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Feuilleton Musik 24. März 2016

11 Fragen an Karl Bartos

„Es ist nicht die Aufgabe von Musik, modisch zu sein. Ihr Sinn ist die Kommunikation zwischen den Menschen.“ (Karl Bartos, 2016)

Communication lautet auch der Titel des ersten, wirklichen Soloalbums des Ex-Kraftwerkers Karl Bartos, das 2003 erschien. Nun veröffentlicht er die intern als „Das verlorene Album“ bezeichnete Platte erneut und komplett remastert. Dabei hat das Thema auch in Zeiten von immer neuen digitalen Kanälen wie Facebook, Instagram & Co. nichts an Dringlichkeit und Relevanz eingebüßt. Ganz im Gegenteil. Heute ist die Medienwelt, die das Album beschreibt, Realität geworden. Am Telefon verriet uns Karl, der Melody-Maker der bekannten Kraftwerk-Werke Die Mensch-Maschine (1978), Computerwelt (1981), Tour de France (1983) und Electric Café (1986) wie er auf die Idee der Wiederveröffentlichung kam – und warum wir allesamt digitale Affenmenschen sind.

Cover-Art zur 2003-er Platte "Off the Record" © Trocadero
Cover-Art zur 2003-er Platte „Off the Record“ © Trocadero

Reden oder Schweigen?

Reden.

Mensch oder Maschine?

Mensch.

Blog oder Bleistift?

Das kann ich nicht beantworten.

„Communication“ war dein erstes Album nach dem Ausstieg bei Kraftwerk nach 13 Jahren. Für die „Wiederveröffentlichung“ sind nun wieder 13 Jahre vergangen.  Wie kam es dazu?

Dass seit der Erstveröffentlichung wieder 13 Jahre vergangen sind, ist ein Zufall. Dafür habe ich keine Berechnungen angestellt. Ich bin mit der Platte im Jahr 2000 gestartet. Da kam gerade das Internet auf und wir hatten eben die ersten E-Mails geschrieben. Davor hatte ich begonnen, live zu spielen und brauchte schlicht ein eigenes Programm, das ich vor Publikum performen konnte – also Stücke nach „Das Model“, „Die Roboter“ oder „Tour de France“, die die Leute ebenso begeistern würden.

Wie war es für dich, sich nach so langer Zeit wieder mit dieser Platte zu beschäftigen?

Die Musik, die damals entstand, war primär für meine Live-Auftritte gedacht, die mich die ganzen letzten Jahre lang beschäftigten. Vor diesem Hintergrund könnte man sagen, bin ich heute auch viel näher dran an „Communication“ als zu den Zeiten ihrer Entstehung. Neben der thematischen Relevanz war auch ein nicht unerheblicher Grund für die erneute Veröffentlichung der Wunsch der Konzertbesucher. Diese wollten die gehörten Tracks einfach als Platte zuhause ins Regal stellen können. Das zu ermöglichen, fühlt sich gut an.

Karl Bartos © Patrick Beerhorst
Karl Bartos © Patrick Beerhorst

Das Plattencover zieren vier schlichte Piktogramme. Was bedeuten diese Bilder für dich?

Mit den Plänen zu „Communication“ erreichte mich der Ruf einer Professur an der Berliner Universität der Künste (UDK). Dort beschäftigte ich mich mit der Konvergenz von Bild und Ton, was sich auch auf das Artwork niederschlug. Die Piktogramme auf dem Cover stehen für die visuelle Kommunikation, wobei die Musik der Platte eine Form der akustischen Kommunikation ist. Für  mich sind die vier Piktogramme auf dem Cover diejenigen, welche unserem Leben, in einer von Medien bestimmten, modernen Industrie-Gesellschaft am nächsten kommen: Das Männchen meint uns Menschen – ich nenne ihn „Electronic Apeman“. Das Telefon steht für den Klang, der durch diese Erfindung unabhängig vom Raum wurde. Die Aufnahme machte ihn dann unabhängig von der Zeit. Der Fotoapparat steht für die visuelle Kommunikation beispielsweise in Form von modernen Massenmedien. Das Flugzeug versinnbildlicht schließlich den Transport, der seit der Erfindung der Eisenbahn über das Auto bis hin zum Flugzeug wichtiger Ausdruck eines modernen Lebens ist. Für mich persönlich sind Piktogramme eine Sprache ohne Buchstaben, ganz ähnlich zur Musik. Auch hier haben wir es ja mit einer abstrakten Sprache zu tun, die Botschaften beinhaltet, die Worte nicht vermitteln können. „Communication“ zeichnet sich durch diese Konvergenz von Bild und Ton aus. Einige der wichtigsten Fragen, die das Album stellt, lauten: Wie bestimmen Bilder unsere Sicht auf die Welt? Und: Wie verändern elektronische Medien die Inhalte unserer Kultur? Deshalb auch die Piktogramme und der Bezug zu den Massenmedien. 2000 waren diese ja noch nicht so stark ausgeprägt wie heute. Es gab keine sozialen Medien, es gab keine Blogs – aber es war bereits klar, dass das kommen würde.

