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Feuilleton Musik 4. August 2015

11 Fragen an Gloria

„Wenn man die Augen zumacht, klingt der Regen wie Applaus.“ Gut. Ein Cover. Dafür ein wunderschönes und meiner Meinung nach eines der besten Stücke auf der ersten Platte von Gloria. Interessant, dass der ursprünglich von Enno Bunger geschriebene, in Mark und Bein fahrende Song „Regen“ ausgerechnet von TV-Moderator und Gloria-Sänger Klaas Heufer-Umlauf neu-interpretiert wurde. Dieser dürfte ja als Teil des populären Duos Joko und Klaas sowie Preisträger zahlreicher Auszeichnungen, beispielsweise dem Deutschen Fernsehpreis oder dem Grimme Online Award, an das Geräusch klatschender Hände hinlänglich gewohnt sein. Immer lustig, immer für einen Scherz zu haben – spannend, dass die Musik des Entertainers ganz anders daherkommt. Schnörkellos, nachdenklich und ohne Halli Galli. Verstärkung hat sich Klaas dabei von Mark Tavassol, Ex-Gitarrist der Band Wir sind Helden geholt. Dieser ist Mitgründer und Mit-Mastermind von Gloria. Anlässlich ihres neuen Albums Geister durften wir mit beiden Künstlern dazu sprechen. Wirklich nette Typen, wirklich tolle Musik. Deshalb sind wir stolz, euch diese 11 Fragen an die Band Gloria zu präsentieren. Wir sind sicher: Da kommt noch einiges Gutes auf uns zu!

Glorias neue Platte "Geister" © Gloria
Glorias neue Platte „Geister“ © Gloria/2015 Grönland Records

Kunst oder Kohle?

Beide: Kunst

Glotzen oder Lesen?

Mark Tavassol: Lesen / Klaas Heufer-Umlauf: Glotzen

Rockstar oder Singer-Songwriter?

Beide: Singer-Songwriter

Mark und Klaas, schön dass Ihr Zeit habt. Mal angenommen, man kennt eure Band noch nicht: Wie würdet Ihr Gloria vorstellen?

KHU: Gloria ist mittlerweile eine Band, die es zum zweiten Album geschafft hat. Eine Band, die vor einigen Jahren entstanden ist. Wir haben als Freunde schon länger Musik gemacht. 2013 haben wir dann unser erstes Album herausgebracht. Ich denke, man kann es durchaus als deutschsprachige Pop-Musik bezeichnen. Alles Weitere muss man den Hörern überlassen. Die interessanteste Information an unserer Musik ist vermutlich die Musik selbst.

„Gloria“. Das Wort steht im Lateinischen für Ruhm und Ehre. Was wollt ihr uns damit sagen?

KHU: Wenn man über die lateinische Bedeutung nachdenkt, mutet so ein Name ja beinahe größenwahnsinnig an. Aber die Erklärung ist ganz einfach: Marks Wohnung in Hamburg, wo wir an unserer Musik arbeiten, liegt neben der Cafébar Gloria. Da gibt es Essen und Kaffee und es lässt sich dort alles machen. Wir sind da Stammgäste und werden von dem Personal schon ausgelacht, weil wir zu den unmöglichsten Tageszeiten kommen und gehen und das bestimmt fünf Mal am Tag. Wir hatten damals schon den Plattenvertrag in der Tasche – eben nur noch keinen Bandnamen. Und als sich die Telefonanrufe von offizieller Seite mehrten, musste dringend einer her. Deswegen war dieser Name für uns nur folgerichtig. Irgendwie witzig, wenn man sich an früher erinnert, als man als 15-Jähriger, bevor der erste Ton überhaupt gespielt wurde, bereits einen Bandnamen hatte.

Gloria 2015 © Erik Weiss
Gloria 2015 © Erik Weiss

Klaas, dich kennen wir ja vor allem von deiner spaßigen Seite. Mit Gloria stimmst du eher leise, melancholische Töne an. Wie kommt‘s?

