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Feuilleton Musik 28. Juni 2016

11 Fragen an Hot Hot Heat

Aufhören, wenn es  am schönsten ist. Das dachten sich wohl auch die Indie-Rocker von Hot Hot Heat, die kürzlich ihr neues und gleichzeitig letztes Album veröffentlicht haben. Dieses trägt schlicht den Namen der Band zum Titel. Also back to the roots? Das Beste kommt zum Schluss? Hört man hinein, freut man sich, wie frisch der Sound der vier Jungs aus Vancouver klingt. Das neue Album besteht hauptsächlich aus Songs, die in den Jahren 2011 bis 2014 geschrieben wurden. Gemeinsam mit dem kanadischen Musiker und Produzenten Ryan Dahle packten sie die zehn besten davon auf das neue Album. Das Ergebnis ist eine Platte, die wir getrost jedem Hot-Hot-Heat-Fan ans Herz legen können – eine runde Sache, wenn gleich der Abschied schmerzt. Umso schöner, dass sich Sänger und Songwriter Steve Bays, die Zeit nahm, uns 11 Fragen zur letzten Platte, dem Ende seiner Band sowie deren Zukunftspläne zu beantworten:

Hot Hot Heat (Photo: Joshua Peter Grafstein)
Heiße Band, heißer Reifen: Hot Hot Heat (Photo: Joshua Peter Grafstein)

Shopping Mall oder Museum?

Eine Mischung aus beidem. Ich liebe Geister-Shopping-Malls in kleinen Städtchen, in denen sich noch kleine, alte, inhabergeführte Geschäfte finden, die es irgendwie geschafft haben sich bis heute zu halten und eine treue Stammkundschaft besitzen. Betrete ich Orte wie diese, fühlt sich das immer an, als stecke ich in einer Zeitkapsel oder besuche ein Museum, das den Kapitalismus in seiner frühen, florierenden Phase zeigt. Hier bekommt man einen Eindruck von der Ära des amerikanischen Traums, einer Zeit bevor all die großen Unternehmen und Supermarktketten aufkamen und solche Läden mehr und mehr verdrängten. Also wenn die Frage auf die typischen Supermarktketten abzielt, lautet die Antwort ganz klar: Nein, Danke!

Plattenläden oder Streaming Services?

Plattenläden! Sie zahlen Musikern zumindest ein paar Scheine anstelle von Pennys.

Pet Sounds oder Sergeant Pepper?

Sergeant Pepper hatte einen ziemlichen Einfluss auf mein Songwriting, Pete Sounds beeinflusste eher unseren Produktionsstil.

Ihr macht Musik seit 1999. Jetzt veröffentlicht ihr euer letztes Album, das schlicht den Bandnamen „Hot Hot Heat“ zum Titel hat. Wie war die Arbeit daran?

Manche Leute waren bereits so nett, es als unsere bisher beste Platte zu bezeichnen. Auch wenn das natürlich absolute Geschmackssache ist, freut es mich absolut, das zu hören. Für mich selbst ist es ziemlich schwierig, die Arbeit daran zu beschreiben oder zu werten – das ist eine ganz schön emotionale Angelegenheit. Sicher ist: Ich bin ziemlich stolz auf die Platte und würde behaupten, dass sie mindestens genauso viel Spaß macht wie unsere vorherigen Alben.

Sänger Steve Bays (Photo: Joshua Peter Grafstein)
Sänger Steve Bays (Photo: Joshua Peter Grafstein)

Wie hat sich eure Arbeit seit der ersten Platte verändert?

Ein wichtiger Faktor war sicherlich, dass das neue Album in Eigen-Produktion erstand. Dadurch hatten wir einen großen Spielraum im Schreiben, Umschreiben sowie beim Arrangement unserer Songs, bis diese sich für uns richtig anfühlten. Zur Unterstützung holten wir uns Ryan Dahle als Co-Producer ins Studio, der in der Zeit praktisch ein festes Bandmitglied von uns war. Abschließend mischte ich das Album in meinem eigenen Studio ab. Die Musik so oft abmischen zu können, bis das Puzzle gelöst ist, ist ein angenehmerer Prozess als ohne diese Möglichkeit. Man veröffentlicht den Sound erst, wenn man sich endgültig mit dem Ergebnis wohl fühlt.

Die Presse kündigt „Hot Hot Heat“ als jene letzte Platte an, welche man von seiner Lieblingsband erwarten würde. Wie beschreibt ihr sie?

