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Nordamerika Travel 20. März 2017

Havanna: Zwischen Verfall, Aufbruch und Mojito

Ein großer grüner Zaun umgibt den Gebäudekomplex, der mindestens zehn Stockwerke umfasst. Der Putz ist mittlerweile von der Fassade abgeblättert. Es riecht nach Abgasen, die Sonne steht hoch am Himmel und zahlreiche verschiedenfarbige Oldtimer der Marke Chevrolet und Pontiac cruisen über die Straße und hupen eifrig um die Wette. An der Eingangstür wartet bereits der Gastgeber meiner „Casa Particular“ auf mich. Wir steigen gemeinsam in einen Fahrstuhl, der in Deutschland vermutlich aus Sicherheitsgründen gar nicht mehr benutzt werden dürfte. Miguel, der kaum ein Wort Englisch spricht, deutet mit dem Wort „Escape“ auf die Klappe über meinem Kopf und grinst dabei. Willkommen in Kuba, denke ich mir. In der Wohnung von Miguel riecht es nach Bohnen, Eier, dunklem Rum und Schweinefleisch. In meinem Schlafzimmer kämpft der Ventilator gegen die Hitze. Vom Balkon aus sehe ich den Vedado und das Meer vor mir liegen.

Als vor knapp 60 Jahren, am 1. Januar 1959, in Havanna die Revolution siegte, war der Vedado eines der schmucksten und begehrtesten Viertel der kubanischen Hauptstadt. Davon ist mittlerweile nur noch wenig zu spüren. Vielmehr gammeln ehemals neoklassizistische Villen der Mittel- und Oberschicht vor sich hin und warten nur darauf von reichen Investoren gerettet zu werden. Über die Sraße schlendern fliegende Händler, die verschiedene Dinge wie Erdnüsse, Maischips, Früchte, Rattengift und gefälschte Cohiba Zigarren anbieten.

Nur wenige Minuten mit dem Auto vom Vedado entfernt, findet man dann doch diese ganz spezielle Mischung, die die Stimmung in Havannas Altstadt ausmacht, von der immer alle reden, die schon mal da gewesen sind: Leuchtende Farben, unzählige Rikschafahrer, die offensichtliche Armut der Bewohner, riesige leerstehende unsanierte Gebäude, der fortschreitende Verfall und dennoch immer mehr Touristengruppen (vorwiegend aus den USA), die sich durch die breiten Gassen Havannas schieben. Hinzu kommen etliche Häuser, die noch Baustellen sind, deren Wände fehlen und rohe Mauersteine unverputzt geblieben sind.

„Seit der Annäherung zwischen Kuba und dem Erzfeind USA ist überall Aufbruch und gleichzeitig Angst zu spüren“, lässt mich ein junger Kubaner wissen, den ich auf der Straße angesprochen habe, während er so einladend an seinem Buick-Cabrio lehnte. Normalerweise kutschiert er Touristen durch Havanna, erzählt er weiter. Die Tour führt zum Malecón, weiter zum Hotel Nacional  (das Lieblingshotel der Mafia) und natürlich auch zum riesenhaften Che-Guevara-Konterfei am Platz der Revolution, für ein schnelles Selfie. Viele Touristen lassen sich außerdem auch zur El Floridita Bar bringen, in der schon Hemingway am liebsten seinen Daiquiri mixen lies oder zur La Bodeguita del Medio, in der er seinen Mojito am liebsten trank. Spätestens beim Bestellen meines Mojitos wird mir klar, dass Havanna bald nicht mehr so sein wird, wie es mal gewesen sein muss. Unzählige Touristen nuckeln an ihrem Strohhalm und können nicht genug von dem Mischgetränk aus kubanischem Rum der Marke Havana Club, Limettensaft, Minze, Rohrzucker und Sodawasser bekommen. Kein Wunder: denn wo lässt sich ein kubanischer Cocktail besser genießen?

La Bodeguita del Medio © Michael André Ankermüller 2017

Vor der Bar treffe ich auf Raul, der mich nach meinem Namen fragt und wissen will, woher ich komme. Er verrät mir, dass er in Santiago di Cuba ein kleines Hostel eröffnet hat und die Anfragen von Touristen aus aller Welt monatlich steigen. Auch immer mehr Deutsche reisen nach Kuba, da sie das Land sehen wollen, bevor es durch den Tourismus seinen Charakter verändern bzw. im schlimmsten Fall verlieren wird. Seit Barack Obama in seiner Zeit als US-Präsident die Sanktionen gegen Kuba lockerte und das Castro-Regime sich öffnete, boomt der Tourismus auf Kuba, so Raul. Restaurants und Geschäfte öffnen in großer Zahl. Es gibt immer mehr Airbnb-Unterkünfte. Wir stoßen an, während er leise „Viva la revolución“ vor sich hinflüstert.

Das Capitol in Havanna © Michael André Ankermüller 2017

Havanna ist zwar brüchig, morbide und heruntergekommen. Aber genau deshalb so sehens- und lebenswert. Man kann nur hoffen, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis Kuba doch noch am Ende vom Tourismus überrollt werden wird…

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Havana Club entstanden.

3 Kommentare

  1. Sehr cooler Beitrag! Wie lange warst du in Havanna? Ich möchte im Dezember hin und dein Beitrag kommt genau zum richtigen Zeitpunkt :-)!

    LG aus Wien
    Timo

    • Hej Timo! Ich war eine Woche in Havanna. Um Kuba zu entdecken, muss ich wohl bald wieder kommen. Eine tolle Zeit wünsche ich Dir. Ist super spannend dort.

  2. Wow! Wirklich eine beeindruckende Stadt!
    Du hast recht, die brüchigen Gebäude machen Havanna zu einer spannenden und besonderen Stadt!
    Liebe Grüße Sarah 🙂

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