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Feuilleton Fotografie 19. Juni 2019

Elfie Semotan: Eine weibliche Ästhetik

„Heute hört man mir zu, weil ich etwas zu sagen habe. Früher hat man mir zugehört, weil man mich gern angeschaut hat.“ Elfie Semotan zählt zu den wichtigsten Fotografinnen der Gegenwart und revolutionierte mit ihrem Werk die Mode- und Werbefotografie seit den 1960er-Jahren.

Die Kunst des fotografischen Storytellings beherrscht Semotan wie keine andere. Ihre Porträts prominenter Personen aus der Kulturszene und nicht zuletzt ihre Zusammenarbeit und Freundschaft mit Helmut Lang machten sie weltbekannt. 

Semotans Karriere begann zunächst als Fotomodell in Paris. Ihr damaliger Lebensgefährte, der kanadische Fotograf und Filmemacher John Cook, führte sie Ende der 1960er- Jahre zur Fotografie und weckte ihre Leidenschaft für die Arbeit hinter der Kamera. Vor allem war es die Kunst des fotografischen Storytellings, die sie sich aneignete: Bilder, die wie Filmstills wirken, Personen- und Bildkompositionen, die stets eine Geschichte jenseits des Abgebildeten erzählen. Ihre Werbefotografien und ihre Porträts von prominenten Personen aus Kunst, Film und Theater wie Louise Bourgeois, Willem Dafoe, Elfriede Jelinek, Milla Jovovich, Maria Lassnig, Martin Kippenberger, Udo Kier, Jonathan Meese oder Daniel Richter und nicht zuletzt ihre exklusive Zusammenarbeit und Freundschaft mit Helmut Lang machten die Fotografin weltbekannt. 

© Elfie Semotan

Während der Modeschöpfer durch sein minimalistisches Design für die internationale Mode stilprägend war, schuf Elfie Semotan mit ihren freizügigen Werbe- und Modefotografien für Helmut Lang sowie für internationale Magazine wie Elle, Harper’s Bazaar, Interview, The New Yorker oder Vogue eine neue fotografische Ästhetik. Gleichsam wie ihre deutschen Zeitgenos- sinnen wie Barbara Klemm, Herlinde Koelbl oder Sibylle Bergemann hat die Österreicherin Freiräume in der Fotografie genutzt und dieses Medium, das wie die meisten künstlerischen Disziplinen lange Zeit ausschließlich von Männern besetzt war, für sich erobert und ihre eigene weibliche Perspektive durchgesetzt. 

Elfie Semotan (*1941 in Wels, Österreich) absolvierte eine Ausbildung an der Modeschule Hetzendorf in Wien und begann ihre Karriere als Model in Paris. 1969 ging sie nach Wien zurück und arbeitete als Mode-, Werbe- und Porträtfotografin. Ihre Zusammenarbeit mit dem Modemacher Helmut Lang und ihre Kampagnen für Römerquelle oder Palmers machten sie international bekannt. Elfie Semotan war mit den Künstlern Kurt Kocherscheidt (1943 1992) und Martin Kippenberger (1953 1997) verheiratet.

© Elfie Semotan: Courtesy Galerie Gisela Capitain, Cologne

Die Werkreihe Das Floß der Medusa (1996) macht den wechselseitigen Einfluss deutlich und steht beispielhaft für die fruchtbare künstlerische Zusammenarbeit von Semotan und Kippenberger. 2011 wurde sie mit dem Österreichischen Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet. Elfie Semotan lebt und arbeitet in New York, Wien und Jennersdorf. 

Die Retrospektive Contradiction bei C/O Berlin läuft bis zum 7. September 2019. Sie würdigt Elfie Semotan erstmalig außerhalb Österreichs mit einer umfangreichen Schau. Die Ausstellung und die bei Hatje Cantz erscheinende gleichnamige Publikation präsentieren einen Querschnitt durch das vielfältige Schaffen der Fotografin. 

© Elfie Semotan / Hatje Cantz

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