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Musik 4. September 2016

11 Fragen an Blackberries

Zugegeben: Uns erreichen täglich viele Musik- und Bandempfehlungen. Und auch wenn man auf diesem Weg oft auf interessante Künstlerinnen und Künstler trifft, ist es dennoch sehr schön wenn man dann einmal ganz von selbst über einen Act stolpert, den man sich just ins eigene Plattenregal stellt und um ein Interview bittet. Bei mir waren das kürzlich die Jungs der Band Blackberries. Völlig baff war ich, als ich nach dem ersten Hören herausfand, dass es sich dabei nicht um eine amerikanische Truppe handelte, sondern um vier Freunde aus Solingen. Sich ganz dem psychedelischen Gitarren-Sound verschrieben, liefern die Blackberries mit Greenwich Mean Time eine LP ab, die Erinnerungen an den Summer of Love, Hendrix und Co. aufkommen lassen. Sänger Julian Müller beantwortete uns 11 Fragen.

Blackberries-Sänger Julian Müller © Jens Vetter
Blackberries-Sänger Julian Müller © Jens Vetter

Whiskey oder Weizen?

Da muss ich direkt ausweichen – Disaronno oder 43er mit Orangensaft.

Hendrix oder Harrison?

Bei einer entweder oder Frage eindeutig Harrison. Die Beatles waren die erste Band, die ich je wirklich gehört habe – meine ersten Musikhörjahre habe ich ausschließlich damit verbracht die frühen Beatles Alben rauf und runter zu spielen. Harrisons Herangehensweise ans Gitarrenspiel ist für mich bis heute extrem prägend – wir haben bei den Blackberries zwar auch improvisierte Parts, sowohl Live als auch auf Platte, aber dabei geht es mir nicht primär um technische Raffinesse, sondern darum Melodien und Sounds zu schaffen, die hängen bleiben.

Western oder Film Noir?

Beides cool – vielleicht eine Mischung. Musikalisch waren mir gewisse Country-Anleihen jedenfalls immer sehr nah, wie man bei meiner anderen Band Palace Fever ja recht deutlich erkennen kann.

Die Band "Blackberries": v.l.n.r.: Piet Rosanka, Joscha Justinski, Julian Müller, Sebastian Heer © Jens Vetter
Die Band „Blackberries“: v.l.n.r.: Piet Rosanka, Joscha Justinski, Julian Müller, Sebastian Heer © Jens Vetter

Auf euren sozialen Medien ist zu lesen, ihr seid eine Band aus „Western Germany. Warum so genau?

Wir kommen aus Solingen, proben hier, drei von uns sind hier geboren und wir haben alle den größten Teil unseres Lebens hier verbracht. Bei einem Konzert vor Jahren in Berlin, wo wir Vorband waren, kam mal so ein Typ auf uns zu und meinte: „Ich bin extra später gekommen, weil ich gelesen habe, dass ihr aus Solingen kommt und da dachte ich das kann eh nichts sein. Vorher reingehört habe ich auch nicht.“ Vielleicht haben wir deswegen aktuell diese ungenaue Ortsangabe stehen – um Vorurteile zu vermeiden – außerdem wohnt Joscha mittlerweile in Köln und Seb in Bonn… ist also gar nicht so ganz verkehrt.

Euren Stil umschreibt ihr mit „Kraut Pop“. Erzählt uns mehr davon.

Psychedelischen Kraut-Pop um genau zu sein. Wir sind zum einen sehr beeinflusst von den Bands der mittleren und späten 60er – diese unbedarfte Herangehensweise an Songs und Sounds, an Aufnahmen und generell ans Musikmachen ist für uns sehr wichtig. Es geht uns nicht um technischen Perfektionismus, sondern viel mehr um einen energiegeladenen und frischen Umgang mit Musik, der auch Platz für Spontaneität und Fehler hat. Der Kraut Aspekt kommt eher über einen rhythmischen Ansatz – wir mögen motorische Beats, aber das ist lediglich ein Aspekt unsere Musik. Deswegen wäre es schlichtweg falsch unsere Musik als Krautrock zu bezeichnen. Für uns steht melodische Eingängigkeit in der Regel an oberster Stelle. Fast alle Songs unserer aktuellen Platte sind von einer Songwriter Perspektive aus gestartet und dann im Zusammenspiel zu dem geworden, was sie nun sind: Psychedelisch, krautig und poppig.

„Das war der Sound unserer Jugend.“ Diesen Ausspruch schon mal von euren eigenen Eltern über eure Musik gehört? Woher nehmt ihr eure Inspiration?