Karl Bartos LP Cover "Communication" © Trocadero
Karl Bartos LP Cover „Communication“ © Trocadero

Bleiben wir bei den sozialen Medien: Welche Bedeutung haben neue Kommunikationskanäle wie diese für dich und deine Arbeit?

Keine.

“Stars ain’t what they used to be. They are average people like you and me.” (aus: 15 Minutes of Fame – Communication). So ließe sich auch das Erfolgskonzept von YouTube- und Instagram-Stars beschreiben. Was hältst du davon, dass solche Celebrities mittlerweile Millionäre sind?

Ich würde sie zunächst einmal dazu beglückwünschen. Nein, im Ernst. Das Phänomen ist ja ein altbekanntes, was bereits mit der Erfindung der Fotografie im 19. Jahrhundert begann. Diese Technik veränderte unsere komplette Welt. Zunehmend war es immer mehr Menschen möglich, die Welt und sich selbst zu fotografieren. Selbstdarstellung und Selfies gibt es also nicht erst seit Facebook & Co. Der Ursprung liegt bereits in der Fotografie-Leidenschaft unserer Vorfahren begründet. Ich selbst erinnere mich da auch noch gut an meine eigene Kindheit, in der ich mit meinen Eltern ständig in die Berchtesgadener Berge fuhr. Auf diesen Ausflügen entstanden schätzungsweise vier Millionen Fotografien vom Watzmann. Dann kam die 8-mm-Filmkamera. Man hatte das Gefühl, dass die Dinge erst zu existieren begannen, wenn man sie fotografiert oder gefilmt hatte. Ich denke, es ist ein ur-menschlicher Wunsch, das Erleben festzuhalten. Das belegen beispielsweise auch steinzeitliche Höhlenmalereien. Diese zeigen die Hände unserer Vorfahren, die durch das Nachmalen der Umrisse ihrer eigenen Hände ebenfalls versuchten, den Augenblick festzuhalten. Ganz ähnlich ist es mit der Fotografie – und das bis in unsere Zeit: Im Moment, in dem ich eine Person fotografiere, entsteht eine andere Form der Realität, man nimmt nichts weg, das Fotografierte ist aber auch nichts Neues. Man befindet sich sozusagen in einer Zwischenrealität. Dieser Reiz wird in den elektronischen Medien wie etwa Facebook oder Instagram fortgesetzt. Anders als zu Zeiten meiner Kindheitsausflüge wird hier aber meistens nicht der Berg porträtiert, sondern man fotografiert sich selbst mit dem Berg und wird Teil der abgebildeten Realität. Diese Selfies  zeigen meiner Meinung nach auch gut, dass sich in den vermeintlich „sozialen“ Netzwerken, jeder selbst der nächste ist. Sie sind ein Ausdruck des eigenen Selbstdarstellungsdrangs. Diesen gab es freilich auch schon damals, als beispielsweise Jugendliche auf frisierten Motorädern die Straße runterbretterten und so auf sich aufmerksam machten. Mithilfe der heutigen Massenmedien lässt sich dieser Wunsch nach Aufmerksamkeit etwa durch den Druck aufs Smartphone, mit dem ich mich spielend einem großen Publikum mitteile, ganz einfach befriedigen.

Weiter heißt es in dem Song: „All you need is another it-girl. New religion in a paranoid world.” Damals wie heute – was meinst du damit?

