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Feuilleton Fotografie Kunst Lifestyle Personal 18. Mai 2015

11 Fragen an Daniel Josefsohn

Ostermontag, eine fremde Nummer erscheint auf meinem Display. Ich hebe ab: „Daniel Josefsohn hier.“ Ich sitze auf meinem Balkon, die Sonne scheint. Es ist trotzdem kalt. Daniel sitzt in Berlin in seinem Atelier und lässt mich als erstes wissen, dass er München mag. Zumindest, wenn die Sonne scheint. Eigentlich wollte ich nur 11 Fragen stellen – wie immer. Dieses Mal ist alles ganz anders: unser Telefonat wird zu einem eineinhalbstündigen Rausch, der sich um Hollywood, Fotografie und das Leben dreht. Um Jerusalem, Galeristen und Berlin. Lest selbst.

Skateboards oder Kameras?

Das ist so eine blöde Frage. Hättest Du nach Rollerblades gefragt, hätte ich gar nicht zurückgerufen.

Werbung oder Kunst?

Geile Werbung schon. Also Werbung, die nicht lügt. Zum Beispiel die Kampagne „Miststück“, die ich für MTV in den 90er Jahren gemacht habe. Danach habe ich nur noch Werbung gemacht, die ich machen wollte. Und das ist überhaupt nicht leicht als Werber.

Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn More jewish settlements on the sylt trip
Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Vorm Berghain mit Hund

Los Angeles oder Berlin?

Ganz einfach: Los Angeles. Hollywood Hills – Beachwood. Und ein bisschen Santa Monica, Malibu. Berlin ist dagegen ein Haufen Scheiße.

Du bist ja autodidaktischer Fotograf. Wie hat eigentlich alles angefangen?

Am 14. August 1986. Kurz vor 18 Uhr. Ich habe die Deutsche Bank in Hamburg, Mittelweg 130 überfallen. Davor bin ich nur Skateboard gefahren. Dann habe ich mir einen Bänderriss geholt und habe angefangen Drogen zu nehmen und bin total abgestürzt. Mein Drogenbeauftragter hat mir damals 300 Mark geliehen und damit das Leben gerettet, weil ich mir davon eine Kamera gekauft habe. Diese war ab sofort meine Droge. Alle anderen sind während der Therapie gestorben. Fotografie hat Spaß gemacht und hat mir wieder einen Sinn im Leben gegeben. Später habe ich dann Wolfgang Tillmanns kennengelernt.

Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Blitzkrieg Disco Sucks
Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn In the name of
Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn I will kill you stylish jewing gun

Du gehörst schon lange zu den wichtigsten zeitgenössischen Künstlern in Deutschland.
Fühlt sich bestimmt geil an, oder? Mich würde interessieren, was deine Ziele für die kommenden Jahre sind?

Die Idee als Lebensziel. Is the idea good you can do anything. Weißt Du, ein Schlaganfall ist richtig scheiße. Ich würde am liebsten meinen Sohn, der jetzt fünfeinhalb Jahre alt ist, ins Flugzeug setzen und mit ihm nach Hawaii fliegen. Und es ist Zeit, dass endlich diese ganzen Galeristen meine Fotografien als Kunst entdecken. Ich will in Galerien hängen. Ich will mit dem Bilder verkaufen, Geld verdienen. In New York, in Tel Aviv. Ich möchte mit meiner Fotografie in Museen hängen, mich begeistern, Leute begeistern und wenn es geht die „Is“ bekämpfen. Und, wenn es dafür auch Geld zu verdienen gibt: HURRA! Punkt.

Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Lieber Helmut Lieber George

Schon gehört, dass David Lynch nicht mehr bei der kommenden Staffel Twin Peaks mitmacht? Ganz schön scheiße. Gibt es Serien und Filme, die Dich und deine Arbeit beeinflusst haben?

Unbedingt, ja. „Soylent Green“. Der Film ist eigentlich heute oder bald. Und krass ist, dass der schon im Jahr 1971 gemacht wurde. Das Buch ist noch älter. Und natürlich die Sachen von Jim Jarmusch und Rene Pollesch.

