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Feuilleton Literatur 28. Mai 2015

Literarisches Sixpack mit Anne Philippi

Endlich: ab sofort wird es auf Blog Bohème deutlich mehr Literatur geben, als bisher. Einige Wochen habe ich darüber nachgedacht, in welcher Form es am meisten Sinn macht, Literatur zu empfehlen, ggf. zu besprechen. Wer meine Arbeit schon ein bisschen länger verfolgt, weiß, dass ich vor knapp zweieinhalb Jahren relativ regelmäßig für das Münchner Magazin Super Paper eine Kolumne über Bücher geschrieben habe. Bücher, die ich spannend finde. Bücher, die man unbedingt gelesen oder angeschaut haben muss. Vom Roman bis zum Kunstbuch. Nun bin ich kein großer Fan von Rezensionen, da ich der Meinung bin, dass Literatur – ähnlich wie Kunst – eine Sache ist, die jeder anders erlebt und immer subjektiv ist. Sicherlich: ich weiß sehr wohl, dass es Kriterien gibt, um Literatur formal und ggf. inhaltlich zu besprechen. Aber nein. Nicht mein Ding. Zumindest nicht für Blog Bohème. Und nicht für ein „Literarisches Sixpack mit …“.

Das neue Format „Literarisches Sixpack mit …“ soll jene Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu Wort kommen lassen, die ich gerne lese, lesen werde oder gelesen habe. Gerne könnt ihr mir auch einen Kommentar oder eine Email schreiben, von welchem Autor / welcher Autorin ihr unbedingt die Lieblingsbücher wissen wollt. Denn wie sagte Carl Peter Fröhling einst: „Ein Leben ohne Bücher ist wie eine Kindheit ohne Märchen, ist wie eine Jugend ohne Liebe, ist wie ein Alter ohne Frieden.“ 

Den Anfang macht Journalistin und Autorin Anne Philippi mit ihrem neuen Roman „Giraffen“.

Anne Philippi X Blog Bohème

Wir sind ein kleiner, luftdichter Kosmos. Nichts kommt hinein, nichts tritt hinaus und süchtig sind wir alle. Wir sind nicht die Süchtigen aus dem Fernsehen, die verloren durch die Straßen wanken. Wir sind elegant süchtig, wir sehen gut aus, wir kotzen nicht vor die Tür. Nur in ein Klo von Villeroy und Boch. Wir stehen morgens auf. Wir lügen uns an, seit Jahren, seit Jahrzehnten. Unsere Leber weiß nicht, wie ein Tag ohne Arbeit aussieht, unser Herz hat keinen Schimmer, was es ohne Substanzen den ganzen Tag machen soll. Es schlägt weder für uns noch für andere. Ich gehöre hierher, zu den Süchtigen. Ob mir das gefällt oder nicht.“ Das klingt schon mal vielversprechend.

Wo endet die Party und wo beginnt der Absturz? Eva und Henry teilen die gleichen Vorlieben: Alkohol, viel Alkohol, noch mehr Alkohol, lange Nächte und kurze Erinnerungen. Eva ist blond, Henry ist reich. Sie huldigen dem Exzess wie einer Religion und sie glauben, der Rausch von acht Gläsern Champagner in einem Luxushotel ist glamouröser als der von billigem Fusel in einer Absteige. Solange man in ein Klo von Villeroy & Boch kotzt, hat noch alles seine Ordnung. Ihr Selbstbetrug funktioniert gut, aber ihre Körper können nicht lügen. Eva lässt ihre Hämatome ungewisser Herkunft mit Vitaminspritzen behandeln. Gemeinsame Entgiftungsphasen beruhen auf dem Heilungsprinzip: MDMA statt Kokain und Weißwein statt Wodka. Euphorie und Ekel, Berlin und Zungenküsse, Weißbier und Weißwürste, Panik und Porto Cervo sind die Orte ihrer psychischen und physischen Zerrüttung. Oder ist es doch Liebe, sich gemeinsam fast ins Koma zu trinken und dabei sehr gut angezogen zu sein? Ein harter, herzzerreißender Roman über die falsche Sehnsucht, die falschen Drogen und die falsche Party. (Quelle: Rogner & Bernhard)

Darf ich vorstellen: das Literarische Sixpack mit Anne Philippi. Und hier kommen – Trommelwirbel – die ersten sechs Titel.

1.) TRUMAN CAPOTE “Answered Prayers” 

Merkwürdige, starke Perspektive des ICHs. Unterhaltsam, wirkt immer noch als ob es von heute ist, reißt mich mit. Man lernt eine Menge über Amerika und sein System, wie Erfolg und Bedeutung dort funktioniert. Das Buch war gleichzeitig Capotes Ende…

2.) CHRISTIAN KRACHT “1979”

Man rauscht durch diese von Kracht beschriebene Welt, die man vermutlich nie besuchen wird, weil sie fremd ist und weil es sie gar nicht gibt. Das ist das tolle an Kracht. Man kann den Unterscheid zwischen starker Imagination, dem “Echten” und echten Wahnsinn nicht feststellen.

3.) JAMES ELLROY “The Hilliker Curse”

James Elroy schreibt über Frauen, die er liebte und seine Mutter, die bestialisch umgebracht wurde. Man erfährt eine Menge über Ellroys Obsessionen und darüber wie Männer über Frauen denken, wenn sie ihrer Besessenheit von einer Frau freien Lauf lassen. Das trifft einen und man hat nach 30 Seiten das Gefühl, selbst diese Frau zu sein, die Ellroy jagt.

4.) Helene Hegemann “Axolotl Roadkill”

Man braucht über Helene Hegemann nicht mehr viel zu sagen, denn es ist ja jetzt schon klar, dass sie auf dem Weg ist in Deutschland eine große “Hausnummer” zu werden. Ich kann ihre kommenden Filme jedenfalls kaum erwarten. Ich bin großer Fan.

5.) Bret Easton Ellis “American Psycho”

Mit diesem Buch kam mir Amerika sehr nahe. Ich hatte nur einen Wunsch: dorthin zu kommen. Patrick Bateman ist bis heute eine Figur deren Genialität und Irrsinn bis heute kaum erreicht ist. Die Abhandlungen über „Huey Lewis and the News“ oder „Whitney Houston“ sind unerreicht.  So unangenehm und präzise, dass ich beim Lesen Pausen brauchte.  Bret Easton Ellis ist eine großer Künstler, denn es geht immer um “pleasure” und das schlechte Gefühl nach dem “pleasure”.

6.) Francoise Sagan „Bonjour Tristesse”

Hauptfigur Cécile ist für mich ein schönes, modernes Monster, zu nahe am Vater dran, glamourös und hässlich zugleich.
Sagan ist für mich die beste Autorin, wenn es darum geht über das Phänomen des “Detachment“ bei Frauen zu schreiben. Ich kenne keine Frau, die das so gut und so kommerziell kann.


Anne Philippi: „Giraffen“, 200 Seiten, Euro 19,95, erschienen bei Rogner & Bernhard im Februar 2015.

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