Du hast Sehnsucht nach aufregenden Abenteuern, intensiven Naturerlebnissen und authentischen Begegnungen? Und interessierst Dich für inspirierende Geschichten, die die Welt schreibt? Dann führt kein Weg an dem Podcast „Weltwach“ von Erik Lorenz vorbei.
„Reisen können von großem Abenteuer oder von innerer Ruhe geprägt sein, von bewegenden Begegnungen und denkwürdigen Orten, von tiefen Erkenntnissen, von Spaß. Und sie können uns helfen, die Welt und zugleich uns selbst neu kennenzulernen. „Weltwach“ entstand, um Menschen unterschiedlichster Art zusammenzubringen, die diese Faszination des Reisens gemeinsam zelebrieren wollen.“, so Erik.
Eriks Leidenschaft gilt dem Schreiben und Reisen. Nach dem Abitur ging er für anderthalb Jahre nach Australien, um später in Hongkong, Großbritannien und den Niederlanden zu studieren. Daraufhin bereiste er ein halbes Jahr Südostasien und unternahm Trips nach China, Jordanien und auf die Philippinen.
Für Blog Bohème hat er seine sechs Lieblingsbücher aufgeschrieben. Zeit für eine neue Folge unseres „Literarischen Sixpacks“.
1.) Erich Maria Remarque: Arc de Triomphe
Dafür liebe ich Remarque: Mal schreibt er kraftvoll-mitreißend, mal knapp-elegant, immer aber berührend – und bis heute aktuell. „Selbst dort, wo er zurückblickt, ist es die Gegenwart, die er anspricht“, meint Journalist Wilhelm von Sternburg, und so ist es auch beim Roman „Arc the Triomphe“: Der deutsche Chirurg Ravic flieht vor politischer Verfolgung nach Paris, erlebt dort, ständig bedroht von Abschiebung, den Vorabend des Zweiten Weltkriegs, verliebt sich, begegnet einem verhassten Gestapoagenten, der ihn einst folterte und nun als Tourist getarnt deutsche Flüchtlinge aufspürt. Das sind Handlungselemente dieses „Drama(s) eines Exilschicksals“, so der Umschlag, „in dessen Radikalität sich der Aufstand gegen den Terror einer ganzen Epoche spiegelt“. Und es sind Elemente, die Remarque auf seine einzigartige Weise zu einem Plädoyer für Menschlichkeit, kulturelle Vielfalt und Mitgefühl verwebt – Werte, die sein gesamtes Werk prägen, für das „Arc de Triomphe“ hier nur stellvertretend stehen kann. Unmöglich den Roman über oder unter anderen Werken einzuordnen wie „Im Westen nichts Neues“, mit dem er berühmt geworden ist, oder dem ergreifenden KZ-Roman „Ein Funke Leben“ oder „Die Nacht von Lissabon“ oder „Drei Kameraden“ oder …
2.) Liselotte Welskopf-Henrich: Das Blut des Adlers
Widerstandskämpferin. Kommunistin. Humanistin. Altertumsforscherin. Professorin. Bestseller-Autorin. Eine Aufstellung von Büchern, die mir viel bedeuten, wäre unvollständig ohne die vielgesichtige Autorin, die mich seit meiner Kindheit am engsten begleitet: Liselotte Welskopf-Henrich. Ob sie über die Weimarer Republik, die Naziherrscht oder die amerikanischen Ureinwohner schrieb, jedes ihrer Bücher ist geprägt von ihrer humanistischen Weltanschauung, von ihrer Sympathie für Unterdrückte. Ihnen gab sie in eine Stimme. Und für sie setzte sie sich auch im wahren Leben ein: Indem sie unter Einsatz ihres Lebens einem Häftling des KZ Sachsenhausen zur Flucht verhalf und ihn bis zum Kriegsende versteckte. Und indem sie sich in die bürgerkriegsähnlichen Zustände der amerikanischen Indianerreservate der 1960er und 70er Jahre wagte. Dort besuchte sie die Stämme, die sie in ihrem internationalen Bestseller „Die Söhne der Großen Bärin“ (1951) beschrieben hatte. Dort fand sie unter den Gründern des American Indian Movement Freunde. Dort legte sie sich – über Siebzigjährig – mit dem FBI an und verbrachte eine Nacht im Gefängnis. Und dort fand sie die Inspiration für ihr fünfbändiges Hauptwerk, „Das Blut des Adlers“ – die weltweit einfühlsamste und ausführlichste literarische Verarbeitung der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Zustände auf den Indianerreservaten des 20. Jahrhunderts. Liselotte Welskopf-Henrich fand sowohl als Wissenschaftlerin als auch als Schriftstellerin internationale Anerkennung. Mich beeindruckt neben der gründlichen Recherche und spannenden Handlung ihrer Bücher vor allem die Menschlichkeit, die aus ihnen spricht. Und nicht nur mich: Die Stammesgruppe der Oglala verlieh ihr für ihre Unterstützung des Freiheitskampfes der nordamerikanischen Indianer durch ihre Texte und Taten den Ehren-Stammesnamen Lakota-Tashina, ‚Schutzdecke der Lakota‘.
3.) Helge Timmerberg: Die rote Olivetti
„Was für ein abgefahrener Typ!“ – So in etwa der Gedanke, der mir bei der Lektüre von „Die rote Olivetti“ immer wieder durch den Kopf ging. Darin erzählt Helge Timmerberg, einer der deutschen Top-Reiseautoren, von seinen Anfängen als Journalist. Von seinem kolossal gescheiterten Versuch 1974 das erste vegetarische Restaurant in Bielefeld zu eröffnen. Von Partys, Drogen, Exzessen, Abstürzen. Von intensivem Genuss und Sinnsuche und Selbsterkenntnis. Er erzählt kurzum, wie er im Untertitel ankündigt: Sein „ziemlich wildes Leben zwischen Bielefeld, Havanna und dem Himalaya“. Das alles dargeboten in einer typisch timmerbergschen Mischung aus Schnodderigkeit und Poesie, garniert mit Sprachwitz, mit Charme – mit der Art von Chuzpe, die ihn bekannt gemacht hat.
