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Best Of Personal 6. Juni 2017

Über das Schreiben, das Reisen, Blogs und inhaltliche Leere

Neulich, als ich in einem kleinen Café in der Hauptstadt Montenegros namens Podgorica saß, schoßen mir folgende Gedanken durch den Kopf. Einerseits, dass kroatischer Kaffee, wie man ihn in Montenegro trinkt, eine tolle Sache ist, andererseits, dass Schreiben der beste und schönste Beruf der Welt ist. Vermutlich verdrehen bereits jetzt einige Leser ihre Augen wegen dieser vagen Behauptung.

Meiner Meinung nach ist es so. Und wenn man sich so umschaut, egal ob im Internet auf unzähligen Blogs, Foren, User-generierten Nachrichtenseiten und was es da noch so alles gibt oder in den zahlreichen Bahnhofsbuchhandlungen, Bibliotheken und Kiosken dieser Welt, sieht man, wie viele etwas sagen wollen, etwas zu sagen haben oder bereits gesagt haben.

Wenn ich so recht überlege, gibt es doch einen Beruf, der noch schöner ist, als Schreiben. Nämlich übers Reisen zu schreiben. Denn dann, und das ist wahrlich großartig, ist man anders, als viele andere Schreibende, die ununterbrochen oder die meiste Zeit am selben Ort herumsitzen, in der Welt zu Hause. Nun hat sich in den letzten Jahren in der Medienwelt einiges geändert. So auch beispielsweise in der Reiseliteratur bzw. dem Reisejournalismus. Das Stichwort: Reiseblogs. Seltsamerweise genießen jene einen schlechten Ruf. Oft zu Recht. Es ist kaum zu glauben und auszuhalten, wie viele unzählige und tausende Artikel ohne jegliche Euphorie, schillernde Sprache und Stil auskommen: Da gibt es jene Schreiber, die Hauptsatz an Hauptsatz reihen und denen Rechtschreibung genauso wenig wichtig ist, wie ein Funken ihrer Authentizität. Zudem gibt es noch die Gruppe an Schreibern, die es vortrefflich hinbekommen, Belanglosigkeiten über mehrere Absätze hinweg aneinanderzureihen. Achja, und die Detailverliebten, die mit ganz und gar überflüssigen Details deprimieren. Oder jene, die gänzlich auf Text verzichten und sich viel lieber, als sich mal so richtig für ein Thema den Kopf zu zerbrechen, im Bikini, in kurzen Shorts, oberkörperfrei oder mit einem Cocktailglas (beliebig durch x-Gegenstände austauschbar) vor einer Landschaft, in einem Luxushotel oder wo auch immer ablichten lassen und ein paar oberflächliche Sätze hinrotzen, damit wenigstens die Mindestanzahl an Worten erreicht ist, um bei Google gefunden zu werden.

Immer, wenn ich aus Neugierde auf einer solchen Webseite lande, ärgere ich mich. Vor allem aus einem Grund: schon wieder unaufholbare Lebenszeit vergeudet. Und schon wieder der Beweis dafür, wieso ich verstehen kann, dass ausgebildete Redakteure nur mit den Augen rollen, wenn sie von Bloggern hören. Jedoch: nun gibt es einige Leser, die überhaupt nicht durch Sprache fasziniert werden wollen, gar berührt und sich schon gar nicht den Kopf zerbrechen wollen. Ich finde das zwar nicht gut, aber was habe ich schon zu sagen?  Auch ich bin nicht vollkommen, sogar weit entfernt davon. Wer bisher noch nicht aufgehört hat zu lesen, hat sicherlich bereits zum zweiten Mal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und sich Gedanken über einen Hasskommentar an mich gemacht.

