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Europa Personal Travel 21. Februar 2016

Freiheit ist nicht selbstverständlich: Ein paar Gedanken zur aktuellen Situation in Europa

In den letzten Monaten habe ich mich immer wieder gefragt: „Was ist bloß los in Europa?“ Ein Schreckgespenst mit dem Namen Nationalismus geht um. Egal wo: In fast jedem europäischen Land marschieren und versammeln sich die Dummen auf großen – zumeist geschichtsträchtigen – Plätzen. Es geht um populistischen Wahnsinn, Verschwörungstheorien und Scheinlösungen, die Europa vermeintlich besser machen sollen. Unzählige Menschen, die von unseren globalen Herausforderungen überfordert sind, zu faul zum Denken oder einfach nur verbittert sind, hetzen gegen Ausländer, Flüchtlinge, Andersdenkende. Beispiele gibt es zahlreiche: In Polen bestand eine der ersten Amtshandlungen der neuen rechten Regierung darin, die EU-Flagge aus öffentlichen Gebäuden zu entfernen. Oder in Frankreich besteht die realistische Chance, dass Marine Le Pens (Front National) die Macht übernimmt und ihre Forderung des Austritts aus der EU wahr werden lässt. Ungarn scheint schon längst verloren, wenn man sich dort die politische Situation anschaut. Und in der Slowakei oder in Tschechien machen sozialistisch inspirierte Populisten wie Robert Fico oder Tschechiens Präsident Milos Zeman gegen Europa Politik. Schon seit der Europawahl 2014 sind euroskeptische Parteien die drittstärkste Kraft im europäischen Parlament. Unvorstellbar (für mich).

Vor wenigen Tagen war ich in Belgien, wie vielleicht manch einer mitbekommen hat. Das Thema meiner Reise: Die Liberation Route Europe. Was ist damit gemeint? Die Liberation Route Europe verfolgt in einem grenzüberschreitenden Ansatz, den größten bewaffneten Konflikt (gemeint ist der Zweite Weltkrieg) der Menschheitsgeschichte aus vielfältigen historischen Perspektiven zu verstehen. Vor allem eine Sache wurde mir auf meiner Reise immer wieder bewusst. Die Freiheit, die wir heute in der Europäischen Union genießen, ist nicht selbstverständlich. Und wir sollten alles dafür tun, dass so eine schreckliche Zeit nie wieder kommt. Die bedeutendsten langfristigen Folgen des zweiten Weltkrieges waren die Teilung Europas und die Unterwerfung der Länder östlich des Eisernen Vorhanges durch die Sowjetunion. Für Dutzende von Millionen von Menschen im östlichen Mitteleuropa kam die Befreiung vom belastenden Erbe des Krieges erst 1989, fast 45 Jahre nach der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands. Nie wieder darf so etwas passieren.

Bastogne War Museum 2016
Bastogne War Museum 2016
Bastogne War Memorial 2016
Bastogne War Memorial 2016
Bastogne War Memorial 2016
Bastogne War Memorial 2016

Außerdem war ich in der Rureifel unterwegs. Das Weltkriegsgeschehen in der Eifel vor 70 Jahren, allen voran die erbitterte Schlacht um den Hürtgenwald im Winter 1944/1945 hat die Region für immer in die internationalen Geschichtsbücher gebracht. Es war für mich eine ganz besondere Erfahrung, jene historischen Orte selbst zu besuchen. Sich neben einen „Drachenzahn“ des Westwalls zu stellen, die steilen Hänge im einst umkämpften Kalltal erwandern oder die kalkulierte Herrschaftsarchitektur der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang auf sich wirken lassen. Dadurch bekommt die Naturlandschaft der Eifel eine neue Dimension. Und erneut habe ich mir die Frage gestellt: Was ist bloß los in der Welt, in der wir gerade leben? Ich bekomme die unzähligen weißen Kreuze der Kriegsgräberstätte Recogne-Bastogne nicht aus meinem Kopf. Junge Menschen im Alter zwischen 16 und 35 Jahren, die ihr Leben verloren haben. Für nichts. Tausende.

Kriegsbunker Hürtgenwald 2016
Kriegsbunker Hürtgenwald 2016
Hürtgenwald 2016
Hürtgenwald 2016
Hürtgenwald 2016
Hürtgenwald 2016
Hürtgenwald 2016
Hürtgenwald 2016
Hürtgenwald 2016
Hürtgenwald 2016
Hürtgenwald 2016
Hürtgenwald 2016
Kriegerdenkmal Hürtgenwald 2016
Kriegerdenkmal Hürtgenwald 2016

Die Meldung des heutigen Tages macht mich noch nachdenklicher: Vor wenigen Tagen erst hat ein aufgebrachter Mob in Clausnitz (ein kleines Dorf in Mittelsachsen) stundenlang einen Bus mit ankommenden Flüchtlingen blockiert. In Bautzen quittierten Schaulustige einen Brand in einem noch nicht bezogenen Flüchtlingsheim am heutigen Sonntagmorgen mit Beifall und abfälligen Bemerkungen und behinderten die Löscharbeiten.

Es ist Zeit aufzustehen. Zeit, endlich wieder für etwas zu stehen. Ich will nicht mehr in einem Land leben, in dem es tatsächlich wieder einen Schießbefehl an unserer Grenze gibt, in dem es offenen Rassismus gibt und in dem Menschen applaudieren, wenn eine Unterkunft für Flüchtlinge in Flammen aufgeht. Ich will das nicht. Und ich bin schockiert, in welche Richtung sich mein Heimatland gerade hinbewegt.

Gianfranco Rossi, Regisseur und Gewinner des Goldenen Bären sagte im Tagesspiegel folgendes: „Zum ersten Mal in der Geschichte sind wir alle Augenzeugen einer großen Menschheitskatastrophe, während sie geschieht. Anders als beim Holocaust oder bei Ruanda gibt es simultan Bilder und nicht erst danach. Wir können nicht sagen, wir haben es nicht gewusst.“ 

Ich kann mich nur anschließen.


Dieser Beitrag wurde außerdem inspiriert von der Kampagne #standforsomething von Dr. Martens, sowie durch die Zusammenarbeit mit der Liberation Route Europa als auch Rureifel Tourismus.

#standforsomething: Liebe
#standforsomething: Liebe
#standforsomething: Leidenschaft
#standforsomething: Leidenschaft
#standforsomething: Frieden
#standforsomething: Frieden
#standforsomething: Authentizität
#standforsomething: Authentizität
#standforsomething: Ehrlichkeit
#standforsomething: Ehrlichkeit

Da mich bereits einige Leute auf Instagram angeschrieben haben, wie das Modell von Dr. Martens heißt: Einfach hier auf den Link klicken.

2 Kommentare

  1. Julian

    Guten Abend,

    Vielen Dank für einen sehr gelungenen Beitrag, der durchweg zum Nachdenken UND laut Nicken anregt!

    Ich freue mich, dass es (hoffentlich noch jede Menge) Leute gibt, die ähnlich denken wie du und ich und ihre Meinung bei diesem unsäglichen Rechtsrutsch auch offen vertreten bzw. ganz klar dagegen halten…

    Beste Grüße aus Frankreich (wo Madame Le Pen in aller Munde ist, leider nicht nur im negativen Kontext),

    Julian

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