Springe zum Inhalt →

Best Of Feuilleton Musik 26. Juni 2017

11 Fragen an Die Höchste Eisenbahn

Die Höchste Eisenbahn sind nun schon lange kein Geheimtipp mehr, sondern eine der wunderbarsten Bands in der seriösen, deutschen Musiklandschaft. Wir sprachen mit Moritz Krämer, Sänger, Gitarrist und Songwriter der Band, über ihre Texte, das Texten, Autofiktion und den Grandprix. Und ein paar Geheimnisse werden auch verraten.

Man kommt nicht drumherum, sie die Avengers des deutschen Indie/Songwriter-Biotops zu nennen. Bassist Felix Weigt, spielte bei Kid Kopphausen, Schlagzeuger Max Schröder war als der Hund Marie, mit Olli Schulz und Solo unterwegs, Moritz Krämer hat drei Soloplatten, Kurz- und Spielfilme gemacht und Francesco Wilking ist Frontmann der Band Tele, macht Musik für den Tatort und beide teilen sich Gitarre, Gesang und Songwriting bei Die Höchste Eisenbahn.

Sie werden Supergroup genannt oder auch einfach die beste deutschsprachige Popband. In jeder Hinsicht völlig gerechtfertigte Titel, die nicht zuletzt daraus resultieren, dass die einzelnen Teile dieser Summe schon ziemlich gut sind, sie aber als ebendiese Summe eine gewissen Perfektion erreicht haben, die landauf, landab rar gesät, wenn nicht einzigartig ist. Eine Perfektion, die zu diesem fantastischen Sound führt, den Experten schlicht Pop nennen. Einen Pop, der nicht Popmusik meint und schon gar nicht mit Bourani-Bendzko und Co. verwechselt werden darf, sondern warme, leichte, weite Musik, die poetische Kurzgeschichten und laue Abende gleich gut untermalt. Mal Uptempo, dann Downtempo, mal klassische Instrumente, dann Drumpads und 80s-Synthies, mal alles kombiniert, why not?! Wenn es einer darf und kann, dann diese vier. Und egal ob Sonnenschein oder Sonnenbrand, ob du verliebt bist oder verlassen wurdest, hier gibt es die Lieder zu hören, die jede Lebenslage (noch) etwas besser machen.

Festival oder Club?

Club

Lennon/McCartney oder Lennon bzw. McCartney

Da halte ich mich raus, ist mir egal. Es ist auf jeden Fall cooler Lennon zu sagen.

Lisbeth oder Isi?

Muss ich natürlich ganz klar Isi sagen, weil sonst ist es so ein Egoabfuck, weil Lisbeth hab ich geschrieben und Isi hat Francesco geschrieben.

Das sind nicht die einzigen beiden Vornamen auf euren Alben. Wählt man diese Namen zufällig aus oder ist das so wie in der Zeitung, wenn da steht „*Name geändert / der richtige Name ist der Redaktion bekannt“?

Ne ich glaub bei den Namen geht es uns beiden (er und Francesco) so wie man auch Bilder benutzt in Texten, wenn man irgendwas beschreiben will. Namen tragen für jeden ja auch immer irgendeine Bedeutung mit sich. Zum Beispiel in „Gierig“ heißt der Typ, der so der Checker war in seinem Kosmos, wo sie raus will, Louis. Und Louis ist ja so ein King Louis, also da verbinde ich irgendwelche Sachen damit, er ist halt der König in seinem Bereich. Und Lisbeth z.B. ist für mich ein sehr alter Name und ich hab mir eine Liebesgeschichte vorgestellt, die ich auch eher mit meinen Großeltern verbinde. Dass die sich früh kennengelernt haben und bis zum Ende durchhalten. Was wir auch noch als romantische Vorstellung haben, aber trotzdem über ganz viel andere Modelle nachdenken und uns fragen, haben die nur so lange durchgehalten, weil sie sich immer so zurückgenommen hat oder wie ging das? Also die Namen tragen immer irgendwas für mich mit, was mehr ist als ein sie oder ein er, eigentlich deswegen.

Ihr habt mal gesagt, „ihr wollt nicht irgendwas bestimmtes sagen“. Kommt das daher, weil ihr einfach euren Alltag in Texte fasst und Alltag kann alles sein oder vermeidet ihr es bewusst starke Themen zu verwenden?