Es ist schon so, dass viel der Musik, die wir privat hören in den 50er, 60er und frühen 70er Jahren gemacht wurde – es gibt aber auch aktuell viele tolle Bands, die wir gerne hören. Da wir aber eben nicht in der Vergangenheit leben, sondern im Hier und Jetzt kommt ein großer Teil der Inspiration aus dem aktuellen Leben und der Zeit in der wir leben. Textlich natürlich sowieso, aber auch die Stimmungen, die wir mit Musik ausdrücken entstammen aktuellen Gefühlslagen und Ideen. Zu sagen wir sind eine Retro-Band greift also irgendwie zu kurz – auch wenn wir natürlich offensichtlich von viel alter Musik inspiriert sind. Wir mögen nun mal gewisse Ästhetiken – ein Schlagzeug soll in der Regel bei uns klingen wie das tatsächliche Instrument, außerdem spiele ich gerne auf alten Gitarren, weil dann jede Gitarre anders klingt und nicht die immer gleichen Sounds produziert wie eine neue perfekt gefertigte Gitarre aus den großen Musikshops. Außerdem muss man sich auf die Instrumente einstellen – man kann nicht überall hin und alles machen, aber gerade in dieser auch von dem Instrument vorgegebenen Reduktion liegt für mich ein Reiz und ein weiteres Stück Inspiration.

Greenwich Meantime von Blackberries (Artwork © chrispop)
Greenwich Mean Time von Blackberries (Artwork © chrispop)

Eure aktuelle Platte „Greenwich Mean Time“ ist eine Doppel-LP. Darauf mehrere Minuten lange Stücke. Warum so ausführlich?

Wir hatten vorher nicht geplant ein paar extra lange Songs zu schreiben. Wir mögen es aber, wenn es in unserer Musik ungewöhnliche Wendungen gibt – das passiert meistens einfach so – entweder schon beim Songwriting oder beim Arrangieren fällt jemandem etwas ein oder einer macht schlichtweg einen Fehler, der uns allen gefällt. Solche Dinge kann man oft nicht in einen 3 Minuten Song kleiden – da haben wir uns diesmal einfach die Zeit genommen, die der Song verlangt und braucht. Manchmal muss man sich einfach etwas Zeit lassen, um eine Stimmung wirklich einzufangen. Und ich hoffe das ist uns bei der Platte gelungen.

Starke Nummer „Demons“. Wie sehen die Dämonen aus, die euch plagen?

Tatsächlich hatte ich für den Song sehr lange nur das Riff und den Anfang der Strophe rumliegen – unser Drummer hat mich dann immer wieder darauf angesprochen, dass ich den Song fertig schreiben soll, bis es dann irgendwann geklappt hat. Zuerst dachte ich, der Text wäre reine Fiktion, bis mir klar geworden ist – auch weil mich ein, zwei Leute darauf angesprochen haben – dass der Song von einer bestimmten Person handelt. Das habe ich dann in diesem Fall unterbewusst verarbeitet, was vermutlich gar kein schlechter Umgang mit dem Thema war. Der Song ist jedenfalls auch eine meiner Lieblingsnummern auf der Platte. Aber ich habe an der Frage vorbei geantwortet – schwer zu sagen. Die Dämonen, die uns als Band plagen sind wohl eher so Dinge wie der leider bei vielen Menschen geringer werdende Stellenwert, den Musik für sie hat.

Live Golzheim Festival © Jens Vetter
Live Golzheim Festival © Jens Vetter

Welches ist euer Lieblingssong auf der LP? Warum?

Es ist wirklich schwer einen Lieblingssong herauszupicken, weil man ja selbst, wenn man so Sprüche wie „ich mag sie alle – das ist so wie wenn man zwischen seinen Kindern entscheiden muss“ mal außen vor lässt, auch in verschiedenen Kategorien denkt. Welchen Song würde ich mir von uns am liebsten anhören, auf welchen bin ich besonders stolz, weil wir damit etwas besonderes erreicht haben oder auch welchen Song spiele ich am liebsten Live? Relativ viel von dem kommt für mich bei „Flowers Paint The Sky“ zusammen – ich mag es, dass bei diesem Song zu grundsätzlich verschiedene Elemente aufeinander treffen und finde es gut, dass es harte Brüche gibt. Der Song enthält einfach sehr viele Elemente, die uns musikalisch wichtig sind und baut wie ich finde schöne Brücken zwischen Experiment und Eingängigkeit. Er ist auch ein gutes Beispiel dafür, was passiert wenn ich einen Song alleine schreibe und wir ihn dann mit der Band umsetzen – diese Gegensätze haben sich erst im gemeinsamen Arrangement so deutlich herauskristallisiert. Einen Song, den wir nie live spielen und den wir daher auch lange gar nicht so für die Platte auf dem Schirm hatten, ist „Slow Down“ – das ist vielleicht sowas wie mein Geheimfavorit.

