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Design Fashion People 7. Mai 2024

Inspired by canvasco und Sebastian Raphael

Seit über 20 Jahren gibt es mittlerweile die zeitlosen Taschen von canvasco mit ihren markanten breiten Tragegurten. Handgefertigt werden sie nach wie vor in Bremen aus recyceltem Segeltuch. Derzeit erlebt die Kulttasche aus Vechta ihr Revival. Nicht zuletzt wegen der neuen Kreativdirektion von Sebastian Raphael.

Was war die Mission von Jan-Marc Stührmann, als er im Jahr 2002 mit canvasco durchstartete?

Die Idee zu canvasco kam spontan. Jan-Marc hatte mit zwei Freunden ein Büro für Gestaltung gegründet. Als es darum ging, eine Segelzeitschrift zu relaunchen, haben sie zum Treffen auf einem Boot die neu gestaltete Zeitung in eine Art Segeltuchumschlag mitgenommen. Diese Segeltasche kam sehr gut an. Ihm ging und geht es bis heute darum, Unikate aus einem Stoff zu fertigen, welches zu 100% recycelt wird. Und da jedes Segeltuch durch Abnutzung und Beanspruchung ein wirkliches Unikat ist, finde ich die Idee bis heute genial.

Nachhaltigkeit mit einem gemeinnützigen Zweck zu verbinden war von Anfang an ein zentrales Thema. Damals wurden die Tasche in der Justizvollzugsanstalt für Frauen hergestellt, ist das heute noch immer der Fall und was bedeutet Nachhaltigkeit bei canvasco konkret?

Canvasco ist auf zwei Arten sehr nachhaltig. Zum Einen, wenn es darum geht, wie die Taschen gefertigt werden. Die Taschen werden bis heute in der Justizvollzugsanstalt in Vechta genäht. Wir sind deshalb so stolz drauf, weil es schon so lange so gut funktioniert. Die Auswahl, welche Gurtfarbe mit welchem Segeltuch vernäht wird, treffen die Frauen vor Ort, die die Tasche zusammennähen. Die Frauen entscheiden also auch kreativ mit und das funktioniert. Ich war völlig sprachlos, als ich das vor Ort zum ersten Mal gesehen habe.

Es funktioniert tatsächlich, das habe ich noch nie auf der Welt gesehen. Das ist natürlich auch für die Insassen ein Grund, stolz auf sich zu sein. Und zum anderen ist es nachhaltig, wenn es darum geht, wo und aus welchem Material die Taschen gefertigt werden. Unser Büro ist in Bremen, die Fertigung in Vechta, das Segeltuch kommt von der Küste, die Verpackung, sowie alle Einzelteile der Tasche kommen aus einem Umkreis von 100 Kilometer. Das ist einmalig für ein Unternehmen, was schon so viele Taschen in den vergangenen 20 Jahren verkauft hat.

Du bist Kreativ-Direktor bei canvasco. Wie hat sich der Design-Ansatz dadurch verändert?

Ich bin mit der Marke aufgewachsen. Als ich zur Schule ging, haben meine Mitschüler die Taschen geliebt. Mit den Jahren ist auch die Zielgruppe erwachsener geworden. Ich verspüre eine sehr große Verbundenheit mit der Marke. Ich habe damals mit 15 Jahren erste Aufträge von canvasco bekommen für die Marke Fotos zu machen. Ich habe mich das erste Mal wertgeschätzt gefühlt in meiner künstlerischen Tätigkeit und das haben andere gesehen.

Das war für mich das Größte. Ich spüre eine echte Liebe zur Marke. Sie hat so ein riesiges Potential und ich will dafür sorgen, dass canvasco dieses Potential voll ausschöpfen kann. Im Klartext soll das heißen, dass der Kern der Marke und gewisse Designaspekte der Modelle beibehalten werden sollen, aber man soll auch erkennen, dass die Marke sich weiterentwickelt hat. Ein erster Schritt war auf eines der beiden Logos zu verzichten und das vorhandene Logo zu vergrößern.

