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Best Of Feuilleton Lifestyle 12. April 2018

Literarisches Sixpack mit Florian Schröder

Müsste ich Florian Schröder mit einem Attribut beschreiben, wäre es wohl „umtriebig“: Künstler, Designer, Konzeptionist, Werber, Grafiker, Popikone, Warhol 2.0, Kopf hinter Opus Leopard und neuerdings Hörbuchautor. Am 16. Mai 2018 erscheint  dann endlich Florians Debut „Sage mir deine Freunde“.

Kurz zum Inhalt: Es ist Sommer und München zeigt sich von seiner attraktivsten Seite. Martin Dekowa ist Mitte dreißig (äußerliche 27, geistig gefühlte 80), steckt bis zum Hals in einer Sinnkrise und ist im Auftrag einer internationalen Werbeagentur auf der Jagd nach den Trends von Übermorgen. Seit ihn die Liebe seines Lebens verlassen hat, smalltalkt sich der migränegeplagte Zyniker im emotionalen Autopiloten durch die selbsternannte It-Society. Ständig auf der Suche nach dem nächsten „großen Ding“. In Begleitung der jungen und ehrgeizigen Cat beginnt eine skurrile Odyssee durch die Parallelgesellschaft der Kunstgalerien, Nachtclubs und Medienspektakel.

Hier streifen sich selbst Freunde höchstens an der Oberfläche.  Den Verlockungen der mondänen Welt zu widerstehen ist nicht einfach, doch als sich dank einer schicksalshaften Begegnung ein Ausweg aus dem Hamsterrad offenbart, überschlagen sich die Ereignisse. „Sage mir deine Freunde“ ist das bitterbös-komische Porträt einer Gesellschaft im kollektiven Selbstinszenierungsrausch, die zwischen Narzissmus und Größenwahn lediglich Aufmerksamkeit als Währung akzeptiert.

1.) Wolf Haas: Brennerova

Der „Brenner“-Zyklus besteht aus mehreren Romanen, in denen die Hauptfigur Simon Brenner (Eigenbrötler und von Lebensumständen gezeichneter Ex-Polizist) zufällig in Mordfälle verwickelt wird. Was auf den ersten Blick klingt wie die Blaupause für ein öffentlich-rechtliches Krimiformat aus Stuttgart, sind sowohl dramaturgische als auch sprachliche Meisterwerke österreichischer Unterhaltungsliteratur. Wolf Haas gibt auf Langenscheidt-Grammatik und Dialekt Komplexe einen derartigen Fick, dass es eine wahre Freude ist.

2.) Heinz Strunk: Der goldene Handschuh

Das Hörbuch 2016. Genre: Doku-Fiktion. Hauptfigur: Fritz Honka, Alkoholiker und Frauenmörder. Hamburger-Kiez. Siebziger Jahre. Meiner Meinung nach ist Strunk schon seit „Fleisch ist mein Gemüse“ so was wie der deutsche Charles Bukowski. Seine Protagonisten und das Milieu beschreibt bzw. spricht Strunk mit einem derartigen Wort- und Stimmgewitter, dass man die Kotze und den Schnaps im goldenen Handschuh am Ende fast riechen kann. Kein steriles Bühnendeutsch à la Jan- Josef Liefers, sondern hochsympathischer Kiez-Schnack und schweißgebadeter Albtraum jeder Logopäden-Innung. Genau das macht Strunk zur unverwechselbaren Marke und zu einem meiner deutschen Lieblingsautoren.

3.) Patrick Süskind: Das Parfum

Ein Hörbuch-Klassiker. Spätestens, nachdem sich Hans Korte durch den ersten Satz geschnauft hat, steht man mittendrin im Paris des 18. Jahrhunderts. Um was es hier inhaltlich geht, muss ja niemand mehr erklärt werden. Wer den Film schon gesehen hat und denkt, er kenne die Geschichte, liegt völlig falsch. Speziell beim Parfum klafft zwischen Film und Buch eine künstlerische Kluft wie zwischen Bild Zeitung und echtem Journalismus. Der Waffenmeister von James Bond ist halt einfach kein Jean-Baptiste Grenouille und auch sonst macht der Streifen wenig Spaß. Leider hält es Patrick Süskind wie sein verstorbener Kumpel Helmut Dietl und macht von allem zum wenig. Aber wer noch Appetit auf einen Nachschlag vom Duo Süskind/Korte hat, dem sei „Das Vermächtnis des Maître Mussard“ ans Herz gelegt.

4.) Michel Houellebecq: Die Möglichkeit einer Insel

Der Ich-Erzähler wechselt zwischen der Gegenwart und einer weit entfernten Zukunft hin und her. Zu kapieren, wie und warum das so ist, dauert eine Weile, aber wenn man es dann verstanden hat, knallt es umso mehr. Alles, was ich jetzt noch dazu sagen könnte, wäre gespoilert. Zur Storyline vielleicht ganz grob: „Mad Max“ meets „Cloud Atlas“, literarisch auf höchstem Niveau inszeniert von einem depressiven Franzosen mit Gitanes.

5.) Bret Easton Ellis: American Psycho

Moritz Bleibtreu wäre als Sprecher nicht meine erste Wahl gewesen, macht aber einen ganz soliden Job. Auch hier gilt: Im Vergleich zum Film nicht dasselbe Spiel. Wenn Patrick Bateman sein sadistisches Blutgericht über die nervige New Yorker Upperclass Gesellschaft hält und es am Ende aber auch für ihn -NO Exit- gibt, lässt sich eine Reminiszenz zu Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ erahnen. Da hat es am Ende fast schon etwas Erlösendes, wenn nach einem mehrseitigen Monolog über Trüffelpastete und Nouvelle Cuisine die Axt endlich in den Schädel des Wall-Street-Bänkers kracht. Im Hinblick auf den aktuellen Selbstoptimierungs- und Geltungsdrang vielleicht aktueller als in den achtziger Jahren.

6.) Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt

Obwohl ich für das Oeuvre von Kehlmann sonst nicht zu begeistern bin, ist „Die Vermessung der Welt“ eine tolle Nummer. Sprich: Welthit… und das völlig zurecht. Glücklicherweise hat es der Autor nicht selbst eingelesen, denn das hätte mein Hörvergnügen massiv geschmälert. Zur Story: Hier treffen die doku-fiktionale Biografien von Mathegenie Carl Friedrich Gauß und Naturnerd Alexander von Humboldt aufeinander und gipfeln in einem persönlichen Treffen, dass die Beiden im Greisenalter zusammenführt. Dank dem zehnjährigen Gauß weiß ich jetzt, wie man alle Zahlen von 1 bis 99 problemlos im Kopf zusammenzählen kann und das wiederum ist ein publikumswirksamer Prank für den Besserwisser auf jeder langweiligen Studenten-Party. Ausgenommen natürlich, er weiß es auch.

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