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Feuilleton Literatur 13. Januar 2016

Literarisches Sixpack mit Max Scharnigg

Jetzt.de, Nido, Weekender, SZ-Magazin, Architectural Digest, The Germans, Musikexpress, Merian. Die Liste der Publikationen, in denen Texte von Schriftsteller und Journalist Max Scharnigg erschienen sind, ist lang. Und ich bin mir nahezu sicher, dass jeder von Euch schon mal über einen Text von ihm gestolpert ist. Seit 2014 arbeitet Scharnigg als Redakteur für die Süddeutsche Zeitung am Wochenende. Im März 2010 erschien bei Herder sein Reisebuch „Hotel Fatal“, im Oktober 2010 die Kolumnen-Sammlung “Das habe ich jetzt akustisch nicht verstanden!” im Fischer Verlag. Für den Roman „Die Besteigung der Eigernordwand unter einer Treppe“ wurde Max Scharnigg 2009 das Münchner Literaturstipendium zuerkannt und für den Ingeborg-Bachmann-Preis 2010 nominiert. Danach wurde er mit dem Bayerischen Kunstförderpreis 2011 und dem Mara-Cassens-Preis 2011 ausgezeichnet. Ende September 2013 erschien der Roman “Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau”. Die Experimente mit der Selbstversorgung finden ihre Aufarbeitung in den Büchern “Feldversuch” (2012, Fischer Verlag) und der großen Angelphilosophie “Die Stille vor dem Biss” (2015, Atlantik Verlag).

Hier kommen Max sechs Lieblingsbücher für das „Literarische Sixpack“:

1.) Fabian von Erich Kästner

Bücher waren mir schon immer die beste und zuverlässigste Medizin. Und das Aspirin unter den Büchern ist für mich der Fabian, der hilft immer, der findet immer die richtigen Worte und obwohl die Geschichte des prekären Werbetexters Fabian in der fiebrigen Weimarer Republik angesiedelt ist, klingt das alles erstaunlich nah und vertraut. Ich wäre gerne sein Freund gewesen. Der erste Generationen-Essay, vielleicht.

2.) Schloss Gripsholm von Kurt Tucholsky

Es hat schon einen Grund, warum Journalisten Tucholsky bis heute nonstop zitieren – er hat eben alle Lebensthemen, die großen aber vor allem auch die kleinen, schon in brillantem Stil bearbeitet. Eigentlich sollte man nicht wegen Tucholsky Journalist werden, sondern wegen Tucholsky kein Journalist mehr sein, er war zu gut. Seine beiden Erzählungen Rheinsberg und Schloss Gripsholm sind aber keine Glossen, sondern für mich die schönste und schwereloseste Art über Liebe nachzudenken. So leicht und lässig hingeworfen habe ich das später nie mehr gefunden. Wer verliebt ist und sich nicht gegenseitig diese Sätze vorliest, war eigentlich nicht verliebt!

3.) Faserland von Christian Kracht

Ich mochte das schon, als es 1995 erschien, auch wenn ich damals noch nicht wusste, warum. Ich weiß es heute auch nicht genau, aber ich kann trotzdem einige Absätze fast auswendig. Das ist ja kein Roman zum Versinken, nichts was ich wegen dem Inhalt immer wieder lese, sondern eher so ein Hintergrundsound, der mich ganzheitlich in aufgeräumte Stimmung versetzt – wie eine zu teure Bar oder eine Creme von Shiseido. Am besten ist übrigens die von Kracht selbst gelesene Hörbuchfassung, er liest so angenehm blasiert.

4.) Radetzkymarsch von Joseph Roth

An Roth liebe ich eigentlich alles, jeden Satz, jedes Buch, seine Biographie, die ganze k.u.k-Monarchie ist ein soft spot von mir, Schnitzler, Schiele, Klimt, Sachertorte, Wurstelprater – easy zu verklären. Kein anderer Schriftsteller nimmt mich aber so mit allen Sinnen mit ins Verderben wie Roth, keiner schreibt so trostreich über den ganzen Lebensunsinn und Nudelsuppe. Ich möchte das bittschön am Sterbebett nochmal vorgelesen bekommen.

5.) Die Glasglocke von Sylvia Plath

Plath lesen und Nirvana hören, damit ist mein 16. Lebensjahr recht treffend beschrieben. Vielleicht weil das so eine prägende Zeit war, reiche ich das Buch bis heute unentwegt an verzagte Menschen mittleren Alters weiter. Nicht, dass es darin besonders aufbauend zugeht, im Gegenteil, härteste Coming-of Age-Tristesse, aber fein, lebensweise und vor allem nicht-männlich aufgeschrieben. Eine Salbe für allerlei Wunden, bei denen sonst nichts hilft.

6.) A Single Man von Christopher Isherwood 

Eines der wenigen Beispiele für ein Werk, bei dem Vorlage und Verfilmung eine wirklich sagenhafte Einheit darstellen. Wie Isherwood schreibt – zaghaft aber auch dekadent und voll süßer Verbitterung, das trägt einen schon gut durch zu heiße Sommertage. Dazu die Bilder vom Tom Ford, die Musik von Abel Korzeniwski, das alles zusammen ist für mich eigentlich der Inbegriff von Kultur.

Andreas Chudowski
© Andreas Chudowski

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