4.) Herman Wouk: Winds of War
Episch, monumental, einzigartig. Für den 1971 erschienen Roman „Winds of War“ und die Fortsetzung „War and Remembrance“ (1978) erscheint mir kein Superlativ zu hochgegriffen. Die Bände, Ergebnis von fast anderthalb Jahrzehnten intensiver Forschung und mühsamer Komposition, gehören zweifellos zu den eindringlichsten, schillerndsten, weitschweifigsten, genausten Aufarbeitungen des Zweiten Weltkrieges – sowohl auf individueller, psychologischer als auch geopolitischer Ebene. Sie sind Meisterwerke eines Autors, der in den USA eine – mit derzeit 103 Jahren! – noch immer lebende Legende, in Deutschland aber weitaus weniger bekannt ist, als er verdient hätte. Bereits 1952 für „The Caine Munity“ mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet, nannten ihn Historiker, Schriftsteller, Verleger und Kritiker, die sich 1995 in der Kongressbibliothek zu seinem 80. Geburtstag versammelten, den amerikanischen Tolstoi – und das trifft es wohl ganz gut. Außerdem muss ich einige andere von Wouks hervorragenden Romanen zumindest erwähnen: „Inside, Outside“ über vier Generationen einer russisch-jüdischen Familie und ihr Schicksal in Russland, den USA und Israel. „Don’t Stop the Carnival“, eine urkomische Komödie über die Flucht eines Managers aus der Midlife-Krise in die Karibik. „The Hope“ und „The Glory“ über die ersten 33 Jahre des Staates Israel. Jedes dieser Bücher lohnt die Lektüre.
5.) Andreas Altmann: Gebrauchsanweisung für das Leben
„Gebrauchsanweisung für das Leben“ also. Gute Nachricht für alle besorgten Stirnrunzler: Andreas Altmann, neben Timmerberg der zweite altgediente Großmeister deutscher Reisereportagen, versucht weder die Welt noch das Leben zu erklären, schon gar keine Anleitung für sie abzuliefern. Er kündigt die neue Gebrauchsanweisung im Vorwort als „Gipfel des Übermuts“ an. Und verspricht im Hinblick auf das Titelthema gleich hinterher: „Auch dieses Buch wird das Mysterium nicht lösen.“ Er erkennt in seinen Büchern mit ihren paar Gramm einen „Furz“ gegen die „Trilliarden Tonnen der Erde und ihre Aberbillionen Geschichten“. Und begibt sich doch unermüdlich auf die Reise, so viel von dieser Erde zu begreifen und so viele ihrer Geschichten zu sammeln wie möglich; immer wieder seiner „Lieblingsbeschäftigung“ nachzugehen – dem Staunen. Das Buch manövriert zwischen der Schönheit und Ungerechtigkeit der Welt, zwischen kleinen Taten mit großer Wirkung und den großen Fragen über Leben und Tod. Es wandelt zwischen „griesgrauen Stunden“ und den verführerischen „Lockungen der Welt“. Manche Passagen sind witzig, etwa, wenn Altmann sich vorstellt, wie er als Vater ein Kind aufziehen würde, er, der, wie er schreibt, ja schon froh sein müsse, wenn er selbst der Welt nicht zur Last falle.
Manche Passagen sind ergreifend, etwa eine über die Begegnung mit zwei von einem Blindgänger zerfetzten Jungen in einem Krankenhaus in Kabul. Und manche Passagen sind mitreißend, etwa sein flammender Liebesschwur an die Sprache, die sich „erbarmte“, ihn über sein „Leben als Versager“ hinwegzutrösten, ihn „aus dem Sumpf eines ziellosen, eines verlorenen Daseins“ zog. Nicht als lebenslange Offenbarung von Kindertagen an, sondern erst, als er knapp vierzig war und die Hälfte seines Lebens schon hinter sich hatte. Altmann: „Wer so spät den Notausgang findet, der wird die Tür nicht vergessen, durch die er ins Freie stolperte.“
Dieser Sprachliebe entsprechend ist all das gekleidet: in die fulminante Wortgewandtheit eines Autors, der seine Sätze wie mit einem Degen kreiert, mal wild fuchtelnd, zu schnell für träge Blicke, mal gemächlich drohend, stets erfüllt von innerer Spannung. Am Ende trifft er dort, wo es manchmal wehtut und manchmal wohlig kribbelt – das Herz, den Verstand. Und appelliert auf diese Weise dafür, das Leben mit beiden Händen zu packen und zu inhalieren, hier und jetzt.
6.) William Zinsser: On Writing Well
Der Beitrag hat längst Überlänge, daher zum Schluss nun, ganz schnell, ein Ausreißer: keine große Literatur, kein Deep Dive ins menschliche Sein. Sondern ein klassisches Sachbuch – über Sachbücher. Genauer: über das Schreiben von Sachbüchern. William Zinssers Ratgeber ist vollgestopft mit aufschlussreichen Anekdoten aus dem Leben eines Journalisten und mit praktischen Tipps zum Umgang mit Worten, zum Aufbau einer Story. Zu Interviews. Reisereportagen. Sportberichterstattung. Memoiren. Populärem Wissenschaftsjournalismus. Zum Schreiben über Kunst. Dem Umgang mit Humor. Zu alledem und noch mehr gibt es Handfestes und Unterhaltsames. Für mich das wohl beste Buch über „nonfiction writing“.
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