Springe zum Inhalt →

Feuilleton Literatur 1. Mai 2016

Literarisches Sixpack mit Rafael Horzon

„Da ich ja selber Serial Entrepreneur bin, finde ich Start Ups natürlich grundsätzlich gut und interessant. Und was Apps angeht, arbeiten wir gerade an einer Bildschirm-Dekorations-App, um den Kunden, die sich unsere Wanddekorationsobjekte zum Preis von 600.000 € nicht leisten können, eine preiswerte Alternative anzubieten.“

So antwortete uns damals Unternehmer und Autor Rafael Horzon, als wir ihn auf das Phänomen Start Ups und die Omnipräsenz von Apps ansprachen. Gewundert hat uns diese Antwort nicht. Denn Horzon (1970*) hat das Gründen quasi erfunden: Als Student und Paketfahrer gescheitert, baut er über Jahre hinweg sein Unternehmen modocom auf: Wanddekorationsobjekte, Modelabel („Gelée Royale“), Partnertrennungsagentur („Separitas“), Nachtklub, Fachgeschäft für Apfelkuchenhandel („APFELKUCHEN“) – sogar eine eigene Wissenschaftsakademie war dabei. Als „Ludwig Amadeus Horzon feat. Peaches“ ging er unter die Musiker und lieferte den Möbel-Hit „Me, My Shelf and I“. 2010 veröffentlichte er seine Autobiografie Das Weisse Buch.

Rafael Horzon © Privat
Rafael Horzon © Privat

Rafael Horzon: Das Weisse Buch

„Das ist Kunst, manchmal große Kunst.“ So schrieb damals Der Spiegel zu Rafael Horzons Buch. Wir finden: Recht hat er. Wenn Horzon seine zahlreichen Erfindungen und Kunststücke beschreibt, tun sich einem Parallelen zur aktuellen Start-Up- oder Kunst-Welt auf, in der sich jeder „Founder“ oder „Artist“ nennen kann, der ein wenig Kreativität zeigt oder ein Smartphone bedienen kann. In den 90-er Jahren war es mit digitalen Start Ups aber noch nicht so weit her. Damals begeisterte Horzon beispielsweise mit analogen Erfindungen wie der Kopfkrawatte – einer Krawatte, die man ohne komplizierten Knoten, wie ein Stirnband einfach über den Kopf ziehen konnte. Gleichzeitig fungierte die „Headtie“ auch als businesstaugliches Stirnschweißband mit implizierten Kreditkartenfächern. Mit der Erfindung des perfekten Buchregals revolutionierte er den Möbelmarkt und schaffte es eigenen Angaben nach, beinahe einen schwedischen Möbeldiscounter fast vollständig vom Markt zu verdrängen – aber eben nur beinahe. Erfolg und Scheitern liegen in diesem Buch nah beieinander. Aber lest am besten selbst, es lohnt sich.

Für mich persönlich ist Horzons Buch die erstaunlichste und zugleich vergnüglichste Autobiografie, die ich in letzter Zeit lesen durfte. Umso schöner, dass der Autor uns heute seine sechs Lieblingsbücher verrät. Danke, Rafael!

Rafael Horzon, Das Weisse Buch (Suhrkamp 2010) © Privat
Rafael Horzon, Das Weisse Buch (Suhrkamp 2010) © Privat

Rafael Horzon: Das Weisse Buch. 

Mittlerweile ärgere ich mich, dass ich irgendwann zugegeben habe, dass ich das Buch gar nicht selbst geschrieben habe, sondern Helene Hegemann. Denn es scheint wirklich magische Kräfte zu haben. Meine 12 engsten Freunde haben mir berichtet, dass jede Frau, der sie es geschenkt haben, dadurch völlig willenlos wurde. Schon ab Seite 1 sind die Frauen – so wurde mir berichtet – völlig verliebt vor lauter Dankbarkeit über dieses herrliche Geschenk. Ich werde sofort ausprobieren, ob das stimmt. Nur noch schnell die 5 anderen Lieblingsbücher:

Muammar al Gaddafi: Das Grüne Buch

Ich bin leider ein miserabler Leser, und zu den vielen Büchern, die ich im Laufe meines ereignisreichen Lebens nicht gelesen habe, gehört auch dieser Schelmenroman des ehemaligen libyschen Revolutionsführers. Ich fand aber den Titel so gut, dass ich ihn für mein eigenes Buch dann mehr oder weniger kopiert habe.

Christian Kracht: Imperium

Viel ist geschrieben worden über den grössten Erfolg des bekannten schweizer Schriftstellers. Was aber niemand weiss ist, dass dieses Buch in Wirklichkeit von mir geschrieben wurde. Deshalb ist die Figur des August Engelhardt ja auch ein exaktes Porträt des Möbelhändlers Rafael Horzon. Ich habe es aber gerne getan, denn ohne Krachts Unterweisung wäre auch mein Weisses Buch wohl nie erschienen.

Arthur Rimbaud: Eine Saison in der Hölle

Es gibt nur einen ernstzunehmenden Dichter: Arthur Rimbaud. Alles andere kann man mehr oder weniger vergessen. Besonders gut an Rimbaud gefällt mir, dass er mit 21 Jahren aufgehört hat zu schreiben, um Waffenhändler in Aserbaidschan zu werden. Die Blaupause meines Lebens.

Hans-Hermann Weyer: Ich, der schöne Consul

Ein weiteres ganz grosses Vorbild für mich. Leider völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten, denn er ist mit Abstand die interessanteste Figur, die die sogenannte Bundesrepublik hervorgebracht hat. Folgerichtig musste er dieses für ihn viel zu kleine Land dann auch bald verlassen, um in wechselnden Schurkenstaaten zu leben. Unverständlich, dass sein Leben noch nicht verfilmt wurde. Das wird sich nun, nach diesem Weckruf, natürlich ändern.

Harold Darst: Aus Dem Lebens Eines Taugenichts

Es ist schon bewundernswert, wie ein amerikanischer Rentner namens Harold Darst die Energie aufbringen konnte, sein völlig ereignisloses Leben auf 180 in riesigen Buchstaben gedruckten Seiten zu schildern. Aber die Idee, für dieses Buch ohne erkennbaren Zusammenhang dann auch noch diesen deutschen, falsch geschriebenen Titel zu verwenden, muss man einfach genial nennen!

 

Kommentaren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.