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Feuilleton Fotografie 20. Oktober 2020

Wandel in drei Akten: Der Bildband „Time to Act“ zeigt Backstage-Fotografien weltbekannter Stars

Der neue Bildband „Time to Act“ des britischen Fotografen Simon Annand schaut hinter die Kulissen Londoner Theater und zeigt weltbekannte Schauspieler in ungewohnter Perspektive. Ein Teil der Einnahmen aus dem Verkauf kommt der #coronakuenstlerhilfe zugute.

Noch eine halbe Stunde, noch 15 Minuten, noch 5 Minuten. Dann hebt sich der Vorhang auf Londons großen Theaterbühnen. In diese vier Abschnitte gliedert sich Simon Annands Bildband „Time to Act“, der das Live-Theater auf mehr als 250 Seiten feiert, wie es kein anderes Buch bislang vermochte. Denn gerade die Theaterlandschaft verändert sich aktuell sehr stark durch die anhaltende Corona-Pandemie. Die Zukunft des traditionellen und faszinierenden Berufsstandes des Schauspielers ist ungewiss. Die intimen Momente, die der britische Fotograf Simon Annand hinter den Kulissen der weltbekannten Theater Englands eingefangen hat, bleiben daher vielleicht für immer einzigartig.

© Simon Annand Stephen Fry, Apollo Theatre, Twelfth Night 2012

Privilegierter Zugang für Fotograf Simon Annand

Schauspielerin Cate Blanchett schreibt in ihrem Vorwort: „Wir Schauspieler teilen die verrücktesten Rituale und die lustigsten Beobachtungen auf unserer Reise von der sogenannten ‚echten‘ Welt in diese, unsere zutiefst irreale Realität der halben Stunde vor Beginn des ersten Aktes, in der wir in den Ring steigen und einfach sehen, was passiert.“ An dieser Verwandlung der eigenen Persönlichkeit in fiktive Charaktere haben die Schauspieler Annand teilhaben lassen und ihm Einblicke gewährt, die der restlichen Welt bislang verborgen blieben. Dieses Privileg hat sich der Fotograf über viele Jahre hinweg erarbeitet. Simon Annand (*1955) wuchs in einem kleinen Dorf im Südosten von Yorkshire auf. Er studiert zunächst Politik und Philosophie, später Fotografie und Film.

Durch seinen Nebenjob als Barkeeper des Theaters „Lyric Hammersmith“ erhält er erstmals Zugang zur Londoner Theaterwelt und macht dort seine ersten Fotografien. Von 1987 bis 1989 arbeitet Annand unter Direktor Jonathan Miller als Theaterfotograf im „Old Vic Theatre“, danach fotografiert er unter anderem für die BBC, die „Royal Shakespeare Company“, das „Moscow Arts Theatre“ und weitere Schauspielhäuser, vor allem in England.

© Simon Annand Elisabeth Moss, Comedy Theatre, The children’s hour, 2011

Aufwärmübungen, wilde Grimassen, entspannte Gespräche und letzte Zigaretten prägen den ersten Teil des Bildbands, der in Kooperation mit dem Augsburger Verlag „Salz und Silber“ und dem Theaterproduzenten Peter Wilson entstand.

Noch sind die Schauspieler wie Phoebe Waller-Bridge, John Goodman und Judi Dench vor allem sie selbst. Die beginnende Verwandlung zeigt sich in diesem Kapitel durch Make-up, Lockenwickler und Kostüme vor allem äußerlich. Mal ganz nah dran, mal von einiger Entfernung fängt Simon Annand die Stimmung ein, die meist entspannt zu sein scheint. Dann nehmen die von Cate Blanchett im Vorwort genannten Rituale ihren Lauf.

Ein Wandel in drei Akten

In Teil zwei des Bildbands, 15 Minuten vor dem Auftritt, setzt sich der Prozess im Inneren fort. Intensive Blicke in den Spiegel, auf der Suche nach dem neuen Ich, zeugen von höchster Konzentration. Während äußerlich schon zu erkennen ist, wen Orlando Bloom, Eddie Redmayne oder Gillian Anderson auf der Bühne verkörpern werden, steckt die Persönlichkeit noch mitten im Wandel. Ein Wandel, der im dritten Teil von „Time to Act“ vollendet wird. Die letzten fünf Minuten, bevor sie auf die Bühne treten, verbringen die porträtierten Schauspieler meist allein und in sich gekehrt. Simon Annand fängt diese letzte Phase der Ruhe in seinen Fotografien ein, in denen er ganz nah an den Schauspielern ist und dennoch unbemerkt zu sein scheint.

© Simon Annand Cate Blanchett, Ethel Barrymore Theatre, The Present, 2017

Im letzten Teil zeigt der Bildband nicht mehr die Schauspieler, nicht mehr Daniel Radcliffe oder James Corden, sondern die Figuren, die sie in den nächsten Stunden verkörpern. Eingehüllt in blaues, rotes, gelbes Theaterlicht stehen sie schließlich als jemand anderes auf der Bühne: als Hamlet, Ophelia oder Dr. Frank N. Furter, als Lady Macbeth, Puck oder Holly Golightly. Annand fotografiert die Protagonisten seines Bildbandes jedoch nicht aus der Perspektive des Zuschauers, sondern fängt Gesten und Mimiken von hinter der Bühne ein. So liefert er bis zum Schluss Eindrücke, wie sie auch der fleißigste Theatergänger nie zu Gesicht bekommen hat.

Bildband unterstützt Kreativschaffende in Deutschland

Der Bildband, der in der englischen Ausgabe bereits nach wenigen Tagen ausverkauft war, unterstützt mit einem Euro pro verkauftem Band die #coronakuenstlerhilfe. Der Verein will Kreativschaffende in Deutschland, die aufgrund der Corona-Pandemie in finanzielle Not geraten sind, mit Spenden unterstützen. Künstler, Prominente und Influencer wie Klaas Heufer-Umlauf, Miss Allie, Peter Hoffmann und viele weitere unterstützen die Kampagne. Auch Simon Annand und der Verlag Salz und Silber leisten ihren Beitrag dazu, der deutschen Kulturlandschaft in dieser schwierigen Zeit zu helfen. Und Geschichten, wie sie nur Kunst und Kultur erzählen können, auch in Zukunft zu ermöglichen.

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