Ich glaub wir haben in vielen Liedern, sowohl auf der neuen Platte als auch auf der alten, eigentlich schon große Themen drin. Also auf der ersten Platte, z.B. in „Egal wohin“ geht es um Konsumkritik, also man kann schon große Themen finden, in den Liedern. Aber vielleicht ist es eine Art zu texten, die Francesco und Ich mögen, dass man was beschreibt. Ich mag szenische Texte, Vorgänge beschreiben – z.B. „Lisbeth“ fängt ja auch mit so einem szenischem Vorgang an – ich glaub wir mögen beide wenn Texte was beschrieben, entweder Bilder oder eben einen szenischen Vorgang, und dadurch ergibt sich dann eine Geschichte oder eine Haltung zu Figuren, zu Themen und vielleicht meinten wir damit, dass wir keine Texte haben, in denen wir sagen: Konsum ist scheiße, wir haben keine Handlungsanweisunungen in unseren Texten.

Sind diese Themen Generationen übergreifend und glaubt ihr, dass ihr deswegen ein vom Alter her so ein breites Publikum ansprecht, wie man oft über euch ließt? Stichwort „Mehrgeneration-Pop.“

Ich glaube das Publikum ist so alt wie wir. Und dann ein bisschen jünger noch. Aber ungefähr so alt wie wir, irgendwo zwischen Ende 20, Anfang 40.

Eure Songs könnten genau so gut selbsterlebtes sein, wie erfundene Kurzgeschichten. In der Literatur ist die sog. Autofiktion ja schon länger ein Thema, interessieren euch solche Debatten, auch in Bezug auf euer Werk?

Ehrlich gesagt, habe ich das immer noch nicht verstanden, und das ist so eine Antwort die nach Abblocken klingt. Zu sagen, dass doch alles irgendwie erlebt ist und alles irgendwie erfunden. Ich sehe diese Trennung nicht so richtig. Ich hab ja an der Filmhochschule studiert und ich mochte dort, dass es nicht Dokumentarfilm und fiktionalen Film gab, sondern das wir uns viel ausprobiert haben, das die Grenzen fließend sind. Und das ist ja beim Schreiben, bei Geschichten auch so. Dass man was Reales nimmt als Anlass um dann, etwas das einen berührt hat in einem Film weiterzudenken, zu einer fiktionalen Geschichte.
Ich finde die Diskussion, auch mit Knausgård (norwegischer Autor; Kämpfen) total interessant, da fließen ja ganz viele Sachen ein. Dieses Copy/Paste, wann hat man was selber gemacht, damals mit Axolotl (Axolotl Roadkill; Helene Hegeman). Wenn man sein eigenes Leben aufschreibt, dann kommt die Persönlichkeitsrechtsfrage mit rein. Wir waren neulich bei seiner (Knausgård) Lesung, das war eher wie ein Interview dann. Weil ja jetzt Kämpfen rauskommt, was ja auch schon uralt ist. Eigentlich ist es eine Genresache. Man kann sagen: Der eine erzählt eine Geschichte mit: Paul lief die Straße runter und traf Franziskus. Und der andere schreibt vielleicht: Ich lief die Straße runter, da war er schon wieder, mein Erzfeind. Und vielleicht haben beide das erlebt und der eine hat halt Namen drauf gesetzt und versucht es größer zumachen, durch Abstraktion und der andere wollte es ganz nah an sich dran haben.

Nochmal weiter zum Vorgang des Schreibens, gibt es Themen, die man besser auf Deutsch bzw. Englisch besingen kann? Auf Timmy von eurem letzten Album, singt ihr nämlich ein paar Strophen auf englisch.

Wir haben eine Studiogemeinschaft und ich hab gerade mit jemanden der Englisch spricht und in dem Studio ist, ein Lied geschrieben und aufgenommen. Und der meinte es ist eine gute Idee, wenn ich Englisch singe. Das habe ich auch versucht, das ist jetzt so. Aber ich merke erstmal wie weit weg das von mir ist. Das liegt gar nicht an den Wörtern. Im Alltag benutze ich eigentlich nie englische Wörter, obwohl stimmt nicht, vorhin habe ich Egoabfuck gesagt. Ich glaub die sind nicht in den Texten, weil ich die sonst auch nicht benutze, wenn ich spreche. Vielleicht benutzt Spechtel von Ja, Panik auch die Wörter wenn er spricht. Aber wenn ich Englisch singe, habe ich gemerkt, die Bögen, ob man was laut sagt oder leise ist verschieden. Ich glaub bei mir ergibt sich die Melodie oft aus einem Zusammenhang zwischen dem was ich sagen will, und der Kraft die ich dahinter stecken kann, wenn mir irgendwas absurd vorkommt, wenn ich das groß rausschreie, würde ich das eher leiser singen, und dann ist die Gesangsmelodie anders, und im Englischen hab ich kein Gefühl dazu wie groß etwas ist. Eine Brise kam auf, dann würde ich das im Deutschen ganz klein singen und im Englischen hab ich dieses Sprachgefühl dazu nicht, weil es nur eine erlernte Sprache ist. Also ich kann besser auf Deutsch schreiben und singen.