KHU: Nachvollziehbare Frage. Sie spiegelt die Außenwahrnehmung der meisten Leute wieder, die nur sehen, was ich so im Fernsehen mache. Ich selbst finde es gar nicht außergewöhnlich, dass jemand mehr Facetten hat, als die, die in eine Samstagabend- oder eben in eine Montagabend-Unterhaltungsshow so rein passen. Ich kann Spaß haben an solchen Formaten, weil das eben eine Seite von mir ist. Man kann das vielleicht ganz gut nachvollziehen, wenn man sich selbst betrachtet und sieht, wie unterschiedlich man sein kann in Verbindung mit verschiedenen Leuten. Du redest mit deiner Mutter vermutlich auch anders als mit deinem besten Freund und mit der Freundin redest du anders als mit dem Nachbarn von gegenüber. Und trotzdem bist das alles du. Und nichts davon ist gelogen. Das sind auch unterschiedliche Facetten, die du ganz automatisch abrufst ohne darüber nachzudenken, weil das in der Situation einfach aus dir rauskommt. Das ist dann ehrlich. Und genau so ist es bei mir eben auch. Und niemand der mich kennt, wundert sich, dass ich so eine Musik mache. Wenn Mark und ich Musik machen, kommen am Ende eben solche Melodien und Texte dabei raus. Ich verwechsle Melancholie auch nie mit Traurigkeit oder depressiven, schlechten Gefühlen. Für mich ist das ein schönes Gefühl. Eines, in das man sich oft freiwillig begibt – sei es dass man einfach mal melancholische Musik anschaltet und so der Melancholie quasi die Hand reicht. Manchmal denke ich an die schönsten Zeiten mit Melancholie zurück.

Euer aktuelles Album nennt sich „Geister“. Das klingt ja unheimlich. Welche Geister plagen euch?

MT: Die Geister, die uns plagen, sind damit gar nicht gemeint. Wir bezeichnen damit wohl am ehesten Hirngespinste, falsche Leuchtfeuer oder –türme. Letztendlich alles was in Orientierungslosigkeit mündet. Das kann man natürlich weit interpretieren. Es geht auch darum, was richtig und was falsch ist – das liegt aber am Ende im Auge des Betrachters. Denn wir wollen auf keinen Fall Vorschriften machen. Trotzdem existieren fragwürdige Phänomene, von denen wir denken, dass ein gesunder Menschenverstand davor warnt. Wo man eventuell irregeleitet und auf dem falschen Weg ist. Wo beispielsweise moralische Grenzen, Grenzen der Toleranz, gesellschaftliche Grenzen überschritten werden. Das greift der Titel „Geister“ im Prinzip auf. Und diese Geister, die dich jagen, können demnach zum Beispiel falsche Ideale, eben die Folgen des Hirngespinstes sein. Diesen zu folgen, tut einem in der Regel nicht gut.

KHU: Für mich steckt darin auch ein blindes Hinterherlaufen. Und die Philosophie und Ideale von Menschen, die vorgeben etwas zu sein, was sie gar nicht sind. Da gibt es ja interessante massenpsychologische Phänomene. Das kann alles Mögliche sein, beispielsweise eine populistische Parole oder Pegida. Aber auch das Ausnutzen einer Emotion, die bei vielen Leuten vorhanden ist und dann gedeckelt wird mit einem markigen Spruch, der Erlösung verspricht. Dadurch werden die eigentlichen Probleme ja meist erst erschaffen.

Eure Songs besitzen eine starke psychologische und emotionale Qualität. Dabei fällt besonders die intime Innensicht eurer Texte auf. Werdet Ihr auf „Geister“ wieder so persönlich?

