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Feuilleton Literatur 25. Juli 2018

Literarisches Sixpack mit Fabian Sixtus Körner

Wir schreiben das Jahr 2010: Fabian Sixtus Körner bricht, angetrieben von der Sehnsucht nach Abenteuern, mit 255 Euro in der Tasche zu einer Zwei-Jahres-Tour um die Erde auf. Er arbeitet mal hier, mal da für Kost und Logis und bereist in dieser Zeit alle Kontinente. Ein Leben in allen vorstellbaren Verkehrsmitteln an über 60 Orten auf der Welt. Über seine Reise schrieb er das Buch „Journeyman“, welches in kurzer Zeit  zum Bestseller wurde und Fabian bekannt machte. 

Mittlerweile sind acht Jahre vergangen. In seinem neuesten Buch „Mit anderen Augen: Wie ich durch meine Tochter lernte, die Welt neu zu sehen“ erzählt Fabian, was die Intensivstation für Neugeborene und ein Transitraum gemeinsam haben, wie seine Tochter seinen Blick auf die Menschen und die Welt verändert hat, und warum das Reisen mit Kind und Kegel zu den schönsten Erfahrungen zählt, die er jemals gemacht hat. Uns hat er für eine neue Folge „Literarisches Sixpack“ seine aktuellen sechs Lieblingsbücher verraten. Here we go!

1.) John Irving : Das Hotel New Hampshire

Hätte nicht John Irving dieses Buch geschrieben, es wäre ein widerlicher Text voll von verherrlichender Inzucht, Vergewaltigungen und Prostitution geworden. Bei John Irving ist es eine atemberaubend hinreißende Familiengeschichte voll von Inzucht, Vergewaltigungen und Prostitution – und Bären natürlich. Nie habe ich ein weiteres Buch so oft gelesen wie dieses. Die Charaktere machen selbst noch beim zehnten Durchgang süchtig.

2.) Alain de Botton: Die Kunst des Reisens

Die wichtigsten philosophischen Weisheiten über das Reisen in einem schmalen Reiseführer versammelt. Als Travel Guides begleiten den Leser kluge Köpfe der Weltgeschichte. Baudelaire, Humboldt oder Hiob schwadronieren über Erwartungen an und Gründe für das Reisen, über das Exotische, Stadt und Land, die Erlangung des Schönen und die Rückkehr ins Altvertraute. Alain de Botton geht mit ihren Thesen im Gepäck auf seine eigenen Reisen und erläutert bildhaft deren Bedeutung. Wer immer wissen wollte woher dieses verdammte Fernweh kommt, wird hier Antwort finden. Einziger Wermutstropfen: Erneut wird der Eindruck erweckt, es würde keine klugen, reisenden Frauen geben.

3.) Jim Carroll: In den Straßen von New York

Eine Geschichte so voll mit Drogen wie ihr Protagonist. Und eine Geschichte über das Scheitern – weil Drogen. Ähnlich schonungslos wie ihr deutsches Pendant „Wir Kinder vom Bahnhofszoo“, jedoch mit deutlich höherem Coolness-Faktor, was der abschreckenden Wirkung dennoch keinen Abbruch tut. Eine eindringliche Geschichte die selbst in der Hollywood-Verfilmung mit einem jungen, hochtalentierten Leonardo DiCaprio zu erschüttern vermag.

4.) Aldous Huxley: Schöne Neue Welt

Orwells 1984 gilt als Standardwerk abgründiger Zukunftsvisionen und wird auch heute noch, ähnlich wie Vorhersagen Nostradamus, aus dem Regal gelupft, sobald mal wieder etwas weltpolitisches passiert, was darin prophezeit worden sein könnte. Das Werk von Alduous Huxley hingegen ist bunt und verrückt und laut und gleichzeitig nicht weniger Trist und zutreffend als sein jüngerer, grauer Genreverwandter. Was soll man auch anderes erwarten von jemandem, der sich auf dem Sterbebett LSD injizieren lässt.

5.) Henri Charrière: Papillon

Bücher über’s Reisen in das Herz der Fremde, von Menschen, die aufbrechen das Abenteuer zu suchen, gibt es zahlreiche. Henri Charrière wollte nichts dergleichen und bekam es dennoch. Als Strafgefangener im Arbeitslager in Französisch-Guyana beginnt eine jahrzehntelange Odyssee, Flucht um Flucht kämpft, kratzt, beißt und liebt er sich durch Lateinamerika, getrieben von seiner unzähmbaren Sehnsucht nach Freiheit. Charrière mag ein Aufschneider gewesen sein, Geschichten erzählen konnte er unbestreitbar meisterlich.

6.) Jostein Gaarder – Das Kartengeheimnis

Verworren, fantastisch und philosophisch hat es das Kartengeheimnis vor mehr als zwei Jahrzehnten geschafft mir das Lesen als Flucht in meine Gedanken näherzubringen. Dafür verdient es heute noch einen Platz in meiner Top 6. Es war der erste Kuss einer zukünftigen Leidenschaft, etwas wonach man süchtig wird und immer wieder versucht auf’s Neue zu erleben, mit jedem weiteren Buch. Das Kartengeheimnis ist alles – Abenteuerroman, Familiengeschichte, Lovestory, Gesellschaftskritik, Fantasy und auch ein bisschen erzählendes Sachbuch. Es ist gewaltig und unschuldig zugleich und überhaupt, ich sollte es mal wieder lesen.

© Ullstein Verlag

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