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Deutschland Europa Feuilleton Film 6. Dezember 2015

11 Fragen an Alexander Jaschik und Jordanis Orfanidis

Brot und Oliven. Eine einfache Mischung, dennoch unschlagbar gut. Besonders wenn die Oliven aus Griechenland kommen. Das Brot kann dann auch schon mal ein deutsches sein. Ähnlich verhält es sich mit den Regisseuren des gleichnamigen Films Brot & Oliven, Alexander Jaschik und Jordanis Orfanidis, die mit Griechenland und Deutschland zwei unterschiedliche Länder ihre Heimat nennen. Ihr Kurzfilm handelt von den zwei unterschiedlichen Brüdern Leonidas und Vangelis, die ihre Heimat Athen wegen der griechischen Finanzkrise verlassen. Gemeinsam mit der Mama machen sie sich auf nach München, um dort den berühmt berüchtigten Onkel Giannis in dessen angeblich sehr gut laufendem Restaurant zu unterstützen. Endlich angekommen, werden sie allerdings schnell mit der Realität konfrontiert…

Der BR zeigt Alex und Jordanis Film zum ersten Mal im deutschen Fernsehen im Rahmen der Kurzfilm-Nacht am Mittwoch, 9. Dezember. Mit uns sprachen sie über ihr gemeinsames Projekt – ganz stilecht bei Ouzo und einem leckeren, griechischen Vorspeisenteller.

Die Filmemacher Alexander Jaschik (li.) und Jordanis Orfanidis (c) Tobias Pollok
Die Filmemacher Alexander Jaschik (li.) und Jordanis Orfanidis (c) Tobias Pollok

Raki oder Ouzo?

Jordanis: Raki

Alex: Ouzo

ARTHAUS oder Hollywood

Beide: ARTHAUS

Panathinaikos oder Olympiakos Piräus

Beide: AEK!

Großer Bruder Leonidas: Antonis Karistinos ist einer der bekanntesten Schauspieler Griechenlands
Großer Bruder Leonidas im Briefing mit Regisseur Jaschik: Antonis Karistinos ist einer der bekanntesten Schauspieler Griechenlands (c) Tobias Pollok

Euer aktueller Film heißt „Brot & Oliven“. Ein recht einfacher Titel für ein komplexes Thema, was steckt dahinter?

Alex: In dem Film spielt Dualität eine große Rolle: es geht um die zwei Länder Deutschland und Griechenland, zwei Brüder, zwei unterschiedliche Meinungen sowie mit uns zwei Regisseure, die aus verschiedenen Ländern stammen. Als Danis Mutter mit dem Titel dann spontan um die Ecke kam, fanden wir das perfekt.

Jordanis: Da steckt auch ein griechisches Sprichwort darin: Mit Brot und Oliven klar kommen. Dahinter verbirgt sich, dass man im Leben mit ganz wenig auskommt. Und sind wir ehrlich: ein gutes Stück Brot und frische Oliven, was gibt es besseres?

Griechenland und Deutschland – in 2015 war das ja eine eher komplizierte Geschichte. Wie kamt ihr auf die Idee, dort einen Film zu drehen?

Jordanis: Ursprünglich sollte das eine Dokumentation werden. Denn ich lernte wirklich drei Griechen aus Salamina kennen, die ähnlich wie unsere Filmhelden sich mit Sack und Pack und nur in einem kleinen Auto auf dem Weg nach Deutschland machten, um dort eine bessere Zukunft zu suchen. Aus der Dokumentation über die drei wurde dann aber nichts, da sie ehe wir fertig waren, über Nacht verschwunden waren. So beschloss ich, die Geschichte zu fiktionalisieren. Dann kam Alex dazu und es ging mit dem Drehbuch los.

Ihr beide lebt ja auch in Griechenland. War das auch ein Grund, der euch dazu bewegt hat, sich mit Griechenland und seinen Menschen zu beschäftigen?

Alex: Auf jeden Fall. Meine Entscheidung von München nach Griechenland zu ziehen, kam aber erst nach dem Film. Das erste Mal war ich dort zum Dreh in Athen. Das war eine tolle Zeit. Neben all der Historie und Kultur ist Athen eine wahnsinnig kreative Stadt, die einem auch als Künstler viel Gestaltungsspielraum lässt. So entstand dort auch die Idee zu meinem aktuellen Fotoprojekt Small Stories of Athens, bei dem ich unterschiedliche Menschen und ihre Geschichten porträtiere. Und nicht zuletzt gefallen mir auch die griechischen Frauen ganz gut. So lag für uns die Entscheidung zum Dreh in Athen von Anfang an nahe, auch wenn man uns von mehreren Seiten beispielsweise aus Kostengründen davon abgeraten hatte. Ein Dreh an einem ähnlichen Ort, etwa am Gardasee, kam für uns aber aus Authentizitätsgründen nicht in Frage. So kratzten wir unser ganzes Geld zusammen, um dort drehen zu können. Und das hat sich absolut gelohnt.