Wenn ich sie mit unseren anderen Platten vergleichen müsste, würde ich behaupten sie ist nicht so experimentell wie unsere letzte Scheibe “Future Breeds” und liegt wohl eher irgendwo zwischen „Make up the Breakdown“ und „Elevator“. Dabei unternimmt sie das Kunststück, das richtige Verhältnis aus Kunst, Punk, Dance und Pop zu finden.

Obwohl wir uns sehr über das Album freuen, sind wir gleichzeitig traurig, dass es sich dabei um eure letzte gemeinsame Veröffentlichung handelt. Was hat euch zu diesem Schritt veranlasst? Wie geht es danach weiter?

Wir waren Jahre lang eine Truppe bester Freunde, die zusammen auf Tour waren und gemeinsam ihr Leben verbrachten – wir waren quasi unzertrennlich. In den letzten Jahren entwickelten wir uns sowohl persönlich als auch musikalisch in immer unterschiedlichere Richtungen. Und auch wenn wir immer noch Freunde sind, waren diese Entwicklungen für uns alle deutlich spürbar. Die Entscheidung der letzten gemeinsamen Platte war für uns also eher eine logische Konsequenz und wir sind alle glücklich, sie getroffen zu haben. Wir denken, das neue Album muss sich nicht hinter unseren bisherigen Releases verstecken. Auf diese Weise zu gehen, fühlt sich gut an.  Jeder von uns arbeitet aktuell an einer ganzen Reihe von musikalischen Projekten. Diese hier aufzuzählen, wäre echt zu viel. Ich selbst bin in meinem eigenen Studio in Vancouver BC viel mit Producing, Co-Writing und dem Mischen für andere Musiker beschäftigt. Meine wichtigsten Nebenprojekte sind die Bands „Mounties“ und „Fur Trade“.

Cover zu "Hot Hot Heat" (Artwork by Andy Dixon)
Cover zu „Hot Hot Heat“ (Kaw-Liga Records, Artwork by Andy Dixon)

Eure aktuelle Single heißt „Kid Who Stays in the Picture”. Wovon handelt sie?

Der Song besteht aus einer Mischung von Geschichten über einige Freunde von mir. Von einem davon dachte ich beispielsweise immer, er würde einmal ein berühmter Schauspieler oder Comedian werden. Er besaß eine so einnehmende Persönlichkeit und ich verbrachte beinahe meine ganze Teenager-Zeit mit ihm, in der wir Amateurfilme drehten und ich annahm, er werde sicherlich mal ein Film- oder Kino-Star. Stattdessen wurde er schließlich Sänger einer Heavy Metal Band – ziemlich sensibel und zurückhaltend. Ein anderer guter Freund von mir mit ganz ähnlichen Neigungen, war damals so ziemlich der lauteste und verrückteste Typ, der egal welchen Raum er betrat, diesen mit seiner ganz eigenen Art ausfüllte. Leider war er irgendwann gezwungen diesen Lifestyle, welcher hauptsächlich aus Partys und Nachtleben bestand, aufzugeben. Er wäre sonst bestimmt irgendwann einfach draufgegangen. Heute lebt er sehr zurückgezogen in einer Kleinstadt und ich habe ihn schon ewig nicht mehr gesehen. Ich denke also, der Song geht hauptsächlich darum, wie es ist, seinen Freunden dabei zuzusehen, wie sie sich entwickeln und schließlich zu Erwachsenen werden. Das passiert unmittelbar vor deinen Augen und dennoch ist es unmöglich vorherzusagen, wo sie oder du selbst irgendwann landen. Das ist eine schwierige Angelegenheit, zumal ich selbst bisher immer stolz darauf gewesen bin, im Herzen jung geblieben zu sein – ein großes Kind.

Das Plattencover sieht ziemlich impressionistisch aus. Welche Rolle spielt Kunst für eure Musik?