Ich nippe an meinem Kaffee. Der Geschmack ist intensiv und stark. Intensiv ist auch immer eine Reise, die einen die Welt spüren lässt. Man widerfährt ein Leben, von dem andere vielleicht nicht wissen oder man es gar selbst nicht erwartet hat. Demnach, hat ein Reisender, so denke ich, immer den Wunsch, darüber zu berichten. Doch: Schreiben braucht Talent sowie Können. Denn Schreiben ist eine Kunst. Und nicht, weil der ein oder andere da draußen mitbekommen hat, dass man mit einem Reiseblog möglicherweise auf Pressereisen, zum Essen, in teure Hotels eingeladen werden kann und auch noch, sofern man clever genug ist, Geld damit verdient. Wesentlich schlimmer und meistens deutlich unreflektierter sind eigentlich nur noch Blogs und Publikationen, die um Mode und Beauty kreisen. Aber das ist ein anderes Thema…

Wir Leser wollen oder sollten doch vor allem eines wollen: Gedanken lesen, die uns inspirieren und uns zu Tränen rühren oder zum Lachen bringen. Uns Trost schenken sowie uns motivieren und uns in eine andere Welt entführen. Uns weiterbilden und unterhalten.

Nun: wer gibt mir das Recht so zu urteilen? Ich hatte es schon erwähnt und wiederhole mich: Natürlich niemand. Doch ein Blog lebt bekanntlich von seiner Meinung. Ich hätte dennoch einen Vorschlag: Selbstverständlich ist es toll für jeden Reisenden, ein Tagebuch zu führen. Sozusagen privat und nicht für die Welt bestimmt. Man darf schreiben, wie man will. Orthographie, Satzzeichen, Stil, alles scheiß egal. Aber eben für sich und nicht für die Allgemeinheit.

Glücklicherweise gibt es, wie eben immer im Leben, auch wahnsinnig begabte Schreiber. Jene, die mit Sprache jonglieren, als gäbe es nichts einfacheres. Jene, die mit Hilfe von Worten Gefühle auslösen und Bilder malen. Die das Gehörte und das Gesehene in Sprache übersetzen und uns somit an fremde Orte reisen lassen. Und uns beweisen, dass Qualität wichtiger ist, als eine nicht fassbare Zahl an Follower auf diversen Social Media Plattformen. Nun schrieb ich hier bereits, dass Schreiben Talent voraussetzt. Talent hingegen lässt sich nicht lernen, wenn man keines hat. Wenn man hingegen doch mit etwas Talent beschenkt wurde, muss man es trainieren und seine Sinne schärfen. Immer und wieder. Und lesen von anderen begabten Schreibern.

Immer, wenn ich von einer Reise nach Hause komme, ist mein Kopf von oben bis unten gefüllt mit Eindrücken. Doch nur einen Bruchteil schaffe ich in eine gelungene Geschichte zu packen, weil viele jener Eindrücke nicht mitteilenswert sind, Niemanden außer mich interessieren oder meine Geschichte unnötig versauen würden. Eine Sache aus dem Lateinunterricht habe ich bis heute nicht vergessen: Nämlich den Sinn von Sprache, wie ihn einst der Römische Dichter Horaz formulierte: „Geschriebene Sprache soll unterrichten, erfreuen und anrühren.“ 

Also liebe Mitblogger und Mitschreibende da draußen: Lasst uns unsere Leser mit unseren Worten verzaubern und begeistern und nicht mit den immer gleichen Phrasen und Floskeln enttäuschen. Ich würde es mir wünschen.

3 Kommentare

  1. Du sprichst ein lustiges Phänomen an: Wenn man mit dem Schreiben über das Reisen beginnt, denkt man oft, etwas wäre mitteilenswert, einfach nur weil man es selbst erlebt hat. Das ist ein Irrtum, den man durchschauen sollte, sobald man aufhört, nur ein bisschen für sich selbst zu schreiben…

    Leider liest man immer noch viel zu oft die berühmten Tagebuch-Einstiege: „Morgens 5 Uhr holte uns der Fahrer am Hostel ab…“ – wow! Was für ein erster Satz. Da bin ich gleich raus.

    Schöne Grüße, Philipp

  2. Schreiben ist gar nicht leicht und du hast Recht, wenn du sagst, dass es wenige talentierte Schreiberlinge da draußen gibt. Mir fehlt oft die Story, die Leichtigkeit beim Lesen. Ich werde nicht gefesselt. Nur zugelabert.
    Deine Texte lese ich jedenfalls immer sehr gerne!

    LG Katharina

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