen die Straße gelaufen. Sie ducken sich, flüchten in Hauseingänge. Was sich unter dem Balkon abspielt, ist kein Fest. Es ist ein Anschlag. Sibylle Berg ist viel auf Reisen gewesen, jetzt ist der Spaß vorbei. Wollen wir wirklich in einer Welt herumfahren, wo der Strand zur Kampfzone wird, der Konzertsaal zum Bunker, wo neben dem Café die Bomben fliegen? Sibylle Berg erzählt, wie die Welt war, als wir noch Fernweh hatten: schön, abenteuerlich, romantisch. Und sagt, wie sie heute, im 21. Jahrhundert, ist: zum Weglaufen. Aber wohin?“

1.) Elfride Jelinek – Die Klavierspielerin

Egal was man von Frau Jelinek liest- eine Verbeugung für die herausragende Entwicklung eines vollkommen unverwechselbaren Stiles, und dem unermüdlichen Kampf gegen heteronormative Mechanismen auf höchstem intellektuellem und literarischem Niveau.

2.) Siri Hustvedt – Die gleißende Welt

In diesem Buch kann man erfahren wie Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern geht. Nicht etwa weil Frau Hustvedt neue Gesellschaftsstrukturen entwerfen würde. Die Strukturen sind wie wir sie auch kennen, ungerecht, doch Frau Hustvedt klagt nicht, ist nicht zynisch. In ihrem Roman gibt es keine Opfer oder Täter, der Kampf passiert auf Augenhöhe, behandelt alle Beteiligten liebevoll und wohlwollend – so könnte doch Gleichberechtigung gehen.

3.) Agota Kristof – Das große Heft

Frau Kristof, eine der besten Schriftstellerinnen der Welt, die eigentlich verdiente, dass Straßen nach ihr benannt werden, ist mit ihrer außergewöhnlichen Kunst eine Außenseiterin geblieben. Spricht man in der Schweiz von bedeutenden Schreibern werden Walser, Frisch und Dürrenmatt genannt. Was nicht an ihrer Qualität, sondern an einem Vorsprung von ca. 10 cm Fleisch liegt.

4.) Joan Didion – Das Jahr magischen Denkens

Wer das Buch durchhält, ohne nach ungefähr zehn Seiten einen Weinkrampf zu bekommen, ist seltsam. Oder eine Maschine.

5.) Else Lasker Schüler – IchundIch

IchundIch ist das letzte Stück von Else Lasker-Schüler, 1941 im Exil in Jerusalem geschrieben. Es wurde lange nicht veröffentlicht, weil sie sagten, sie sei schon geistig umnachtet gewesen und es würde ihrem Werk schaden. Das Stück zeugt von einer enormen persönliche Freiheit, unkonventionell und sehr lustig. „Adolf, Adolf, warum hast du mich verlassen“ ruft Schirachs Kopf aus der Lava, die Mephisto auf die Nazis nieder gehen lässt, weil sie mit der Wehrmacht seine Hölle erobern wollten und am Ende geht er zu Gott zurück.

6.) Meret Oppenheim – Husch husch der schönste Vokal

Gedichte eben.

Sibylle Berg
© Katharina Lütscher

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