Wir haben den Künstler Andy Dixon gefragt, ob er das Artwork für die Platte übernimmt. Er ist zum einen wohl unser Lieblingsimpressionist, zum anderen war er damals selbst Musiker in einigen Synth-Punk-Bands und gründete und führte das Label, welches die beiden ersten Hot-Hot-Heat-Alben herausbrachte. Wir gehörten zu seinen ersten Veröffentlichungen, auf die noch einige Dutzend weitere folgen sollten, bevor er sich entschloss, sich ab sofot auf die Malerei zu konzentrieren. Wären wir nicht befreundet, hätten wir uns wohl keines seiner Werke für unser Plattencover leisten können. Ich würde behaupten, wir selber sind allesamt auch recht annehmbare Zeichner und Maler. In der Schule gehörte ich immer zu diesen strangen Kids, die ihre meiste Zeit mit Zeichnen verbringen. Dann hörte ich damit auf und widmete mich voll und ganz der Musik. Kürzlich habe ich aber wieder mit dem Malen angefangen und ich bin ziemlich besessen von Video und Fotografie. In den letzten Jahren habe ich dutzende Musikvideos gedreht und die Fotografie ist außerhalb der Musik mein Lieblingshobby.

Als ich eure Musik das erste Mal hörte, waren damals so ziemlich alle auf dem rockigen Indie-Trip. Heute klingen auch Indie-Bands zunehmend elektronischer. Was hältst du davon?

Auch ich bemerke diese Entwicklung und halte sie für einen typischen Ausdruck der Beziehung zwischen Kunst und Technologie. Diese besteht bereits seit hunderten von Jahren. So fingen die Leute beispielsweise mit der Erfindung der Zugfahrt an, zu reisen und malten Landschaften. Als die Fotografie erfunden wurde, hörten die Leute damit auf, realistische Bilder zu malen. Stattdessen zogen sie es vor, impressionistische, immer unrealistischere Darstellungen ihrer Umwelt abzubilden. So macht die Technologie schließlich auch nicht vor der Musiklandschaft des Jahres 2016 halt. Heutzutage sind ja beispielsweise Hard- und Software zur Musikaufnahme für jeden erschwinglich und es gibt ständig Updates auf diesem Gebiet. Hinzu kommt, dass die Wohlstandskluft zwischen Ober- und Unterschicht aktuell sehr groß ist und Künstler in der Regel alle abgebrannt sind. Die Leute kaufen keine Alben mehr, konsumieren aber so viel Musik wie noch nie. Digitale Aufnahmetechniken lassen sich einfach nutzen und Plattenlabel haben verstanden, dass es gar nicht nötig ist, vernünftige Budgets zur Verfügung zu stellen – Künstler können ja aufgrund der neuen technologischen Möglichkeiten auch ganz ohne Budget ihre Musik aufnehmen. Außerdem lässt sich in der Musikgeschichte beobachten, dass Dance Music etwa alle zwanzig Jahre wieder in Mode kommt, sehr populär wird und schließlich von einer musikalischen Gegenbewegung aus dem Untergrund abgelöst wird. Gleichzeitig überlegen dann die ersten Labels wie und wie lange sich aus dieser neuen Strömung Kapital schlagen lässt, bis auch diese wieder verschwindet und der Kreislauf von neuem beginnt. Kurzgesagt können wir also davon ausgehen, dass die aktuelle Elektro-Welle über kurz oder lang im Mainstream verebbt. In einigen Jahren dürfte dann elektronische Musik wieder eine ganz große Sache im Underground sein.

Im Studio (Photo: Joshua Peter Grafstein)
Im Studio (Photo: Joshua Peter Grafstein)

Für die Promotion eurer Musik nutzt ihr auch Social Media wie Facebook oder Instagram. Was denkt ihr, welchen Einfluss haben diese Medien auf Musiker und den Verkauf ihrer Platten?

Ich denke, der Einsatz von Social Media ist generell wichtig – aber nur wenn bereits ein allgemeines Interesse an deiner Musik besteht. Das heißt: Entwickle erst deinen Stil, Geschmack und musikalischen Fähigkeiten, bevor du entscheidest, deine Zeit für Social Media zu nutzen. Oder konzentriere dich nur darauf, solange du nicht mit der Musik beschäftigt bist, beispielsweise am Flughafen oder im Taxi. Diese Medien können richtige Zeitfresser sein, wenn man nicht verantwortungsvoll mit ihnen umgeht. Ich beschäftige mich nur mit ihnen, wenn mir danach ist, ein paar Minuten Ablenkung zu haben – ähnlich einem Videospiel oder ich nutze sie, um mich mit Freunden zu vernetzten. Ich denke, diese Medien sollten letztendlich keinerlei Einfluss auf die Kunst selbst haben.

Das neue Album „Hot Hot Heat“ ist seit 24.06.2016 überall erhältlich und erscheint bei Kaw-Liga Records.

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