Ja, Panik, die berichten ja in ihrem gerade erschienen Buch davon, wie schwierig es ist als professionelle, idealistische Band, Musiker Geld zu verdienen. Könntet ihr euch vorstellen kommerzieller zu werden, ein größeres Publikum zu erreichen – Francesco hat ja schon mal Schlager für den Tatort geschrieben?

Ich hab das Gefühl und das ist nur ein Gefühl, dass das gar nicht meine Entscheidung wäre, weil ich das einfach nicht kann. Kommerziell gibt es ja immer schon was, das funktioniert und dann setzt sich jemand drauf und sucht noch ein paar andere Projekte, die so ähnlich sind oder er war der erste mit so einem Projekt. Man muss halt ein geiles Lied schreiben und dann hören sich das ganz viel Leute an und dann ist man in den Charts. Das mit dem Schlager ist, wie so eine Dienstleistungsnummer, ich kenne das vom Theater. Der Theaterregisseur hat in einer Scene irgendein Lied drunter gehabt und dann will er, dass das was man aufnimmt etwas ähnliches macht. Und Francesco und der Schlager: Er hat auch mal italienische Schlager für Braunschlag (österreichische Serie), die in der Kneipe laufen aufgenommen. Aber wenn man sich Auftragsmäßig was ausdenkt, dann ist das natürlich total weit weg von einem. Dann ist das so als würde man in eine Rolle schlüpfen, wenn man sich damit auf die Bühne stellt. Aber so funktioniert ja auch Pop. Pop ist ja auch sich verkleiden und sich eine Figur ausdenken. Aber da sind wir wieder bei dem anderen Thema, das wir uns nicht verkleiden, weil wir in diesem Ich-Erzähler-Modus drin sind und so tun als ob wir was von uns erzählen… aber ist das dann eigentlich auch eine Rolle…? Alles fake, alles aufgelöst, alles nichts, nichts alles…

Was würdet ihr sagen, wenn die ARD kommt und euch anbietet beim Grandprix d’Eurovision aufzutreten, also ohne Vorentscheidung und alles, einfach Finale und los?

Also ich fand das Lied von Portugal megageil. Oder? Wahnsinnig schön. Du musst dir das mal auf YouTube ansehen, dass ist einfach ein wahnsinnig tolles Lied. Und er hatte auch so eine etwas hochnäsige Anti-Haltung. Er kam dann danach vor und hat gesagt, er würde sich wünschen, dass in Zukunft, die Leute verstehen, das Musik nicht Plastik ist und das Musik mit Gefühlen zu tun hat und so. Und damit sagt er ja: Ich mache richtige Musik und ihr anderen seid Idioten und Fake. Aber die kamen mir auch so vor als hätten die das einfach gemacht um ihr kleines Business zu promoten, seine Schwester macht Indie-Musik, obwohl die ist auch bei einem Majorlabel, glaube ich. Auf jeden Fall ist das nicht so, wie wenn wir sagen würden, wir spielen nicht für Becks oder so, weil sowas ist irgendwie klar, das man nicht Bock hat für eine Marke zu spielen. Aber jetzt wäre das ja quasi für Deutschland, stimmt. Das ist dann natürlich immer krass, ne? Das ist seltsam, fühlt sich irgendwie nicht richtig an. … Ich glaub, ich würde es trotzdem machen. Wenn ich mir aussuchen kann, was ich da spiele. Das kann man ja eigentlich nicht, oder?

Und jetzt die Fan-Frage, wird es mehr Platten als Die Höchste Eisenbahn geben oder wird sich erstmal um eure Soloprojekte und Schlagerscene gekümmert?

Wir machen Eisenbahn, wir reden gerade drüber, wo wir die aufnehmen. Schön wäre sowas wie in Schweden in einem Haus abhängen zusammen. Wir haben noch nicht den einen Modus gefunden, wie wir schreiben und vielleicht finden wir da was neues. Wir wollen jedenfalls. Ich nehme aber auch gerade ein bisschen Solo auf, Francesco hat eine neue Teleplatte aufgenommen, und wir finden dann bald raus wann es losgeht und haben total Bock.

© Sonja Stadelmaier

Kommentaren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.