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Best Of Feuilleton Literatur 12. November 2020

Literarisches Sixpack mit Jasmin Schreiber

Jasmin Schreibers Debüt-Roman „Marianengraben“ stieg auf Platz 13 der SPIEGEL-Bestsellerliste ein. Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb über Jasmin, sie ist die „Autorin der Stunde“. Ihr Thema: Sterben und Tod. Uns hat die studierte Biologin und Schriftstellerin ihre (aktuellen) sechs Lieblingsbücher verraten. Zeit für eine neue Folge „Literarisches Sixpack“.

1.) Marlen Haushofer: Die Wand

Schon nach den ersten paar Seiten war ich gefangen von ihrem klugen und trockenen Humor, von den feinen Beobachtungen so vieler Facetten der menschlichen Psyche, von der Liebe zu Tieren und Natur und von der Fähigkeit, ein Kammerspiel mit einer Person und einigen Vierbeinern so gar nicht langweilig werden zu lassen.

2.) Toni Morrison: The Bluest Eye

Das Buch hatten wir in der Schule gelesen, seitdem lese ich es immer wieder. Es war schon als Teenager für mich so schmerzhaft, durch die Figuren zu erleben, wie Schwarze ein rassistisches Wertesystem der Weißen übernahmen, dieser Selbsthass, diese Unsicherheit, dieses verinnerlichte Trauma. Es ist ein unglaubliches Buch, genau so, wie Morrison eine unglaubliche Schriftstellerin war.

3.) Ingeborg Bachmann & Paul Celan: Herzzeit

Silvester 2019/20 habe ich mit meinen Tieren allein zu Hause verbracht, als hätte ich geahnt, was dieses Jahr auf uns zukommt. Ich habe den Briefwechsel von Bachmann und Celan in einem Rutsch durchgelesen und hatte noch nie ein schöneres Neujahr erlebt.

4.) Herta Müller: Herztier

„Ruh dein Herztier aus, du hast heute so viel gespielt.“ Dieses Buch habe ich vor zehn Jahren gelesen, als ich in meinem Wiener Studi-Job endlose Stunden in der Bibliothek des Juridicums Aufsicht hatte. Ich habe das Buch auf einem Grabbeltisch entdeckt (Skandal!), kannte die Autorin vorher nicht und wurde sofort von ihrer Sprachgewalt, der Melancholie und der ganzen Angst in diesem totalitären Regime mitgerissen. So hatte ich bis dahin noch nie über den Balkan gelesen.

5.) Sylvia Plath: Die Glasglocke

Vor 10 oder 11 Jahren saß ich auf einem Berg im Speckgürtel Wiens in einer Villa im Wald. Ich habe dort auf eben dieses Haus und zwei Hunde aufgepasst, während Herrchen und Frauchen im Urlaub waren. Es gab für mich endlich mal besseres Essen als Tütensuppen und einen Weinkeller, an dem ich mich bedient hatte. Die Beute trug ich anschließend samt dieses Buchs (welches ich aus der Bibliothek stibitzte) in eines der Badezimmer. Meine Diebesgut verspeiste ich in einer Whirlpool-Badewanne, die so viele Knöpfe wie ein Spaceshuttle hatte: Den Wein habe ich getrunken, die Worte haben mein Hirn zerkaut und hinabgeschlungen. Plath war für mich als so junge Frau eine riesige Entdeckung. Das Buch durfte ich dann behalten, zwei Flaschen Wein durfte ich zusätzlich mitnehmen. Bezahlt wurde ich ja auch noch, ich glaube, ich hatte nie wieder so einen tollen Job.

6.) Christoph Meckel: Licht

Jetzt kommt der Quotenmann, ich bin ja nicht drakonisch. Dennoch: Mein Lieblingsbuch seit 10 Jahren. Noch nie so eine tragische Liebesgeschichte gelesen, die einem mit so poetischen Worten durch die Pupille ins Hirn kriecht. Dass Meckel dieses Jahr verstorben ist, passt so sehr zu 2020. Ich nehme das diesem Jahr wirklich übel.

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