Reminiszenzen an die großen Bands der Krautrock-Ära sind bei den Blackberries nicht zu übersehen. Was fasziniert euch an dieser Zeit? Irgendwelche musikalischen Vorbilder?

Ich habe eben von dem Stellenwert gesprochen, den Musik für Menschen hat. So wie ich das mitbekomme, war Musik für Menschen früher viel wichtiger als es das heute ist. Es gibt aktuell tausend Möglichkeiten seine Freizeit zu gestalten oder sich einfach nur abzulenken, sodass am Ende das Meiste bedeutungslos wird. Wenn alles irgendwie egal ist, haben es die Leute umso schwerer, die Dinge machen, die ihnen nicht so egal sind. Mir ist natürlich schon klar, dass Musik nicht der Mittelpunkt der Welt ist – für mich ist Musik aber ungeheuer wichtig und ich finde es schade, diese Art von Leidenschaft nicht mit noch mehr Menschen zu teilen. Dass das mal anders war, finde ich faszinierend. Damals gab es eben auch aus dieser kollektiven Begeisterung hinaus wieder andere Inspirationsquellen aus denen heraus Musik gemacht wurde. Außerdem war man früher auch einfach technisch nicht auf dem Stand Musik abzuliefern, die dem Standard der technischen Perfektion von heute entspricht. Selbst eine biedere Schlagerplatte aus der Zeit hat einen individuelleren Charakter, als sie es heute hätte. Das heißt nicht, dass damals alles besser war oder es nicht auch viel Schrott gab – aber die Herangehensweise ans Musikmachen dieser Zeit gefällt mir. Musikalische Einflüsse gibt es viele – natürlich gibt es da die offensichtliche Referenzen: Beatles, Stones, Dylan, Kinks, Hollies, Pretty Things, die frühen Pink Floyd und The Who. Wir mögen auch französische Musik etwa von Serge Gainsbourg oder spinnerte prä-Kraut Bands wie die Lords, die wir allein schon für diese musikalische und optische Anarchie bewundern. Apropos Anarchie – auch früher Rock’n’Roll wie Little Richard, Elvis oder Buddy Holly ist für uns wichtig. Oder Soul von Motown und Stax, Girl Groups wie die Ronettes oder die Shirelles. Ich höre außerdem gerade viel Roy Orbison – der hat mit psychedelischer Musik auf den ersten Blick zwar rein gar nichts zu tun, aber er ging als Songwriter oft ganz ungewöhnliche Wege und strukturierte seine Songs nicht nach gängigen Mustern. Für Stücke wie etwa „The Road“ war so ein Ansatz für mich wichtig, weil er mir gezeigt hat, dass ein Song auch einfach immer weiter fließen kann. Der experimentelle oder wenn man so will psychdelische Charakter unserer Songs kommt eher durch unsere Neigung gerne auch mal abseitige Wege zu gehen und uns dem hinzugeben, was uns gerade in den Sinn kommt. Daher sind das eher Inspirationsquellen aus denen wir unsere eigenen Dinge kreieren, als Vorbilder.

Was steht als nächstes an? Schon irgendwelche Anfragen aus der amerikanischen Heimat des Psychedelic-Rocks?

Erst mal geht es im Herbst auf Tour und der zweite Part unserer Doppel LP kommt im Oktober auch als eigenes CD Album (Greenwich Mean Time +1) auf den Markt. Zu der Lead Single der Platte „The Copper Coast“ haben wir ein Video gedreht, das demnächst erscheinen wird. Grundsätzlich heißt das für uns wir arbeiten erst mal mit dem Material das wir aktuell veröffentlicht haben und veröffentlichen werden und spielen viel live – gerne auch außerhalb Deutschlands – da waren wir ja bisher nur im näheren Ausland unterwegs. Mal gucken, ob das mit Amerika mal klappt. Wie unsere nächste Platte nach dem Greenwich Mean Time-Zyklus aussehen wird, wissen wir noch nicht – wir haben zwar diverse Ideen, aber davon ist noch nichts spruchreif. So langsam beginnt das Songwriting und wir werden alle gemeinsam gucken, in welche Richtung uns unsere Inspiration diesmal treiben wird.

Die LP Greenwich Mean Time ist auf Unique Records erschienen und ab sofort erhältlich.

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