Man klingelt. Und wartet. Die barocke Fassade verrät nichts, die verschlossene Tür erst recht nicht. Dann öffnet sich die Haustür an der Damenstiftstraße 16, und man tritt ein in eine Welt, die sich jeder Kategorisierung widersetzt. Das Münchner Kindl ist kein Hotel im klassischen Sinne. Es ist eine Wunderkammer, ein Privathaus, ein Kunstraum. Alles auf einmal.

Christine Hütter-Bonan, die Gestalterin dieses außergewöhnlichen Gästehauses, hat München nicht einfach interpretiert, sondern neu zusammengesetzt. Wie in einem Kaleidoskop fügen sich hier die italienischen Visionen König Ludwigs I., die kühnen Farben des Blauen Reiters, die Exzentrik Ludwigs II., die Schickeria der Siebziger und die Street-Art-Ästhetik der frühen 2000er zu etwas zusammen, das man am ehesten als „Contemporary Bavarian Flair“ bezeichnen könnte. Ein Begriff, den Hütter-Bonan selbst geprägt hat, weil es für das, was hier entstanden ist, schlicht keine passende Bezeichnung gab.

Die 16 Räume des Hauses: sechs Zimmer und zehn Apartment-Suiten sind keine Hotelzimmer im herkömmlichen Sinn. Sie sind Interieurs mit Persönlichkeit, jeder mit eigener Farbdramaturgie, eigenem Rhythmus. Die Emerald Canopy Suite in Grün- und Blautönen mit ihrem Onyx-Marmorbad. Das Penthouse Atelier in warmen Orange- und Brauntönen, mit einer Badewanne unterm Dachfenster. Die Prestige Rooms mit ihren Graffiti-Fresken an den Decken, die an die Street-Art-Hochburg München erinnern. Jedes Detail, vom Teppich mit den Gartenpavillons des Nymphenburger Schlosses bis zu den Nachttischlampen mit Schwarzhalskranichfiguren wurde von Hütter-Bonan entworfen und von italienischen Manufakturen gefertigt.

Man landet nicht an einer Rezeption, sondern an der Hausbar. Erdem, „Guest Experience Host“ im Hotel Münchner Kindl, empfängt seine Gäste mit einem Kir Royal, organisiert Theaterkarten, private Kochkurse oder auch mal einen Privatchauffeur nach Salzburg. Das Prinzip lautet: Privatsphäre, wo sie gewünscht wird, und Geselligkeit, wo sie passt: in der Lounge, an der Kitchen Bar, auf der Dachterrasse, auf der demnächst eine Sauna und Jacuzzi genutzt werden kann.
Morgens wird kein Buffet aufgebaut, sondern ein Vitalfrühstück auf einer Etagere serviert: mit Bircher Müsli, regionaler Wurst und Käse, Krabbencocktail und Wurstsalat. Die Brezen kommen von Julius Brantner gegenüber. Luxus ist hier keine Überladenheit, sondern Präzision und Sorgfalt.
Das Münchner Kindl liegt im Hackenviertel, nur wenige Schritte vom Marienplatz entfernt. Doch wer hier eincheckt, betritt kein austauschbares Stadthotel, sondern ein Refugium mit Haltung. Ein Haus, das München nicht als Kulisse benutzt, sondern als Essenz. Und das ist selten genug, um bemerkenswert zu sein.

Es ist diese Atmosphäre eines englischen Privatclubs, die das Münchner Kindl so besonders macht: die verschlossene Haustür, die Intimität der Räume, die selbstverständliche Diskretion. Und außerdem ein Paradebeispiel dafür, wie Stadthotels heute funktionieren können: nicht als anonyme Übernachtungsorte, sondern als Orte mit Charakter, Haltung und einer klaren Vorstellung davon, wer man ist.






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