Die Füllfederhalter und Kugelschreiber von Kaweco sind mittlerweile Designklassiker. Jeder anspruchsvolle Concept Store, egal ob in New York oder Berlin, hat die Stifte mittlerweile in seinem Sortiment. In den 1920ern Jahren war Kaweco einer der bedeutendsten Hersteller der Branche, beschäftigte 600 Mitarbeiter und produzierte 130.000 Füllfederhalter im Jahr. Drehbleistifte, Tinten, Lederetuis und erste Filzschreiber ergänzten das Sortiment.
Bedauerlicherweise kam es, wie es so oft kommt – und zwar unabhängig von der Qualität eines Produkts: Das Unternehmen geriet in die Fahrwasser von marktbedingten und persönlichen Herausforderungen, Weltkriegen, Inflationen, Übernahmen und familiären Verlusten, und obwohl Kaweco sich mehrfach wieder fing, musste die Firma 1981 schließen.
Ungefähr zu der Zeit, als bei Kaweco die Lichter ausgingen, begann die Füllfederhalter-Passion von Michael Gutberlet. Und ein neues Kapitel bei Kaweco…
Ein großes Glück, dass sich ihr Unternehmen h & m gutberlet Mitte der 90er Jahre entschlossen hat, die Marke Kaweco wiederzubeleben. Warum eigentlich?
Mein Vater Horst Gutberlet musste nach dem Krieg, als ältester Sohn die Familie miternähren. Jahrgang 1930 bedeute dies für ihn, Schule abbrechen und eine Lehre als Elektriker beginnen. Nach dem Abschluss der Lehre fing er als Betriebselektriker bei der Nürnberger Bleistiftfabrik Kurz an. Dort erkannte er sein Verkaufstalent und nach mehreren Stationen bei verschiedenen Schreibgeräte-Unternehmen gründete er 1960 sein eigenes Unternehmen. Geschäftsbasis sind Vertretungen für Schreibgeräte-Teile, wie Mechaniken, Minen, Gehäuse, die er an Markenfirmen wie Lamy, Pelikan, Staedtler, Faber Castell etc. vermittelte.
1987 erscheint diese Handelsvertretung irgendwann nicht mehr ausreichend und wir eröffnen den Bereich „gutberlet cosmetics“. Es werden Kosmetikstiftsysteme entwickelt und vermarktet für Firmen wie Lancome, Artdeco etc. Das Geschäft entwickelt sich so gut, dass wir 1994 den Vertrieb von Stiftesystemen auch im Schreibgerätebereich beginnen wollen. Dabei können wir auf die in der Zwischenzeit entstandene Schreibgeräte-Sammlung schauen und zurückgreifen.
Wie kommt man auf die Idee, alte Schreibgeräte zu sammeln? Die Form, die Funktion, das Design, die Vorliebe des geschriebenen Wortes?
1957 geboren, begleiteten mich Stifte durch die Arbeit meines Vaters mein ganzes Leben. Die Teilnahme an Messen, Muster zusammenzubauen… irgendwie sind die Stifte immer ein Teil von mir gewesen. 1973 machte ich eine Lehre als Industriekaufmann bei einer Firma, die Stifte und Hülsen für Kosmetik als auch für die Schreibgeräteindustrie hergestellt hat.
1979 bin ich dann in die Firma meines Vaters als Angestellter eingestiegen und 1983 zum Mit-Geschäftsführer ernannt worden. Während meiner Lehrzeit habe ich viel über Produktionsmethoden und Entwicklung für Stifte gelernt, deshalb auch das Interesse an Konstruktionen. Der Auslöser zum Sammeln kam aber 1981 beim Spazieren über einen kleinen Flohmarkt in Nürnberg. Da lag ein „Sicherheitsfüllhalter“ einer italienischen Marke. Den Verzierungen nach zu urteilen, schien er richtig alt zu sein (etwa aus dem Jahr 1910).
Da kam mir die Idee das Teil meinem Vater zum Geburtstag zu schenken, da auch eine originale Schmuckdose als Verpackung dabei war. Dieser Füllhalter, ich habe das Teil noch, begeisterte uns so sehr, dass wir das Sammeln und Jagen nach Füllhaltern nebenbei anfingen. Bei manch einem unserer Kunden in Europa wurden wir zusätzlich fündig. Dazu führten uns Geschäftsreisen nach Paris, Mailand, Kopenhagen etc. Flohmärkte und Antikläden ließen die Sammlung schnell wachsen.
Ich konnte später auch alte Fabrikbestände und einige alte Läden auflösen. 1994, wie vorher schon erwähnt, kamen wir durch die Sammlung auf die Idee, einen Taschenfüllhalter zu machen. Die Entscheidung einen Füllhalter im Taschenformat neu aufzulegen, wurde getroffen, weil weltweit kein Produkt in diesem Marktbereich vorhanden war. Das Design kam aus der Sammlung von den alten Kaweco Eigentümern. Der Name kam erst einige Monate später hinzu, denn er war von einer anderen Firma angemeldet gewesen. Aber dann war auch hier der Weg frei.
