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Best Of Europa Travel 30. Juli 2019

Auf den Spuren von 100 Jahre Bauhaus: Drei Tage unterwegs in Thüringen

Ganz schön umstritten: Auf der einen Seite der Park an der Ilm Weimars, auf der anderen Seite das einstige Gauforum, ein massiver Bau der Nationalsozialisten und ehemalige Koordinationsstelle der Zwangsarbeiterbewegung.

Und mittendrin ein weißgrauer Betonklotz, ein kubischer Bau. Das kürzlich eröffnete Bauhaus-Museum Weimar.

Bauhaus-Museum Weimar © Michael André Ankermüller

Doch gerade die geographische Verortung des Museums spiegelt die Komplexität des Bauhauses, welche oftmals fälschlicherweise auf dessen Grundfarben oder Form (Quadrat, Dreieck, Kreis) reduziert wird, wider.

Das Bauhaus war und ist vielmehr als das. Nämlich Aufbruch in ein neues Zeitalter und der vermutlich wirkungsvollste deutsche Kulturexport des 20. Jahrhunderts.

Das Manifest

Am 1. April 1919 veröffentlichte Walter Gropius das Bauhaus-Manifest: Handwerk und Künste müssten eine neue, sozialreformerische Einheit bilden. Daraus entstand aus der Kunstgewerbeschule das Staatliche Bauhaus Weimar. Auch heute, 100 Jahre später, lebt das Bauhaus dort weiter. Doch nicht nur dort, sondern überhaupt in Thüringen. Denn die Gedanken seiner Künstler wie Wassily Kandinsky, Paul Klee, Lyonel Feininger und Oskar Schlemmer, die allesamt Gropius verpflichtete, waren revolutionär.

Das Ziel, eine andere Gesellschaft zu errichten, ist bis heute stellenweise, zumindest mit etwas Einbildungskraft in den weiten Fluren der Bauhaus-Universtität Weimar zu spüren.

Anfang der 1920er Jahre wurde das Bauhaus zu einem Treffpunkt der europäischen Avantgarde und zum Inbegriff für Weltoffenheit. Und das in einer Zeit, die von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen sowie einem verlorenem Krieg, Millionen Tote und einer verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Situation geprägt war.

Nur 4 Jahre später, nachdem der Thüringer Landtag gewählt wurde, geriet das Bauhaus in eine so existenzielle Krise, dass die Bauhausmeister mit Gropius an der Spitze kündigten und das Bauhaus 1925 nach Dessau kam.

Wir sind drei Tage durch Thüringen (Weimar, Jena und Gera) gereist, um auf den Spuren von Bauhaus zu wandeln. Und haben uns  vor Ort selbst davon überzeugen können, weshalb das Bauhaus von dort die Welt eroberte und mit seinem funktionalem Design bis heute in unseren Wohnzimmern und Alltag zu finden ist.

Hier solltet ihr vorbeischauen auf eurer Grand Tour der Moderne durch Thüringen

  • Haus am Horn (Am Horn 61) 

Die UNESCO-Welterbestätte ist weltweit die erste „echte“ Bauhaus-Architektur. Das Musterhaus für die große Bauhaus-Ausstellung 1923 entwarf Georg Muche, realisiert hat es das Baubüro Walter Gropius unter Leitung von Adolf Meyer. Das Interieur stammte u.a. von Marcel Breuer, Gunta Stölzl und László Moholy-Nagy.

Haus am Horn © Thomas Müller
  • Hauptgebäude der Bauhaus-Universität Weimar 

Der Bau, welcher ebenfalls nach Plänen des belgischen Architekten Henry van de Velde in zwei Bauetappen in den Jahren 1904 und 1911 errichtet wurde, war 1919 neben der ehemaligen Kunstgewerbeschule Gründungsort des Staatlichen Bauhauses Weimar.

Bauhaus-Universtität Weimar © Michael André Ankermüller
  • Bauhaus-Museum Weimar

Am 06. April 2019 eröffnete das neu erbaute Museum. In dem Bau von Heike Hanada werden Schätze der weltweit ältesten Bauhaus-Kollektion inszeniert. Die Leitfrage: Wie wollen wir zusammenleben?

