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Personal Ressourcen 15. Mai 2018

Das Ko-Dorf: urbanes Leben und Arbeiten auf dem Land

Eine Gruppe aus Architekten, Handwerkern und anderen Kreativen sucht nach einer Gastgeber-Gemeinde für das erste KoDorf – dem Ort für ein neues Lebensmodell

Das Schöne am stadtplanerischen Totalversagen: Es wurde dazu schon so viel von so viel klügeren Menschen geschrieben, dass ich mir Zeilen und euch Zeit sparen kann. Wer in einer Großstadt lebt braucht nur den Kopf aus dem Fenster strecken und sieht sie sehr wahrscheinlich mit eigenen Augen: Die Plattenbauten von morgen – lieblose Investorenarchitektur, die wie Mittelfinger ins Stadtbild ragen. Der Architekturkritiker Niklas Maak nennt diese Neubausiedlungen „begehbare Anlagedepots“, was etwas gewählter ausgedrückt wohl dasselbe meint.

Die Stadt ist autogerecht, sie ist investorengerecht, aber menschengerecht wird sie immer weniger. Wo also bleibt die Stadtflucht? Was hält die Menschen in dem Moloch, unter dem sie leiden? Die naheliegende Antwort: Die Stadt ist nicht nur freie Wahl, sie ist Notwendigkeit. Hier sind die Arbeitsplätze, hier sind die Freunde, hier ist Bildung, hier ist Kultur, hier ist Gemeinschaft, hier ist ein Lebensstil zu Hause, den selbst diejenigen nicht ablegen können, die es in vielen Momenten eigentlich gerne würden. Aber vielleicht ist auch die Frage falsch gestellt? Vielleicht müssen wir uns gar nicht mehr entscheiden zwischen Stadt und Land. Tatsächlich haben wir seit wenigen Jahren fast überall in Deutschland die Voraussetzungen für urbanes Leben.

Alleine um Berlin sind laut „Kreativorte Brandenburg“ in den letzten Jahren über ein Dutzend Coworking-Spaces im ländlichen Raum entstanden. Sie locken Freelancer und Firmen für ein paar Tage in die Provinz. Ihr Wachstum beweist, dass es einen Bedarf gibt für ein anderes Leben.

Kuhdorf? Ko-Dorf!

Als dauerhafte Alternative zum Stadtleben sind diese Orte jedoch ungeeignet. Dafür braucht es andere Strukturen: Ko-Dörfer. Ko-Dörfer bestehen aus 50 bis 150 kleinen Häusern und einigen größeren Gemeinschaftsgebäuden. Dies können sein: Coworking Spaces, Kinos, Seminarräume, Bars und Restaurants — kurzum: Alles, was Großstädter in der Stadt hält.
Ziel kann dabei nicht sein, die Großtstadt zu kopieren. Ko-Dörfer sind nicht als fester Wohnsitz gedacht. Ihr Potenzial entfalten sie als Komplementär zur Stadt. Sie stehen für einen neuen Lebensstil, der das beste beider Welten verbindet und nicht zu Entweder-Oder-Fragen zwingt. Viele Menschen leben auch beruflich in verschiedenen Welten. Insbesondere Digitalarbeiter müssen nicht mehr täglich ins Büro, aber wenn sie die Stadt dauerhaft verlassen, verlassen sie damit auch ihr berufliches und soziales Netzwerk. Nachhaltig ist das nicht.

Mehr als Coworking und Coliving auf dem Land

Ko-Dörfer gehen somit weit über die Trendthemen Coworking und Coliving hinaus. Sie ebenen den Weg für einen Lebensstil, der auf breiter Basis populär werden könnte, wenn sich neue, flexiblere und ortsunabhängigere Arbeitsmodelle durchsetzen. Durch die Mischung aus privatem Rückzugsort im eigenen Haus und niedrigschwelligen Zugang zur Gemeinschaft, bleibt es den Bewohnern selbst überlassen, wie sie ihre Zeit auf dem Land nutzen wollen. Konzentriertes Arbeiten ist so im eigenen Garten ebenso möglich wie im Coworking Space. Kochen kann man am eigenen Herd oder gemeinsam mit anderen in der Gemeinschaftsküche. Eine App macht es möglich, diese und ähnliche Aktivitäten zu koordinieren und Räume zu buchen. Gemeinschaft ist so immer nur Möglichkeit, nie Zwang. Dennoch steht sie im Mittelpunkt denn in einer Gesellschaft die sich immer weiter vereinzelt, gewinnt Gemeinschaft neu an Wert. Ko-Dörfer ermöglichen dabei moderne, fluide Formen der Gemeinschaft. Durch die sich ständig verändernde Bewohnerschaft, begegnen einem bei jedem Besuch neue Gesichter. Umgekehrt: Wer mal für einige Tage wieder alle Freundinnen und Freunde um sich versammeln möchte, mietet einfach mehrere Häuser und verwandelt das Dorf in sein Dorf.

