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Best Of Personal Travel 4. September 2018

Unterwegs in der Altmark sowie viel Platz für zahlreiche Ideen

Ein Bekannter erzählte mir vor kurzem erstmals von der Altmark, jener Region, die laut einer Umfrage im Jahr 2010 unter den Befragten kaum bekannt war oder Brandenburg zugerechnet wurde. Auch ich hatte keinerlei Ahnung, wovon er eigentlich sprach.

Vor wenigen Monaten machte mich ein anderer Freund auf die Aktion #Altmarkblogger aufmerksam. Aus Neugierde und Interesse schickte ich eine Mail an die Verantwortlichen, um mich vorzustellen und für die Aktion zu bewerben. Gerade das Thema der Reise, nämlich das Landleben und die damit verbundene Sehnsucht nach mehr Selbstverwirklichung sprach mich an. Ich bekam schließlich den Zuschlag mit der Antwort „(…) dass Blog Bohème perfekt zum Thema der Reise passen würde.“

Vergangene Woche reiste ich dann schließlich in die Altmark, die mit dem IC von Berlin aus innerhalb von 40 Minuten zu erreichen ist. Also nicht unbedingt länger, als eine durchschnittliche Fahrt innerhalb Berlins von A nach B. Doch blöderweise etwas teurer, als ein AB Fahrschein.

Meine Reise führte mich drei Tage durch den südlichen Bereich des Landkreises Stendal, also die Region „Uchte-Tanger-Elbe“, die die Einheitsgemeinden Hansestadt Stendal, Stadt Tangerhütte und Stadt Tangermünde umfasst. Namensgebend für die Region sind die drei Flüsse Uchte, Tanger und Elbe, die durch die altmärkische Landschaft strömen. Insgesamt wohnen in dieser Region um die 62 000 Einwohner.

Nun: Der ländliche Raum (egal wo in Deutschland) behauptet in letzter Zeit zunehmend, dass er genau das bieten kann, woran es den Ballungsräumen mangelt. Zum einen nämlich eine unberührte, idyllische Landschaft mit einer einzigartigen Tier-und Pflanzenwelt sowie ausreichende und bezahlbare Flächen für Industrie und Gewerbe.

Doch ist das auch wirklich so? Schließlich hört man auf der anderen Seite zunehmend, dass der ländliche Raum immer unattraktiver wird und junge Menschen ihrer Heimat den Rücken kehren.

Auf meiner Reise hingegen bin ich ausschließlich Leuten begegnet, die mir genau das Gegenteil gesagt und vorgelebt haben und sich für das Landleben entschieden haben, nachdem sie meistens einige Jahre in der Großstadt gelebt haben. Beispielsweise die Wohnschwestern in Tangermünde, die aus Hamburg zurückgekehrt sind oder Sven Döbbelin, der Kopf hinter der Tangermünder KaffeRösterei, die sich zugegebenermaßen hinter keinem Hipster Café in Berlin, Paris oder New York verstecken muss. Ganz im Gegenteil: Svens Augen leuchten, als ich ihm davon erzähle, dass ich ein Fan von Third Wave Coffee bin. „Hier bist Du genau richtig“, meint Sven und brüht mir mit seiner Aeropress einen Kaffee. Mit ähnlich viel Passion und Euphorie geht es in der Schulzens Brauerei zur Sache. Auch Christians Schulzes Augen leuchten, als er mir von der Brauerei erzählt, seinen Träumen für die Zukunft und weshalb er lieber in der Altmark ist, als beispielsweise in Berlin. „Hier ist alles eben etwas bodenständiger“, so Schulz.

Oder der Biohof 7 von Familie Herms, der ein tolles Beispiel für ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten auf dem Land ist. „Wir sind Idealisten, Realisten, Träumer und Kämpfer für eine ökologische Landwirtschaft, regionale Wirtschaftskreisläufe, artgerechte Tierhaltung und für gesunde und genussvolle Fleischprodukte.“, so Ariane Herms, während sie mir eine Rindsbratwurst aus der eigenen Schlachtung in ihrem Hofladen serviert.

Nun: viele junge Menschen verlassen den ländlichen Raum, um in den Städten zu studieren und weil dort beruflich mehr möglich ist. Was aber wird passieren, wenn aufgrund der rasanten Digitalisierung viele Jobs in den Städten verschwinden werden? Hat dann der ländliche Raum mit einer vernünftigen Infrastruktur wieder eine Chance? Ich glaube ja. Diese Meinung teilt auch Tangerhüttes Bürgermeister Andreas Brohm mit mir, der mir u.a. das verwaiste Industriegelände von Tangerhütte zeigte.

Wir stehen in einer alten Gießerei. Das Gebäude ist verlassen, hier muss einiges saniert und Geld in die Hand genommen werden, doch gleichzeitig merkt man, wie viel Potenzial in dieser Immobilie steckt. Andreas Brohm meint, hier wäre doch genügend Potenzial für ein Co-Working Space, Ateliers und ausreichend Wohnraum. Und der Bahnhof ist sogar fußläufig. Auch ich beginne zu träumen und könnte mir vorstellen, diesem Ort wieder Leben einzuhauchen. „Das was hier möglich ist, ist in Großstädten wie Berlin schon lange Geschichte“, so Brohm, der selbst vor wenigen Jahren noch mit seiner Familie in der Hauptstadt wohnte. Stimmt, denke ich, wäre da nur nicht das Problem mit einem schnellen Internet. Ja, sagt Brohm und fügt hinzu, dass man jedoch auf einem guten Weg sei…

Ich war drei Tage in der Altmark unterwegs. Und bin so vielen Menschen begegnet, die ich eigentlich vielmehr in Berlin erwartet hätte. Demnach kann ich also kaum glauben, dass der ländliche Raum wirklich so unattraktiv geworden ist, wie das oftmals behauptet wird. Sobald eine moderne, digitale Infrastruktur im ländlichen Raum funktioniert, stehen zukunftsweisenden Entwicklungen nichts mehr im Weg. Und vielleicht wird es dann irgendwann möglich sein, Stadt und Land nicht mehr gegeneinander ausspielen zu müssen? Sondern sowohl in der Stadt als auch auf dem Land das richtige Potenzial zu entdecken.

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit LandLeute GbR entstanden. Der Beitrag spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider.

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