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Feuilleton Literatur 19. Januar 2017

Literarisches Sixpack mit Julia Zange

„Marlas Leben ist ein einziges Realitätsgewitter. Wenig Sex, viel iPhone. Viel Bewegung, wenig Sicherheit. Sehr globalisiert, aber immer noch ganz schön deutsch. Marla funktioniert perfekt. Sie hat immer die richtige Maske auf. Doch plötzlich bekommt ihr hochglänzender Panzer kleine Brüche. Plötzlich ist da eine schwere Traurigkeit, die langsam von ihrem Bauch nach oben spült. Um nicht zu ertrinken, macht sie sich auf den Weg zurück in ihr Heimatdorf. Und landet schließlich auf Sylt. Eine Reise ins Erwachsenwerden und zu sich selbst.“ , so zusammengefasst der Inhalt von Julia Zanges zweitem Roman „Realitätsgewitter“.  Wir haben Julia nach ihren sechs „Lieblingsbüchern“ gefragt: Zeit für ein neues „Literarisches Sixpack“. Here we go!

Christian Kracht: Faserland

Eigentlich sträubt sich alles in mir „Faserland“ als Lieblingsbuch zu benennen. Ich habe es vor ein paar Monaten wiedergelesen und dachte: was für ein Arsch der Protagonist doch ist, und dass definitiv zu viel gekotzt wird. Aber trotzdem hat mich die Lektüre von Christian Kracht sehr geprägt. „Faserland“ war damals ein Grund, warum ich auch schreiben wollte. Und die Klarheit und Schönheit seiner Sätze ist ziemlich einzigartig in der deutschen Gegenwartsliteratur.

Hans Fallada: Jeder stirbt für sich allein

Ein dicker Roman mit gestrickten Figuren und vielschichtigen Handlungssträngen. Nicht das, was ich sonst gerne lese. Dieses Buch ist für mich eines der berührendsten Werke. Es sagt so viel über unsere deutsche Vergangenheit, aber auch über den Menschen an sich. Zu welchen Abgründen er in der Lage ist und wie viel Mut er aufbringen kann. Ich bewundere den Protagonisten für seinen stolzen Sturkopf. Dass er selbst mit erhobenem Haupt in den Tod geht. Denn: am Ende ist man eben nur sich selbst Rechenschaft schuldig.

Joan Didion: Blaue Stunden

Ich verehre die Autorin aus der Ferne und liebe ihre Romane abends im Bett. Peter Richter hat die zarte alte Dame mal als eines der letzten lebenden Raubtiere New Yorks bezeichnet. So zäh und stechend wie ihre äußere Erscheinung ist auch ihre Literatur. Knallharte Beobachtungsgabe vermischt mit Wehmut. Herbe Kopfnote!

Renata Adler: Speedboat

Renata Adler ist so eine Art Gegengewicht zu Joan Didion für mich: die Herznote. Es gibt auch ein Foto von den beiden, wo sie nebeneinander auf einer Vernissage abgelichtet wurden. Adler hat fast etwas von einer weisen Indianerin, die zufällig in die Gesellschaft der Großstädter geraten ist. Sie ist viel empathischer als Didion. „Speedboat“ ist eigentlich gar kein Roman. Sie notiert einfach mit. Man sieht die Welt durch ihren Blick. Kleinste Details entfalten unendliche Poesie.

Christopher Isherwood: Leb wohl, Berlin

„I am a camera with its shutter open, quite passiv, recording, not thinking.“ Der Erzähler bleibt im Hintergrund, dadurch treten die anderen Figuren im Berlin der Weimarer Republik umso plastischer hervor. Absolutes Lieblings-Lieblingsbuch. Eines der wenigen englischsprachigen Bücher, das in der Übersetzung funktioniert. Danke an Kathrin Passig und Gerhard Henschel.

Maxim Biller: Der gebrauchte Jude

Ohne Maxim Biller wäre die Gegenwartsliteratur furchtbar langweilig und das Literarische Quartett zum Einschlafen. Mein Lieblingsbuch von ihm ist das Selbstporträt „Der gebrauchte Jude“. Eher leise und persönlich, aber trotzdem wütend. Er beschreibt das coole München der 80er Jahre. Wäre man gerne dabei gewesen.

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