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Fashion Feuilleton Kunst Literatur Musik Personal 4. Februar 2015

Perpetuum mobile: gegen eine realitätsferne Intellektualisierung

Nicht selten habe ich mir in den letzten Jahren an der Universität immer folgende Frage gestellt: Was soll eigentlich diese realitätsferne Intellektualisierung und das ständige Zerreden von allem und jedem? Ständig bemüht sich jeder „fast“ leidenschaftlich darum, Deutungen und Erklärungen für dieses und jenes zu finden. Wie ein Perpetuum mobile drehen sich die Fragen weiter. Wenn man eine Antwort gefunden hat, wird einfach gleich die nächste Frage gestellt.

Bei Blog Bohème dreht es sich um die schöngeistigen Dinge auf unserer Welt: Literatur, Kunst, Film, Musik, Mode, Reisen und vieles mehr. Doch ich möchte alle diese Dinge nicht auf jene Art und Weise hinterfragen, wie es so mancher pflegt. Warum verwendet der Autor in seinem Roman folgende Bilder, wieso drückt er sich so aus, was für eine Intention verfolgte der Autor mit seinem Roman und wie ist er überhaupt auf die Idee für sein Stück Prosa gekommen? Wieso malt der Künstler ausschließlich mit folgenden Farben, verwendet ausschließlich die gleichen Materialien und zeigt sich kaum in der Öffentlichkeit? Wieso ist die Kleidung von Designer „XY“ ausschließlich schwarz und aus immer dem gleichen Material?

Und nun?

Diese zunehmende Intellektualisierung ist sicherlich kein neues Phänomen und hat natürlich auch eine erfreuliche Seite: Die Rezipienten, also ihr und ich wollen nicht passiv etwas genießen, wollen Musik, ein Kunstwerk und Roman nicht bloß konsumieren, sondern erobern, interpretieren und zu unserer eigenen Sache machen. Doch all das hat auch eine andere, in meinen Augen unangenehme Seite: das ständige kluge und saucoole Reden über Kunst, Mode, Literatur und so weiter ist zur bloßen Selbstbeweihräucherung geworden. Dadurch geht aber ein zentrales Anliegen all dieser schöngeistigen und lebenswerten Dinge verloren: nämlich einfach der Musik zu lauschen, einen Roman zu lesen, ein Kunstwerk anzuschauen oder sich schöne Kleidung anzuziehen.

Ständiges Interpretieren und Bewerten von allem ist ein bloßes Spiel des Intellekts und die größte Gefahr der Intellektualisierung. Vielleicht ein Spiel für studierte, aber kunstfremde Leute, die zwar wissenschaftliche Arbeiten über alles mögliche schreiben können, aber nie den richtigen Zugang für die Kunst, Mode, Literatur finden. Ähnlich wie der Mann vom Lande, der in Franz Kafkas berühmter Parabel „Vor dem Gesetz“ nicht in der Lage ist, den Türhüter zu überwinden. Und schließlich erst im Angesicht des Todes bemerkt, dass er in das Tor, das nur für ihn bestimmt gewesen ist, eintreten hätte können.

In Erinnerung und Anlehnung an Hermann Hesse.


 

Illustriert von Jessy Asmus.

2 Kommentare

  1. Hallo Michael,
    sehr schöner Blog und ich bin jetzt schon gespannt auf weitere Beiträge. Dieser hier begeistert mich. In einer Zeit, in der es scheinbar mehr um das Reden „über“ etwas geht, als dieses etwas zu „leben“ sind Menschen mit Meinungen wie deiner eher selten. Wenn sie dann noch darüber bloggen, umso besser. Ich freue mich, den Weg hierher gefunden zu haben und wünsche Dir ganz viel Erfolg für deinen Blog Bohème.

    Alles Liebe,
    Sarah (metakognitiva.com)

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