Was war das verrückteste Erlebnis für Dich hinter der Kamera?
Das würde alles sprengen: soviel Zeit haben wir ja heute gar nicht.

Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Der Himmel öffnet sich
Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Dear Miss Darwin Best
Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Wicksvorlage

„Jeder Künstler ist auch Mensch“, sagte einst Kippenberger. Was denkst Du?

Beichten ist gut für die Seele. Nein, Moment. Ganz schön kompliziert. Hier habe ich noch ein besseres für Dich. Ich will glücklich sein, ich habe die Macht.

Welche Platte hast Du als letztes gehört und welches Buch liest Du gerade?

Platte, Platte? Ich kann es dir sagen. Wie hieß sie nochmal? „You can´t always get you what you want“ von The Rolling Stones. Am liebsten würde ich Bücher selbst schreiben. Ich brauche Poesie. Mir fällt es sehr schwer zu lesen, ich bin Hollywood. Ich sags Dir, ich habe Ideen für zwei Drehbücher. Aber ich mag zum Beispiel Moritz von Uslar. Und ich mag einen, den ich gar nicht mag. Aber das verrate ich Dir nicht. Und ich mag die goldenen Zitronen. Und Sybille Berg.

Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Iran Irak Ikea
Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Self mit Schal
Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Franz Beckenbauer

 

Im November 2014 wurdest Du für deine Fotoserie „Am Leben“ für die „Zeit“ mit dem Lead-Award in der Kategorie Reportagefotografie des Jahres ausgezeichnet. Vor wenigen Wochen ist dein Buch „Fuck Yes“ in Gold im Distanz Verlag erschienen. Was sind deine „Höhepunkte“ in Fuck Yes?

Reportage ist wie Formel 1. Ich liebe Reportagenfotografie. Dafür gibt es keine Worte. Unser Gespräch stockt an dieser Stelle, weil wir versuchen von Telefonie auf Facetime umzusteigen. Es klappt nicht. Scheiße. Anstelle dessen soll ich ein Selfie schicken.
Meine Höhepunkte? Auf jeden Fall das Cover und der Name. Auf den Namen zu kommen war das Schwierigste. Fuck Yes klingt viel besser als „Am Leben“.

Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Vorher Nacher

Wenn es die Fotografie nicht gäbe, was hättest Du dann vermutlich mit deinem Leben gemacht?
Weiter Banküberfälle. Das war ganz schön geil.

Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Fleurop Jewing Gun
Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Gay Rodeo
Daniel Josefsohn X Blog Bohème
© Daniel Josefsohn Volksbühne Bomb
© Daniel Josefsohn Hummer at Kochel
© Daniel Josefsohn Hummer at Kochel

„Daniel Josefsohn (1961 – 2016) hat in den vergangenen Jah­ren die Gratwanderung zwischen Provokation und Humor, zwischen ironischer Setzung und politischer Anstiftung genau austariert, um unbequem zu sein und genau dafür geliebt zu werden. Seine Fotografien entziehen sich gängigen Sehgewohnheiten und be­wegen sich scheinbar schwerelos zwischen Kunst und Kommerz. Nach der legendären Miststück-Kampagne für den Musiksender MTV in den 1990er-Jahren ar­beitete Josefsohn für zahlreiche Magazine und prägt seit 2011 mit seinen Arbeiten das Außenbild der Volksbühne Berlin. Nach einem Schlaganfall im Jahr 2012 dokumentierte er in der Fotokolumne des ZEITmaga­zins ein Jahr lang gemeinsam mit seiner Lebenspart­nerin Karin Müller das Vorher und Nachher, kontras­tierte das Leichtlebige mit dem Schwermütigen, das Dreckige mit dem Schönen. Neben den besten Ko­lumnen-Bildern bietet der Band einen repräsenta­tiven Querschnitt durch sein Gesamtwerk.“ (Quelle Hantje Cantz Verlag) Sein Buch „OK DJ“ kann man hier bestellen.

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