KHU: Ich denke, dass dieses Album weniger persönlich ist als unser erstes. Es ist mehr gesellschaftlich. Vermutlich geht es am meisten um das Hinterfragen des eigenen Tuns und das gegenwärtige Moment. Und ob man in der Lage ist, das auch mitzukriegen und daraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Oder Schlussfolgerungen und Entscheidungen zu treffen, zur rechten Zeit, am richtigen Ort. Das Album stellt mehr Fragen, als es Antworten liefert. Das sind Fragen, die wenn man sie sich nie stellt, meiner Meinung nach böse enden können – weil man vielleicht irgendwann nicht mehr in der Lage ist, mit der Beantwortung der Frage etwas in seinem Leben zu verändern.

Selfie © Erik Weiss
Songwriter-Selfie © Erik Weiss

Mark, vor der Band Gloria warst du mit „Wir sind Helden“ erfolgreich unterwegs. Jetzt erntest du Glanz und Gloria an der Seite eines der bekanntesten Entertainer Deutschlands. Wie kam es dazu?

MT: „Wir sind Helden“ sind nach wie vor ein großer Teil meiner Identität. Das macht mein musikalisches Schaffen der letzten 15 Jahre aus – abgesehen von kleineren Projekten als Produzent oder Songwriter. Ich habe aber mit Klaas nicht erst angefangen Musik zu machen, als sich „Wir sind Helden“ für eine Pause entscheiden haben. Diese Zusammenarbeit war immer schon ein Ausdruck des Wunsches, auch an anderer Stelle kreativ zu sein. Parallel zu „Wir sind Helden“, aber immer mit einem geringeren Aufwand – da dieses Engagement alle Ressourcen verschlungen hat. Kreativ und zeitlich. Und da liegt es in der Natur der Sache, dass so eine Pause andere Dinge begünstigt und wachsen lässt. Man kann dann einen größeren Teil seiner Energie und Ideen auf seine eigenen Pläne verwenden. Gemäß dem alten Fußballerspruch „Nach dem Spiel, ist vor dem Spiel“ steckte ich bei „Wir sind Helden“ immer in dem Dilemma, alle meine Ideen auf die nächste Platte zu fokussieren. Also musste ich mich immer entscheiden: Will ich diese Idee nun für die Band oder meine anderen Projekte nutzen? Das war ein täglicher Konflikt und beschäftigte mich, sobald ich ein Instrument in die Hand nahm. Als es dann mit „Wir sind Helden“ zur Pause kam, war Gloria die erste Zielfläche für diese neuen Ideen. In Klaas habe ich damals einen Musikerkollegen gefunden, der mit ähnlichen Ansprüchen an dieses Projekt heranging und wir entwickelten die Lust, eine gemeinsame Platte zu machen. Auch wenn wir viele Jahre vorher nicht einen Gedanken daran verschwendet haben. Diese neue Energie ließ dann die Band „Gloria“ um die Ecke kommen. Wir sind mit Herzblut dabei.

Und? Heute schon passiert, dass du mit „Joko“ angesprochen wurdest?

MT: Nein.

KHU: Das passiert mir ständig. Gestern beispielsweise in Berlin. „Ey, bist du Joko?“ Ich hab‘ gesagt: „Ehrlicherweise NEIN“. Damit war er dann zufrieden, und ich konnte gehen.

Zum Schluss interessiert uns noch eine Frage brennend: Klaas, welchem deiner beiden Arbeitskollegen – Mark oder Joko – würdest du als gelernter Frisör lieber die Haare schneiden?

KHU: Hm. Mark ist penibel, Joko ist sehr eitel. Aber eitel dürften beide sein.

MT: Ich glaube, die Frage geht eher in die Richtung: Wer hat es nötiger?

KHU: Wer hat es nötiger? Ich würde sagen, jeder Mensch hat es von Zeit zu Zeit nötiger. Und Haare schneiden kann ich mittlerweile wahrscheinlich auch nicht mehr besonders gut. Joko ist Grausamkeiten meinerseits ja gewohnt und könnte es daher wahrscheinlich besser verkraften. Ich würde mich deshalb für Joko entscheiden. Der ist sicherlich schon froh, wenn ich ihm stattdessen nicht mehr die Lippen zunähe.

Das neue Album GEISTER von Gloria erscheint am 07.08.2015.

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