Urbanes Leben auf dem Land — das Beste beider Welten

Ein kleines Haus im Ko-Dorf ist dabei auch für Durchschnittsverdiener erschwinglich. Die kleinen Häuser kosten einmalig rund 100.000€ und lassen sich bequem durch die Vermietung finanzieren. Wer kein Geld hat für den Kauf, kann so als Mieter zum Ko-Dörfler auf Zeit werden. Um das Vermietungsmanagement und die Pflege der Gemeinschaftsflächen und –gebäude kümmert sich zentral eine Genossenschaft. Durch die Mischung aus Privatbesitz (die Häuser) und Genossenschaft (das Grundstück) wird Spekulation verhindert. Eigentümer können ihre Häuser jedoch jederzeit zu frei verhandelbaren Preisen verkaufen. Niemand wird in Strukturen festgehalten, die nicht passen. Überhaupt geht es bei diesem Experiment darum, Freiheiten zu schaffen und nicht den Verzicht einzufordern: größere finanzielle Unabhängigkeit durch die Vermietung, leichteren Zugang zu anderen Menschen, ein freier Wechsel zwischen den Möglichkeiten der Stadt und der Erholung auf dem Land.

Für einen nachhaltigeres Stadt- und Landleben

Die Hoffnung ist natürlich, dass Ko-Dörfer trotzdem zu einem nachhaltigeren Umgang mit unserem Wohnraum beitragen. Wer nicht mehr sein komplettes Leben in der Stadt verbringt, kommt dort auch mit weniger Platz aus. Ohnehin werden wir in einigen Jahren rückblickend den Kopf schütteln über unseren verschwenderischen Umgang mit Wohnfläche. So wie dies heute schon viele Leute beim Gedanken an ein eigenes Auto tun (das die meiste Zeit ungenutzt rumsteht und der Stadt Platz raubt). Umgekehrt beleben Ko-Dörfer die ländliche Region. Sie schaffen Arbeitsplätze und bereichern das kulturelle und gastronomische Angebot vor Ort. Sie sind aber bewusst in Alleinlage angesiedelt um sich nicht als Fremdkörper in bestehende Strukturen zu drängen. Sie stehen allen offen, zwingen sich aber niemandem auf.

Überhaupt haben Ko-Dörfer nur dort eine Zukunft, wo sie ausdrücklich erwünscht sind. Ko-Dörfer definieren sich über offene Strukturen, durch Einheit in der Vielfalt. Gemeinden, die sich darin wiederfinden: Fühlt euch angesprochen. Ein Team aus erfahrenen Architekten, Handwerkern und anderen Kreativen wartet nur auf den Startschuss. Schon jetzt gibt es genug Interessenten, um mehrere Ko-Dörfer mit Leben zu füllen.

Die Zeit für diese Idee ist reif und daher denken wir groß. Wir möchten uns nicht mit einem Ort begnügen, wir träumen davon, eine Bewegung zu starten und an verschiedenen Orten damit zu beginnen, wieder für Menschen zu bauen und zu planen. Nicht für Autos. Nicht für Investoren. Aber irgendwo müssen wir anfangen und dafür brauchen wir eure Hilfe, liebe Gemeinden. Lasst uns gemeinsam Zukunft gestalten.

Wer informiert bleiben möchte, kann sich hier eintragen, uns auf Twitter folgen sowie unsere Webseite besuchen. Für interessierte Gemeinden, die sich direkt mit dem leitenden Architekten Patric Meier in Verbindung setzen wollen, einfach hier klicken.

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