Es entstand schnell ein cleanerer und moderner Look. Manchmal sind es nur kleine Dinge, die eine große Wirkung haben. Die Leute tragen heute andere Größen, Formen und Farben. Es soll Spaß machen eine canvasco Tasche zu tragen und sich für ein Modell zu begeistern. Diese Begeisterung will ich wieder herstellen. Aus diesem Grund soll es also auch neue Taschenmodelle geben, die diese Kriterien erfüllen. Daran arbeiten wir aktuell und es macht mir extrem viel Freude. 

© Philipp Köhler

Ich stelle es mir sehr schwierig vor, die Kreativ-Direktion eines etablierten Unternehmens zu übernehmen und dabei allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Was waren bisher deine größten Herausforderungen?

Es ist wahnsinnig schwierig. Ich würde sogar behaupten, dass es unmöglich ist, allen Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht zu werden. Meine größte Aufgabe besteht also darin, Vertrauen aufzubauen und die Schritte behutsam durchzuführen. Ich denke, dass es wichtig ist, dass sich die Marke verändert aber in einem Tempo, das für alle verträglich ist.

Wir haben das Erscheinungsbild der Homepage komplett geändert, dann die Taschen leicht modifiziert, mittlerweile haben wir schon zwei neue Modelle rausgebracht. Es funktioniert alles super, aber es braucht eben Zeit. Dass wir uns diese Zeit hier nehmen, gibt mir ein unglaublich gutes Gefühl.

Wie findest du Inspiration für deine Designs und welches Modell ist dein persönlicher Favorit?

Ich bin gerne unterwegs und bin generell neugierig. Mich interessiert Mode und ich lese alles mögliche, schaue mir gerne alte Bücher und Gemälde an. Ich schaue extrem viele Filme und träume gerne. Da verschwimmen häufig alle Eindrücke und mischen sich in meinem Kopf neu zusammen. Ich versuche auch, dass mir sehr langweilig wird, indem ich alles weglege, was mich ablenken kann, dann bekomme ich gute Ideen. So entstand auch eine neue Tasche.

Die canvasco Go. Ich finde die hat eine super Größe und sie sieht cool aus. Ich habe sie nur in den Farbkombis gemacht, die mir wirklich gut gefallen. Das Ziel war eine Tasche zu machen, wo ich jede Farbkombi gnadenlos gut finde und mich im Prinzip nicht entscheiden kann.

© Philipp Köhler

Die Taschen bei canvasco werden aus recyceltem Segeltuch hergestellt. Was macht dieses Material so einzigartig?

Segeltuch verliert irgendwann seine Statik und muss deshalb ausgetauscht werden. Es ist außerordentlich robust und nimmt keinerlei Gerüche an. Außerdem kann man das Segeltuch und auch unsere Taschen in der Waschmaschine waschen. Ich habe mir mal eine sehr teure Tasche gekauft und am ersten Tag ist mir meine Thermoskanne mit Kaffee darin ausgelaufen. Man konnte die Tasche nicht waschen, das Teil war also hinüber. Das passiert mir zum Glück mit einer Segeltasche nicht.

Die Taschen und Accessories sind bisher nur im Onlineshop erhältlich. Plant ihr physische Stores und welche weiteren Ziele verfolgt ihr mit canvasco?

Wir haben auch ausgewählte Läden, in denen Teile unseres Angebots ausgestellt und verkauft werden. Ich würde wahnsinnig gerne einen Store in Berlin eröffnen. Aber bis dahin habe ich noch einiges vor, damit das auch wirklich Sinn macht. Ich reise häufig nach Kalifornien, insbesondere nach Los Angeles. Die Begeisterung für deutsche Marken ist dort riesig.

Mein Traum ist es eines Tages eine Tasche in einem der bunten Läden der Abbot Kinney kaufen zu können. Es gibt so viele coole deutsche Marken, die im Ausland sehr gut ankommen und ich finde es toll, wenn wir uns da einreihen könnten. Da sind wir wieder beim Potential, dass ich gerne entfesseln möchte für die Marke. Wir bringen bald sogar einen 3D Konfigurator online mit dem man seine eigene Tasche zusammenstellen kann.

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