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Kunst Musik Österreich 9. Februar 2016

Begegnungen mit Peter Androsch

“Ge, wie meinens jetzt dös”, fragte der Künstler in charmant österreichischer Mundart. Ich hatte das Wort „Stratigraphie“ gesagt und stand dabei neben Künstler und Komponisten Peter Androsch, der an diesem Abend in der Schwabinger Galerie KUNSTKLANG seine Bilder präsentierte. Archäologen bezeichnen mit diesem Begriff die Aufeinanderfolge verschiedener Erdschichten, mit deren Hilfe sich darin entdeckte Objekte datieren lassen. Anders aber als die Altertumsforscher, die Schicht für Schicht abtragen, trägt sie der in Linz lebende Künstler und Träger des Landeskulturpreis der Oberösterreichischen Landesregierung auf seine Bilder auf. Dafür verwendet er handschriftliche Partituren seines musikalischen Werks, das er im litho- oder serigraphischen Verfahren zu sogenannten Phonographien – also Klang(auf)zeichnungen – verdichtet. Seit einiger Zeit entstehen die Klangbilder aber auch nach Handschriften anderer Komponisten und Künstler wie Bruckner, Mozart, Schönberg und Wagner u.a.

Künstler und Werk: Peter Androsch vor seinen Phonographien
Künstler und Werk: Peter Androsch vor seinen Phonographien (Foto: Florian Schwarz)

Wie kamen Sie auf die Klangbilder, Herr Androsch?

Die Phonographien haben sich aus der intensiven handschriftlichen Arbeit an meinen Partituren ergeben. Das Schreiben „an sich“ bekam als kreativer Akt irgendwann eine eigene Energie. Die Schrift als persönlichste Mitteilung des Menschen ist faszinierend für mich. Sie bildet eigentlich den Menschheitskosmos. Aus ihm sind wir, in ihm leben wir: als Per-sonen (Durch-klinger) in der Schrift.

Klänge sind Schall und Rauch – welche Rolle spielt die Vergänglichkeit in Ihrem Werk?

Die Vergänglichkeit spielt eine große Rolle. Das Ephemere macht die Musik wohl auch zur „nobelsten“ der Künste. So wie die Partitur ist die Phonographie eine Topographie der Utopie, – also eine Ortsbeschreibung, eine Landkarte zu einem – oder von einem – Nicht-Ort, dem entschwindenden Klang.

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Foto: Florian Schwarz

Was hat es mit Ihren „Linzer Schriften“ auf sich? Welche Rolle spielt diese Stadt für Ihr Leben und Ihre Arbeit?

Ein großer Schritt in meiner phonographischen Arbeit war, jede Handschrift, also nicht nur „musikalische“, als Phonographie, Klang-Schreibung zu begreifen. Warum? Jeder Mensch lernt Sprache durch Nachahmung der Sprache der anderen. Diese Klangbilder hat er im Kopf, wenn er später die Schrift lernt. Denn dann ordnet er die Klangbilder im Kopf den neuen Schriftbildern zu. So gesehen ist Lesen und Denken ein akustischer Vorgang. Die „Linzer Schriften“ arbeiten mit Handschriften von Menschen aus meiner Heimatstadt, die etwas Positives, Widerständiges auszeichnet. Darin ist das eminent Politische meiner Arbeit gut erkennbar, die Dario Fo frei folgt: Je provinzieller Theater, desto kosmopolitischer ist es.

Peter Androschs Phonographien lassen sich noch bis zum 19.02.2016 in der Galerie KUNSTKLANG in München sehen. Öffnungszeiten Mi – Fr: 15.00 – 18.00 Uhr.

Ab 11. 6. 2016 widmet das Historische Museum Regensburg dem Künstler eine umfassende mehrmonatige Personale.

Zu Peter Androsch

Peter Androsch ist 1963 in Wels (Österreich) geboren und widmete sich nach diversen Ausbildungen, Arbeits- und Studienaufenthalten und Tourneen in Europa, Afrika und den USA seit den 1990er Jahren intensiv der kompositorischen Tätigkeit in den Feldern Musiktheater, Multimedia, Orchester, Kammermusik, Chor, Elektroakustik, Bühnen-, Filmmusik (z.B. „Hasenjagd“). Zahlreiche Veröffentlichungen und Auszeichnungen begleiten seine Arbeit wie der Oberösterreichische Landeskulturpreis 2000 oder die Nominierung zum deutschen Bühnenkunstpreis „Faust“ mit der Kinderoper „Freunde!“ an der Staatsoper Hannover 2012, oder der Preis der Jury des San Sebastian Film Festivals. Seit 2003 ist Peter Androsch Lehrbeauftragter an der Universität für Gestaltung in Linz. Am 5. 3. 2016 hat sein neuestes Musiktheater „Marx Eins“ (gemeinsam mit Peer Ripberger) am Theater Trier Uraufführung.

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