140 Jahre Firmengeschichte: Wie gelingt ihnen der Spagat zwischen Moderne und Tradition bei Kaweco? Und wie gehen sie mit dem Hype um Kaweco um? Schließlich finden sich weltweit in den besten Concept-Stores, sei es in New York, Toyko, Paris, Berlin oder London mindestens eine kleine Auswahl an Kaweco-Stiften.
Ich muss gestehen, am Anfang gingen wir da sehr „blauäugig“ vor. Wir hatten ja keine Ahnung von Groß- und Einzelhandel. Unsere Kunden waren Schreibgerätehersteller europaweit. Da ging es immer nur um Teile, Mengen, Preise und Lieferzeiten. So gut der Kaweco Sport am Anfang akzeptiert wurde, dem Fachhandel war das nicht genug. Man wollte von Kaweco ein Programm. Ein Schreibgerät bei dem man 30 Minuten reden muss, da ist nichts verdient.
Also beauftragten wir einen Designer, den Kaweco Dia der Neuzeit zu kreieren. Mit Prototypen wollten wir zur Paperworld Messe in Frankfurt die Aufträge einsammeln. Allerdings gefiel keinem der Kunden das Design. Das wollen wir nicht, das ist nicht Kaweco, da erkennen wir kein Kaweco etc. waren die Aussagen. Allerdings wurde auch die Frage beantwortet, was wollt ihr dann? Klar und deutlich, das was Kaweco früher gemacht hat.
Seit diesem Zeitpunkt entwickeln unsere Designer und das Marketing die Ideen aus der Museums DNA (dort sind fast 1.000 Schreibgeräte der alten Kaweco von 1890 bis 1980 zusammengetragen). Dazu spielen wir mit Farben und Materialien. Mit heutigen Fertigungsmethoden ist mehr möglich, als in den 1970er und 1980er Jahren. Den Concept Stores verdanken wir einen Teil unseres Erfolges. Dort konnten wir unsere Produkte verkaufen, die der Schreibwarenfachhandel abgelehnt hatte. Und wenn man es ehrlich betrachtet, ich kenne keine andere Marke als Kaweco, die so gut in Concept Stores, Design-Stores, Men-Stores etc. passt.
Hype mögen wir nicht so sehr, das kann auch ein Strohfeuer sein. Darauf kann man nicht aufbauen. Wir wollen gutes (bewährtes) Design in toller Qualität zum vernünftigen Preis herstellen. Über Mundpropaganda, auch über das Internet, wird die Marke getragen. Es gibt keine bessere Situation, als wenn ein Kunde mit seinem Kaweco selbst zufrieden ist und deshalb weitere Kaweco Stifte zu Weihnachten an Freunde und Verwandte verschenkt. Diesen Status muss man sich erarbeiten und verdienen.
Welcher Kaweco-Stift begleitet sie täglich? Und was schreiben sie überhaupt damit, wenn doch sowieso nahezu alles mittlerweile digitalisiert ist?
Meine täglichen Begleiter sind ein Kaweco Sport (Kolbenhalter Prototyp) Alu und ein Liliput Kupfer Kappen Kugelschreiber mit Needle Point Mine. In meinem Rucksack befinden sich zusätzlich sechs bis acht Stifte zum testen oder arbeiten. Notizen, Entwürfe für neue Designs, Ideen und Gedanken halte ich Handschriftlich fest.
Meine To Do Liste wird alle paar Tage ergänzt, erneuert und verbessert. Digital hab ich das auch schon versucht, wir bieten ja auch Einsätze für das digitale Schreiben an. Da fliest bei mir aber nicht der Gedanke über den Stift auf das Papier. Läuft einfach nicht so gut. Liegt vielleicht auch an meiner Generation. Mit der Hand schreiben, insbesondere mit dem Füllfederhalter, ist schon besonders. Eine Art der Konzentration auf das Wesentliche.
Obwohl immer weniger mit der Hand geschrieben wird, kommen Marken wie Kaweco, Lamy oder Montblanc zum Glück nicht aus der Mode. Warum denken sie, ist das so?
Die Gründe sind sicherlich sehr unterschiedlich. Was mich bei Kaweco sehr freut, sind die Aussagen und Briefe einiger Nutzer von Kaweco Füllhaltern, die uns mitteilen, dass sie das erste mal in ihrem Leben mit einem Füllhalter schreiben und wie toll das ist. Da sind Junge und Alte darunter, querbeet durch die Gesellschaftsschichten. Bei Kaweco kommt die Vielfalt, das Material, die Qualität, Reparaturfreundlichkeit und der Preis mit ins Spiel.
Was wird die Zukunft von Kaweco bringen? Neue Designs? Oder spannende Kooperation, über die sie bereits sprechen wollen?
Back to the future, so könnten wir unsere Neuheit benennen, die nächstes Jahr auf den Markt gebracht wird. Seit Jahren arbeiten wir an einem meiner Herzens-Produkte, welches in absehbarer Zeit realisiert werden kann. Darüber hinaus möchten wir eine alte Spritzgusstechnik wiederbeleben, die seit einigen Jahrzehnten nicht mehr wirklich eingesetzt wird. Da machen wir gerade Versuche mit unseren Produktionspartnern und einem namhaften Spritzgießmaschinenhersteller. Es bleibt spannend. Bei solchen Entwicklungen fühle ich mich 40 Jahre jünger.
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