Willkommen in Bayern (Filmszene aus "Brot & Oliven")
Willkommen in Bayern (Filmszene aus „Brot & Oliven“)

Die Medien waren ja zu dieser Zeit voll von Nachrichten, die Griechenland nicht unbedingt zum Reiseziel Nummer 1 gemacht haben. Hattet ihr irgendwelche Bedenken, als ihr dort hingefahren seid?

Alex: Da ich vorher noch nie in Griechenland war, muss ich zugeben, dass die Bilder in den Medien, etwa von verbrannten Merkel-Plakaten auf Demonstrationen, schon eher einen beunruhigenden Eindruck auf mich hatten und ich fürchtete, dass man als Deutscher dort aktuell nicht wirklich willkommen ist. Als ich dort war, war das aber ganz anders – denn die Griechen können wie jeder andere auch zwischen Politik und mir als deutschen Bürger differenzieren. Für mich war das auch ein gutes Beispiel dafür, wie verzerrt die Bilder oft sein können, welche uns die Medien täglich liefern. Diese sind ja meist nur ein kleiner und punktueller Ausschnitt aus einem wesentlich komplexeren Zusammenhang.

Ihr seid als junge Filmschaffende ein gutes Beispiel für Deutschlands kreativen Nachwuchs. Was bietet euch Athen in dieser Hinsicht?

Jordanis: Viel mehr Freiheit. Das drückt sich auch im Stadtbild und an den Wänden der Häuser aus. So ist es hier beispielsweise kein Thema verlassene Gebäude für Street Art oder Graffiti zu nutzen. Da sind die Künstler tagsüber mit Leiter und Spraydose unterwegs. Das wirkt sich natürlich auch auf die künstlerische Qualität der Arbeiten aus, da nicht in der Illegalität der Nacht und unter Zeitdruck gemalt werden muss. Hinzu kommt, dass die Leute dort sehr offen sind. Man kommt sehr leicht mit Leuten ins Gespräch und kann daraus sehr viel Inspiration ziehen. Das ist für uns als Geschichtenerzähler natürlich besonders reizvoll.

Alex: Das stimmt. Wir lernen in Athen jeden Tag mindestens einen interessanten oder kreativen Menschen kennen. So hat sich mittlerweile unser Netzwerk an Filmemachern, Künstlern und Designern ganz schön vergrößert, was auch daran liegt, dass wir mit „Brot & Oliven“ auf dem ein oder anderen griechischen Film-Festival waren. Ich hatte dann oft den Eindruck, dass die Leute in Griechenland vielleicht einfach mehr zu erzählen haben als in Deutschland. Bei manchen von ihnen denke ich mir leider auch oft, dass sie dort wo ich herkomme, bestimmt schon erfolgreiche Künstler wären, die von ihrer Kunst auch leben können. Wegen der Krise sieht es aber in Griechenland aktuell ganz anders aus. So wurden beispielsweise die Subventionen für Kunst und Kultur als erstes eingespart.

Beim Dreh: Alex und Iordanis im Gespräch mit Vangelis-Darsteller Anastasis Kolovos (ganz links)
Beim Dreh: Die Filmemacher im Gespräch mit Vangelis-Darsteller Anastasis Kolovos (links im Bild) (c) Tobias Pollock

Ihr spracht von griechischen Film-Festivals. Wie kam „Brot & Oliven“ dort an?

Jordanis: Die Krise merkt man natürlich auch den Filmen an. Sowohl inhaltlich als auch auf Produktionsebene. Da sieht man dann schon recht schnell wer Geld hatte und wer nicht. Wir hatten ja sogar den Luxus einer eigenen Produktionsfirma. Mit Blick auf Themen und Dramaturgie waren die meisten der Filme, die wir gesehen haben aber trotzdem sehr hochwertig und erstklassig erzählt.

Alex: Unser Film war auch einer der wenigen Komödien dort, was verständlich ist, wenn man die Probleme dort sieht. So sind auch die Filme dort aktuell von einem ernsten Grundton bestimmt. Wir haben aber auch nicht das Feedback bekommen, dass wir vielleicht zu naiv an das ernste Thema der Heimatflucht herangegangen sind. Im Gegenteil: Die meisten freuten sich über die optimistische Herangehensweise und fanden das positive Lebensgefühl des Südens gut eingefangen und auf eine ernste Situation übertragen. Das war neben dem Plan, einen unterhaltsamen Film zu machen, der Spaß macht und bei dem die Zuschauer einfach eine gute Zeit haben, auch unser Ziel. Wir wollten damit auch ein Gegenbild zu der damaligen medialen Situation liefern, in der der Eindruck entstanden sein könnte, dass Deutschland und Griechenland Feinde sind. Das ist nicht so – und diesem Vorurteil wollten wir mit unserer Geschichte auch entgegenwirken.

