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Feuilleton Lifestyle Musik 12. Juni 2015

Mit Irie Révoltés den Aufstand proben

Revolution. Rebellion. Protest. Das sind starke Worte. Viele von uns denken dabei vermutlich an Ereignisse wie die Französische Revolution oder – nicht ganz so lange her – die Proteste in Tunesien, die vor wenigen Jahren den Arabischen Frühling eingeleitet haben. Vielleicht fällt einem aber auch das eigene Aufbegehren beispielsweise zu Schulzeiten ein, das man in Form eines Che-Guevara-Aufnähers auf dem Rucksack trotzig zum Ausdruck brachte. So war das zumindest bei mir.

Aktiv und die Revolution im Namen setzt sich die aus Heidelberg stammende und teilweise in französischer Sprache singende Band Irie Révoltés mit Gesellschaft und Politik auseinander. 2007 traten sie inmitten der G8-Proteste in Heiligendamm auf. Daneben engagieren sie sich auch sozial mit Projekten wie etwa Rollis für Afrika für Menschen mit Behinderung im Senegal. Von keinem großen Festival mehr wegzudenken kann die 9-köpfige Band auf mittlerweile 500 Shows in 25 Ländern zurückblicken. Auf Facebook haben Irie Révoltés über 111.000 Fans. Und es werden immer mehr. Sicherlich spielt da neben der Musik auch ihre politische Haltung eine Rolle. Das Revolutionäre. Das Nein-Sagen.

Pünktlich zu Beginn des Festivalsommers und anlässlich ihrer neuen Platte Irie Révoltés haben wir mit den beiden Frontmännern und Brüdern Carlito und Mal Élevé gesprochen. Dabei haben sie uns verraten, wie sich auch abseits von großen Protesten und Demonstrationen der Aufstand proben lässt.

Jeden Tag. Und von jedem von uns:

Hinschauen statt Wegsehen

Schluss mit dem Wegschauen, Schluss mit dem Schweigen. Das kann im Alltag oder auf Arbeit sein – spielt aber besonders in Sachen Rassismus eine wichtige Rolle. Wegschauen ist ja Mitmachen, Mit-diskriminieren. Das begünstigt was da an Ungerechtigkeiten passiert. Das kann man schön am jüngsten Beispiel von Pegida erkennen. Da gingen viele Leute auf die Straße. Jetzt wo die Gegenproteste wieder leiser werden, ist es wichtig nicht wegzugucken. Die Demos der Pegida-Anhänger sind ja nur ein offensichtliches Bild für das, was da noch latent in der deutschen Bevölkerung schlummert. Genau jetzt sollte man sich Gedanken machen, woher diese Tendenzen kommen, die Leute fremdenfeindliche Parolen rufen lassen. Woher kommt diese Angst? Was ist mit unserer Gesellschaft los? Und was lässt sich dagegen tun?

Ein starkes Team: Die Brüder und Frontmänner Carlito (links) und Mal Élevé © Irie Révoltés
Ein starkes Team: Die Brüder und Frontmänner Carlito (links) und Mal Élevé
© Irie Révoltés

Gang rausnehmen und reflektieren

Schnell ist man in dem Verwertungssystem unserer Gesellschaft gefangen. Man funktioniert einfach nur noch. Hinzu kommt die sogenannte digitale Revolution, die vieles noch schneller macht. Oft läuft man dann nur noch mit. Dann ist es wichtig, sich bewusst zurückzulehnen und nachzudenken. Der Druck auf den Pausenknopf wird notwendig. Gerade heute, wo es schon Entspannung ist, einen Film zu streamen. Man lässt sich ständig berieseln – verrückt wenn man sich überlegt, dass wir uns damit sogar beim Chillen zuballern. Da ist es beinahe schon revolutionär, einfach mal nichts zu tun. Dann kriegt man einen Spiegel auf sich und andere. Um den Aufstand zu proben, muss man sich bewusst werden, was man will und wofür man steht. Das braucht Zeit und man muss sich regelmäßig fragen: Will ich dort wo ich gerade bin, auch wirklich sein? Will ich das, was ich gerade mache, immer weiter machen? Was ist mir wichtig? Selbstreflektion ist da ganz essenziell. Dann beginnt Veränderung. Dann beginnt Revolution.

Kritisch konsumieren

Es fängt bei einem selbst an. Klamotten und Lebensmitteln bieten da einen guten Ansatz. Das sind wesentliche Themen, bei denen wir als Konsumenten mehr Macht haben als wir denken. Hier heißt es, kritisch sein und mit dem eigenen Einkauf beginnen. Und nicht genau die Produkte der Firmen kaufen, die man kritisiert und die allgemein bekannt auf Kosten anderer Menschen Profit schlagen. Die merken ja nur, dass sich was ändern muss, wenn sich auch das Kaufverhalten ihrer Kunden verändert. Das hat viel mit der eigenen Einstellung zu tun. Wen ich immer nur alles billig haben will, wird sich wohl nicht viel tun. Wir engagieren uns u.a. für den Fashion Revolution Day. Aber es reicht schon, wenn man sich bewusst die Frage stellt: Wie kann es sein, dass ein T-Shirt nur einen Euro kostet? Dasselbe gilt natürlich auch für Lebensmittel. Hier geht es generell um Wertschätzung. In guten Produkten steckt viel Arbeit. Die sollte auch von jedem anerkannt und entsprechend bezahlt werden.

Und Spaß machts auch noch © Irie Révoltés
Und Spaß machts auch noch © Irie Révoltés

Offenheit beweisen

Man sollte sich für einander interessieren und offen sein. So kommen wir miteinander klar. Das ist die Grundvoraussetzung für ein gutes Zusammenleben in der Welt. Erziehung und Vorleben ist da wichtig. Da spielen neben den Eltern natürlich auch die Schulen eine große Rolle. Soziale Kompetenzen müssen hier vermittelt werden, denn in der Regel findet unsere Sozialisierung zum größten Teil dort statt. Gerade die aktuelle Situation der weltweit Geflüchteten bietet hier einen guten Ansatz. Lehrer könnten mit ihren Schülern erarbeiten: Wie leben die Leute in den sogenannten Asyl-Heimen? Wie sieht es dort aus? Wer sind diese Menschen eigentlich? Welche Schicksale haben sie? Fragen wie diese kommen noch eindeutig zu kurz. Diese zu stellen und zu beantworten, wäre sicherlich förderlich für die Schaffung von Toleranz und Offenheit. Ansonsten glauben die Leute lieber weiter was in der Bild-Zeitung steht.

Auf die Sprache achten

Wir sollten mehr auf unsere Sprache achten. Ein einfaches Beispiel: Der Begriff Flüchtling. Da schwingt eine Verniedlichung im negativen Sinne mit. Da wird etwas abgetan. Wir bevorzugen den Ausdruck Geflüchteter. Das impliziert etwas Aktives. Hier geht es schließlich um Menschen, die für sich und ihre Familien einen schwierigen Schritt gewählt und ihr Schicksal mutig in die Hand genommen haben. Auch bringt uns der unreflektierte Einsatz von Worten und Begriffen in den Zeitungen oft auf die Palme. Stichwort: Dönermorde. Absolut unpassend und unsensibel. Da erwarten wir von den Medien eine reflektierte Darstellung, weniger Stereotypen. Ansonsten wird man es nie schaffen, dass die Leute in unserer Gesellschaft gleich sind. Es setzt aber auch Mut voraus, neue Formulierungen zu finden, die Leser vielleicht erstmal irritieren. Hier heißt es Verantwortung übernehmen und neue Wege gehen. Weniger Kopieren und weniger Meinung machen.

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