Da fällt mir der berühmte Aufsatz von Walther Benjamin „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ ein. Darin beschreibt er, wie die Leute in früheren Zeiten Kunstwerke benötigten, um etwas verehren zu können. Es ging ihm um die Aura des Kunstwerks, die durch die Reproduktion immer mehr verloren gehen würde. Benjamin schrieb den Aufsatz in den 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts – also vor dem Hintergrund der aufkommenden Massenmedien wie dem Film. Nach Benjamin löste dieser die Aura immer mehr durch die Verehrung von beispielsweise Hollywood-Stars ab. Mit dem Fernsehen ging es dann dementsprechend weiter, was dazu führte, dass heutzutage fast jeder prominent ist, der sein Gesicht eben mal kurz in eine Kamera hält. Manche von ihnen wie beispielsweise die Prinzessin von Wales, Lady Diana, mussten diese Prominentenkultur sogar mit dem Leben bezahlen. Das liegt daran, dass wiederum andere Leute mit Reproduktionen der Bilder von eben diesen Leuten viel Geld verdienen können. Ich persönlich finde das obszön und weiß nicht, wo diese Entwicklung noch hinführen soll. In den sozialen Netzwerken macht sich ja jeder mittlerweile selbst zum Promi, indem er sich selber ausstellt – und im Gegensatz zu Aldous Huxleys Utopie „Brave New World“ sogar noch freiwillig. Dummerweise wird ein jeder dieser neuen digitalen Prominenten dabei zum Benzin von Geschäftsmodellen anderer. Und zwar von Unternehmern, die an diesem Selbstdarstellungsdrang eine Menge Geld verdienen. Das hat übrigens auch sehr bedenkliche Auswirkungen auf die Musik. Hier stehen auch immer weniger die Inhalte im Vordergrund. Es geht zunehmend um oberflächliche Strukturen, an deren Ende eine Musik steht, die eher an Computerspiele als an alles andere erinnert.

Durch neue Technologien wie zum Beispiel Laufroboter oder immer intelligentere Computersysteme könnte dein „Digital Apeman“ bald Wirklichkeit werden. Was denkst du – Traum oder Alptraum?

Weder noch. Auch mit einem Hammer kann man ja entweder einen Nagel in die Wand schlagen, um daran ein schönes Bild aufzuhängen oder man erschlägt jemanden damit.  Man sollte technologische Entwicklungen wie jene differenziert betrachten und sich erinnern, dass es auch hier schlicht um weitere Werkzeuge geht. Ich denke dann immer gerne an die Anfangsszene von Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“: Darin entdecken Affenmenschen einen Knochen, der nach einem Streit in die Luft geschleudert wird und sich in der nächsten Einstellung als futuristisches Raumschiff präsentiert. Diese Sequenz kann als Metapher des Regisseurs auf die Evolution gesehen werden – und funktioniert bis ins heutige Zeitalter der digitalen Medien sowie einer aus den Fugen geratenen Kommunikation. Man muss sich ja  nur mal überlegen, welch schwindelerregende Anzahl von E-Mails jeden Tag verschickt wird. Auch wir sind solche Affenmenschen, die ständig Knochen etwa in Form von neuen Technologien in die Luft werfen. Manche von ihnen fallen von Zeit zu Zeit wieder runter und erschlagen uns – denken wir etwa an die Atomkraft oder genmanipulierte Lebensmittel. Auch wenn ich kein Pessimist bin, bin ich der Meinung, dass wir uns langsam beeilen sollten, neue Wege zu finden, um mit den Folgen von Entwicklungen wie diesen langfristig klar zu kommen.

Müssen nochmal 13 Jahre vergehen, bis wir wieder etwas von dir hören? Was kommt als nächstes?

Ich schreibe gerade meine Autobiographie. Diese muss bis Weihnachten fertig sein und erscheint dann hoffentlich nächstes Jahr.

Karl Bartos © Jann Klee
Karl Bartos © Jann Klee

 

Communication (Trocadero) wird am 25.03. als Digipak-CD sowie als Vinyl-LP wiederveröffentlicht. Zudem erscheint das Album 2016 erstmalig auch Digital und als Stream.

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