  • Neues Museum Weimar 

Das ehemals Großherzogliche Museum wurde 1869 als einer der ersten deutschen Museumsbauten errichtet. Im April 2019 eröffnete das zuletzt für Wechselausstellungen genutzte Neue Museum mit einer ständigen Präsentation der Kunst der frühen Moderne von der Weimarer Malerschule bis zu Henry van de Velde. Als eines der ersten deutschen Museen überhaupt zeigte das Neue Museum Weimar bereits in den 1920er Jahren bahnbrechende Ausstellungen zu moderner Kunst.

  • Haus Auerbach, Jena (Schaefferstraße 9)

Die Villa im Jenaer Westviertel wurde im Jahr 1924 von Walter Gropius gemeinsam mit Adolf Meyer für den Physiker Felix Auerbach und seine Frau errichtet. Es ist das erste Wohnhaus, bei dem das von Gropius entwickelte Baukastenprinzip realisiert wurde. Es stellt eines der wichtigsten Zeugnisse für den Beginn des Neuen Bauens bei Wohnhäusern dar. Die Villa ist in privater Hand und kann nur von außen besichtigt werden. 

  • Haus Zuckerkandl, Jena (Weinbergstraße 4)

Das sogenannte Zuckerkandl-Haus in Jena wurde 1927-1929 in enger Zusammenarbeit zwischen den Bauherren – der Professorenwitwe Therese Zuckerkandl und ihrem Schwiegersohn Dr. Wilhelm Langer, Bauingenieur bei Zeiss Jena – und dem Bauatelier Gropius in Dessau errichtet. Unter der Bauleitung von Otto Meyer entstand der Bau nach Plänen von Walter Gropius. Die Villa ist in privater Hand und kann nur von außen besichtigt werden. 

  • Abbeanum, Jena (Fröbelstieg 1)

Das Lehr- und Forschungsgebäude der Friedrich-Schiller- Universität entstand im Jahr 1930 im Auftrag der Carl-Zeiss-Stiftung. Als Architekt konnte der ehemalige Bauhausschüler Ernst Neufert gewonnen werden, der das Gebäude in Stahlbetonskelettbauweise geplant hat.

  • Bauhaus-Keramikwerkstatt, Dornburg / Saale 

Vor fast hundert Jahren war es die einzige Ausbildungsstätte, die vom Weimarer Bauhaus ausgelagert wurde: die Keramikwerkstatt im thüringischen Dornburg. Es ist ein Ort lebendiger Kunstgeschichte, an dem sich die Töpferscheibe immer noch dreht. Das Museum ist seit dem Frühjahr 2019 geöffnet.

© Michael André Ankermüller

Das Haus Schulenburg wurde 1914 von Henry van de Velde für einen Textilfabrikanten errichtet. Heute beheimatet es ein Museum mit Möbeln und anderen Kreationen des Designers und Bauhaus-Wegbereiters. Die Villa steht für den Übergang vom Jugendstil zur Moderne.

  • Seidenweberei Schulenburg & Bessler, Gera 

Die Umgestaltung und Erweiterung des Ensembles mit einem Verwaltungsbau wurde 1925 / 1926 von dem van-de-Velde-Schüler Thilo Schoder vorgenommen. Der gesamte Werkkomplex ist heute ein Denkmal der Industriearchitektur.

Seidenweberei Schulenburg & Bessler © Michael André Ankermüller

Die Häselburg Gera ist das Neue Zentrum für Kunst, Kultur und Kreativität. Sie fungiert als Multitalent, das Bildung, Kultur, Inklusion und Kreativwirtschaft als auch Wohnen und interkulturelles Leben, d.h. soziale und kulturelle Projekte miteinander verbindet. Dabei schafft die Häselburg einen offenen Raum und eine Ideenwerkstatt für Geraer Bürger*innen, Jugendliche, Gäste und Geflüchtete, als auch für die gesamte Region.

Aktuell untersucht die vierteilige Wechselausstellung BAUHAUS.LINES das künstlerische Erbe des Bauhauses hundert Jahre nach seiner Entstehung.

 

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Thüringen Entdecken entstanden. 

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