„Brot & Oliven“ ist bisher euer längster und aufwändigster Film. Dazu kommt, dass ihr mit Antonis Kafetzopoulos und Antonis Karistinos einige der bekanntesten griechischen Schauspieler verpflichten konntet. Welchen Herausforderungen musstet ihr euch beim Dreh stellen?

Jordanis: Der Film hat uns sowohl auf technischer als auch auf dramaturgischer Ebene immer wieder vor eine Reihe von Herausforderungen gestellt. So war die Szene, die das erste Treffen der beiden Brüder mit ihrem Onkel zeigt, echt schwierig einzufangen. Dabei handelte es sich um eine zweiminütige Plansequenz mit Steady-Cam-Fahrt – alles ohne Schnitt. Dafür brauchten wir 15 Takes. Dabei unterlief uns ein Fehler – und wir mussten alles wieder von vorne machen. Hinzu kam, dass die Szene auch noch nachts spielte, was für alle Beteiligten besonders anspruchsvoll war.

Alex: Auch die Arbeit mit den Schauspielern war nicht ohne. So standen wir generell vor der Herausforderung unseren Darstellern, die in ihrer Heimat bekannte Film- und Serien-Stars sind, mit unserer Story und ihrer Rolle darin gerecht zu werden. So gehört etwa Antonis Kafetzopoulos („Kleine Wunder in Athen“), der Onkel Giannis spielt, zu den Top-Schauspielern in Griechenland. Das ist dann schon beeindruckend, wenn man als junger Regisseur so ein Kaliber für seinen Film gewinnen kann. Wir machten uns aber auch lange Gedanken um die Mutter der Brüder, die von Domna Adamopoulou (in Deutschland bekannt aus der Lindenstraße) gespielt wurde. Sie hatte so gut wie keinen Text und wir machten uns Sorgen, ob wir einer so tollen Schauspielerin damit vielleicht unrechttun. Wenn wir heute den Film sehen, sind wir mit dieser Entscheidung aber sehr zufrieden. Domna setzte die Rolle perfekt um und wir bekamen schon häufiger das Feedback, dass sie damit den Typus der griechischen Mutter authentisch verkörpere. Auch wenn wir mit jedem einzelnen Darsteller unseres Films überglücklich sind – neben dem authentisch grantigen Onkel Giannis ist sie für uns der heimliche Star des Films.

Und die Reise geht weiter - vielleicht mit einem Langfilm? (Szene aus "Brot & Oliven")
Und die Reise geht weiter – vielleicht sogar mit einem Langfilm (Filmszene aus „Brot & Oliven“)

Und der Film ist wirklich toll geworden. Worauf können wir uns als nächstes von euch freuen?

Danis: Wir hatten bereits sehr viel positives Feedback auf unseren Kurzfilm und Stimmen wurden laut, dass er auch großes Potenzial für einen Langfilm hätte. Das wäre natürlich großartig und wir würden unsere Geschichte gerne länger erzählen. Wer weiß. Auf jeden Fall möchte ich nochmal in Athen drehen. Von der Stadt selbst, sieht man ja in unserem aktuellen Film leider nur wenig. Das würde ich gerne in einer längeren Fassung nachholen. Athen ist so eine wunderbare und fotogene Stadt.

Alex: Auf jeden Fall ein Langfilm. Allerdings könnte ich mir den auch gut in Deutschland vorstellen. Ob eine längere Fassung von „Brot & Oliven“ oder etwas ganz anderes – ich bin für alles offen. Wir haben eine Reihe von filmischen Vorbildern, die von Richard Linklater bis Quentin Tarantino reichen. Beim Cast unseres Films hatten wir uns auch an den Charaktertypen der Filme von Fatih Akin orientiert. So hatten wir auch mal vor, die Rolle des Onkels mit Birol Ünel aus „Soul Kitchen“ zu besetzen. Aber die Genres, die uns begeistern sind sehr vielfältig. Zuletzt beeindruckt hat mich beispielsweise „Mad Max: Fury Road“. Der war einfach der Wahnsinn. Unser längerfristiges Ziel ist es, Filme zu machen, deren Inhalte uns begeistern und für die wir brennen. Filme zu machen, ohne Zeit und Gelddruck, das ist wohl das was sich jeder Filmemacher wünscht.

„Brot & Oliven“ ist eine deutsch-griechische Koproduktion der Pictures in a Frame UG, des Bayerischen Rundfunks, der MHMK München und der HCTSS Athen. Gefördert wurde das Projekt durch den FFF Bayern und den DAAD.

Filmposter "Brot & Oliven"
Filmposter „Brot & Oliven“

3 Kommentare

  1. Uhi, was für ein großartiger Film. Tausend Dank für den Tipp und das spannende Interview!

  2. Ray Dakindbond

    Es ist immer wieder interessant, wenn zwei Welten aufeinander treffen. Zu zusehen wie etwas neues dennoch Vertrautes entsteht.

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